Kamala HarrisStreit um das „Vogue“-Cover mit der künftigen US-Vizepräsidentin

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Kamala Harris Vogue neu

Kamala Harris auf dem Cover der „Vogue“

New York – Das Internet war, wie eigentlich jeden Tag, empört. Nicht darüber, dass die „Vogue“ Kamala Harris, die zukünftige Vizepräsidenten der USA , zum Cover-Star ihrer Februar-Ausgabe erkoren hat. Sondern über das Foto, das die Redaktion der einflussreichsten aller Modezeitschriften als Titelbild ausgewählt hat, in unserer Bildkombi rechts zu sehen.

Auf dem Papier macht eigentlich alles an dieser Inszenierung Sinn, zuallererst der beauftragte Künstler: Als Tyler Mitchell 2018 Beyoncé für das Magazin ablichtete, war er mit 23 Jahren nicht nur der jüngste Fotograf, der ein „Vogue“-Cover gestalten durfte, er war auch der erste schwarze. Ganz so wie Kamala Harris nach dem 20. Januar die erste Frau und die erste Afroamerikanerin im Vizepräsidenten-Amt sein wird.

Tyler Mitchells Foto zeigt eine entspannt und gewinnend lächelnde Politikerin, alles an ihr strahlt Zugänglichkeit aus, auch das schwarzglänzende Jackett mit den schwarzen Skinny Jeans und den Converse-Chucks, die während der Präsidentschaftskandidatur zu ihrem Markenzeichen geworden waren, als krönenden, oder vielmehr erdenden Abschluss: „By the people, for the people“, verkündet die Zeile am linken Rand. Eine Frau des Volkes. Die Kleider sind übrigens ihre eigenen, was bei einem Modemagazin doch eher unüblich ist.

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Die im Hintergrund drapierten Tücher tragen mit Lachsrosa und Apfelgrün übrigens die Farben ihrer alten Studentenverbindung Alpha Kappa Alpha, der ersten afroamerikanischen Sorority, deren Mitgliederliste sich wie das Who’s Who weiblicher afroamerikanischer Exzellenz liest, von der Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison bis zu Katherine Johnson, die die Mondflugbahn von Apollo 11 errechnet hat. Das Coverfoto ist also nicht ganz so „casual“ wie es vorgibt zu sein, die Zwanglosigkeit ist inszeniert. Darüber regt sich freilich niemand auf.

Kamala Harris Vogue neu

Kamala Harris auf dem Cover der „Vogue“

Allen Anschein nach hat es Mitchell mit seiner Schnappschuss-Lässigkeit aber zu weit getrieben: Das Bild sei schlicht unangemessen für den historischen Augenblick, in dem das zweithöchste Amt der Vereinigten Staaten zum ersten Mal nicht von einem weißen Mann bekleidet wird, so der Tenor der Twitter-Kommentare. Es sei zu wenig repräsentativ, zu wenig durchdacht, ja schlicht schlampig, „wie eine Hausaufgabe, die man schnell am Morgen, bevor man sie abgeben muss, erledigt hat“, schimpfte eine Kommentatorin.

Zu grell ausgeleuchtet

Zudem gab es Stimmen, die der „Vogue“ vorwarfen, Harris’ Hautfarbe aufgehellt oder zumindest allzu grell ausgeleuchtet zu haben. Was das Magazin vehement abstreitet. Kamala Harris ist auch zugleich (mütterlicherseits) die erste asiatische Amerikanerin im Amt, was den eher hellen Teint erklärt.

Jetzt ließ sich Chefredakteurin Anna Wintour sogar von der „New York Times“ interviewen, um das umstrittene Titelbild zu verteidigen: Man habe die Botschaften von Empathie und Eintracht betonen wollen, die, so Wintour, auch die Biden-Harris-Kampagne prägten.

Lieber taubenblau und beige

Allerdings soll auch das Team der designierten Vizepräsidentin unzufrieden mit der Auswahl sein. Hier hätte man lieber das formellere Porträt, das bislang nur im Internet veröffentlicht wurde, auf dem Cover der gedruckten Ausgabe gesehen.

Aber ob das soviel besser ausgefallen ist? Der konservative, taubenblaue Hosenanzug von Michael Kors, der beige und karamellfarbene Hintergrund, die abweisend verschränkten Arme, das gezwungene Lächeln: Das atmet nun weder den „Vogue“-gemäßen Glamour, noch wirkt es besonders staatsmännisch oder souverän. Vielleicht waren die Erwartungen zu hoch. Kann man sich machtvoll und zugänglich zugleich präsentieren? Oder, wahrscheinlicher, die richtige Bildsprache für das, was Kamala Harris verspricht, ist noch nicht gefunden worden.

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