Kölner Originalklang-FestivalCountertenor-Gala mit Entsagungsgefühlen

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Valer Sabadus

  • In Köln hat das Originalklang-Festival begonnen. Unser Musikkritiker war bei der Auftakt-Gala.
  • Seine Rezension lesen Sie hier.

Vielleicht ist nie in der Musikgeschichte so viel komponiert worden wie in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Zumal italienische Opernkomponisten produzierten damals wie am Fließband und warfen in Wochen- und Monatsabständen Werke mit mehrstündigen Aufführungsdauern auf den Markt – aus dem die konsumhungrigen Zeitgenossen sie dann ebenso schnell wieder verschwinden ließen. Wenn – wie jetzt in der Kölner Philharmonie geschehen zum Auftakt von „Felix!“, des neuen Originalklang-Festivals von KölnMusik – ein ganzer Abend mit dieser Musik bestritten wird, dann wollen solche historischen Umstände mitbedacht werden.

Auch deshalb, weil sie sich aufführungspraktisch nicht wiederholen lassen: Eine Opern-Sinfonia von Nicola Porpora oder Leonardo Vinci wurde seinerzeit von Gläsergeklirr und munterer Konversation eskortiert – während das Publikum von heute still zuzuhören hat.

Ist die Musik solche rezeptive Andachtshaltung wert? Nun ja, auch dieser Eröffnungsabend von „Felix“, der zugleich die philharmonische Saison 2019/20 einleitete, konnte nicht aus der Welt schaffen, dass damals neben verdienten Hits notwendigerweise auch viel leichtgewichtige Durchschnittsware entstand – melodienarmes Sequenzgeklingel, unspezifische harmonische Abziehbildchen, immer wieder aufs Neue in die Abläufe hineinmontiert und verbunden mit einer starren „Versäulung“ der Affekt-Schemata. Da mochten den aktuellen Zuhörer hin und wieder leichte Entsagungsgefühle beschleichen – die freilich immer wieder ausgebremst wurden durch die herausragende, fesselnde Qualität der Interpretation.

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Als Countertenor-Gala war das Ganze angesagt und angelegt – und Valer Sabadus, Terry Wey und Philipp Mathmann führten in der Tat ihr Metier, in Arien, Duette und Terzetten vorzugsweise aus Händel- und Vivaldi-Opern, auf einem Niveau vor, das derzeit schwer zu toppen sein dürfte. Über dem einschmeichelnden und darin sehr „natürlich“ wirkenden Wohlklang war kaum zu überhören, dass hier ein extrem verfeinerter und artifizieller Gesang am Werk war, der mit „Natur“ wenig zu tun hat. Phrasenspannung, die Formulierung der Einsatztöne, Dissonanzbehandlung, die expressive Dichte der vokalen Linie, auch die geforderte Koloraturenvirtuosität – das alles war hochreflexive und vollendet umgesetzte „Kunst“.

War hier einer besser oder schlechter als der Kollege? Diese Frage ist schwer zu beantworten, allemal aber kann von sehr unterschiedlichen Abdeckungen des Faches „Counter“ gesprochen werden. Jener findet sein Zentrum in der Sopran-, dieser in der Altlage, hier ist das Timbre dunkel, dort hell, und die Stimmfarben leuchteten so erstaunlich wie erfreulich verschieden. Selbstverständlich lag es auch am jeweils gesungenen Stück: Eine Arie wie „Celido in ogni vena“ aus Vivaldis „Farnace“ mit den Klangallusionen an den „Winter“ aus den „Jahreszeiten“-Violinkonzerten ist in ihrer genial verbohrten Düsternis ein Fest für einen Valer Sabadus. Ob Wey und Mathmann ihn wohl um diese Performance-Chance beneideten?

Die drei Counters in Ehren, aber ohne ihre instrumentale Begleitung wären ihre Spitzenleistungen kaum möglich gewesen. Sehr zum Gelingen also trug das Freiburger Barockorchester unter seinem Konzertmeister Gottfried von der Goltz bei, das in die aufgeführten Partituren Leben, Feuer und Seele brachte. Das gelang immer wieder zum Beispiel durch sehr nachdrücklich-sprechende Bass-Formulierungen, vor allem aber dank des außerordentlich vielseitigen und als solches auch präsentierten Klangkolorits: Die rustikal-waldmäßig schmetternden Hörner und die arkadisch-suggestive Traversflöte – sie dürften im Kopf der Zuhörer noch lange positiv nachhallen.

Ein gelungener Auftakt des „Felix!“-Festivals mithin, das am Samstag und Sonntag aus der Philharmonie auch in die Breite und Weite, genauer: in die Kirchen der Kölner City geht. Der Himmel des Originalklangs ist halt weitgespannt – und überwölbt diesmal sogar Persisches, Gamelan-Musik aus Java und japanisches No-Theater.

www.felix-originalklang.koeln

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