Kölner Gürzenich-OrchesterBöses Erwachen für die Sumpfnymphe beim Saisonauftakt

Lesezeit 2 Minuten
Neuer Inhalt

Alisa Weilerstein

Köln – Man tritt Matthias Pintschers Cellokonzert „un despertar“ („Ein Erwachen“) wohl nicht zu nahe, wenn man es als ein Stück raffinierter und wirkungsvoll komponierter Stimmungskunst bezeichnet. Dem Werk liegt ein Gedicht von Octavio Paz zugrunde, in dem ein alter Mann beim Blick in die Winterlandschaft über sein Leben nachdenkt. Was sich dem Hörer mitteilt, ist eher der Gang durch einen sich permanent wandelnden musikalischen Parcours der irisierend schönen, aber meist dunkel bedrohlichen Klanggestalten.

GMD François-Xavier Roth hat das Stück 2017 in Boston aus der Taufe gehoben – gemeinsam mit Alisa Weilerstein, die es nun auch bei der Deutschland-Premiere im Rahmen des 1. Gürzenich-Abo-Konzerts in der Kölner Philharmonie spielte. Die amerikanische Cellistin widmete sich dem ausgesprochen windungsreichen, alle Arten avantgardistischer Spieltechniken nutzenden Solopart mit ebenso viel technischem Feinschliff wie effektsicherer Darstellungskunst; im Orchester raschelte dazu das Schlagzeug, knarzte die Kontrabass-Klarinette, wummten weiche Posaunenakkorde aus der gedämpften Mitte auf: Eine Musik, die in jedem Moment fesselt, dem Hörer aber nicht viel mit auf den Weg gibt.

Das könnte Sie auch interessieren:

Um ein Erwachen, ein sehr böses indes, geht es auch in der von François-Xavier Roth zusammengestellten Suite aus Jean-Philippe Rameaus Ballettoper „Platée“: Eine hässliche Sumpfnymphe wähnt sich von Jupiter geliebt, muss aber am Ende erkennen, dass sie nur Spielball in einer Farce um Untreue und Eifersucht war. Das Orchester, vom Maestro mit Trommel und Tamburin rhythmisch in der Spur gehalten, verband hier den Biss und die Agilität eines Barockensembles mit der Fülle und Strahlkraft eines modernen Sinfonieorchesters. Kein fauler Kompromiss, sondern eine geradezu ideale Synthese, die gehörig den Appetit weckte, so etwas auch mal auf der Kölner Opernbühne zu erleben.

Einen weiteren Auftritt hatte der antike Göttervater im großen Schlussstück, Mozarts „Jupiter-Sinfonie“ – freilich nicht als Handlungsträger, sondern nur als symbolisches Qualitätssiegel. Im Sinne klassischer Klangrede spaltete François-Xavier Roth schon das markante Hauptthema des Kopfsatzes in seine heterogenen Bestandteile auf und legte damit gleich die Marschroute eines rhetorisch zugespitzten, kontrastfreudigen und konfliktgeschärften Mozartspiels fest. Diese glänzende, geradezu euphorisierende Interpretation war nicht nur von einem herrlich vitalen, jugendfrischen Geist beseelt, sondern auch bis ins letzte Pult hinein geschliffen und gewandt musiziert.

Weitere Termine: Montag und Dienstag, 20 Uhr.

KStA abonnieren