Komponist Volker BertelmannWer ist der Oscar-Gewinner aus Düsseldorf?

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Komponist Volker Bertelmann hält am Sonntagabend in Los Angeles seinen Oscar für die beste Filmmusik für „Im Westen nichts Neues“ hoch.

Der Düsseldorfer Komponist Volker Bertelmann alias Hauschka mit dem Oscar für die beste Filmmusik

Unter dem Künstlernamen Hauschka improvisiert Volker Bertelmann mit präparierten Klavieren. Doch vor zehn Jahren hat sich der Düsseldorfer als Filmkomponist neu erfunden. Sein Weg zum Oscar begann in Köln. 

Am Anfang der langen Reise zum Oscar-Gewinn für die Beste Filmmusik stand ein Anruf aus dem Siegerland: In Volker Bertelmanns alter Heimat nahm ein Harmonium seiner Urgroßmutter zu viel Raum ein. Das klobige Instrument, im Prinzip eine mit Fuß-Blasebalg betriebene Orgel, müsse man leider entsorgen, wurde Bertelmann mitgeteilt. So er es nicht für sich reklamieren wolle. Der Erbe erwies sich als idealer Adressat.

Unter dem Künstlernamen Hauschka veröffentlicht Bertelmann seit 2004 Stücke, die er – in Nachfolge des Fluxus-Komponisten John Cage – mithilfe allerlei fantasievoll präparierter Klaviere einspielt. Dazu klemmt er Filzstücke oder Tischtennisbälle zwischen die Saiten, umwickelt die mit den Tasten verbundenen Hämmerchen mit Alufolie, nutzt auch schon mal einen Vibrator zur Klangverfremdung.

Bertelmann ließ das Harmonium in seiner Wahlheimatstadt Düsseldorf von einem Spezialisten restaurieren. Weshalb es, als ihn Regisseur Edward Berger mit der Musik zur Erich-Maria-Remarque-Verfilmung „Im Westen nichts Neues“ beauftragte, einsatzbereit im Studio wartete.

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Kaum hatte der Pianist den fast fertiggestellten Film gesehen, setzte er sich an Urgroßmutters Harmonium und fand jenes schwermetallische Drei-Noten-Motiv, das sich nun durch das gesamte Schützengraben-Epos zieht, als markerschütterndes Symbol der unbarmherzigen Kriegsmaschinerie. Verzerrt, verstärkt – Edward Berger dachte sofort an Led Zeppelin – und doch eingespielt auf einem Instrument, das aus der Zeit des deutschen Kaiserreichs stammt.

Einfache, aber eindringliche Motive, gespielt auf zur Welt des jeweils zu vertonenden Films passenden, exotischen Instrumenten, das Verfremden der selbigen und Verstärken bis zum Rockkonzert-Dröhnen – diese Vorgehensweise erinnert an einen anderen Deutschen in Hollywood: Hans Zimmer.

Aber warum nicht von den Besten lernen? Zimmer ist mit seinen zwei Oscars und etlichen Nominierungen der erfolgreichste deutsche Filmkomponist. Freilich kann auch Bertelmann, Jahrgang 1966, inzwischen einiges an Erfahrung vorweisen. Bereits mit 18 Jahren hatte er, der zehn Jahre lang eine klassische Klavierausbildung genossen hatte, die Musik für zwei Folgen der ZDF-Serie „Ein Fall für Zwei“ geschrieben, seinen ersten Film-Soundtrack verfasste er allerdings erst 2012 für Doris Dörries „Glück“. 2017 erhielt er zusammen mit Dustin O’Halloran seine erste Oscar-Nominierung für die gemeinsame Musik zu Garth Davis’ „Lion – Der lange Weg nach Hause“. Seit 2018 ist er Mitglied der Academy of Motion Picture Arts and Sciences.

Der lange Weg zum Oscar führte über Köln und Hip-Hop-Versuche

Tatsächlich war auch Bertelmanns Weg zum Oscar sehr viel länger und verschlungener als eingangs dargestellt. Nach dem Abitur zog er nach Köln, um dort zuerst Medizin und anschließend BWL zu studieren, beide Studiengänge brach er ab, es war ja doch die Musik, die ihn wirklich interessierte. Mit seinem Cousin gründete er die Hip-Hop-Band „God’s Favorite Dog“, trat im Vorprogramm der Fantastischen Vier auf, doch der Erfolg blieb aus, die Plattenfirma verlor das Interesse. Der Traum vom Musikerdasein schien ausgeträumt.

Bertelmann nahm sich eine Auszeit, um in Düsseldorf neu anzufangen. Dort wurde er Vater und besann sich wieder auf seine erste Liebe, das Klavier.   Mit dem begab er sich auf Klangforschungsreisen, improvisierte in seinen Konzerten auf dem präparierten Instrument ohne Netz und doppelten Boden.

Das erste Hauschka-Album erschien beim kleinen Kölner Label Karaoke Kalk. Diesmal ging das Publikum mit – und ebenso die Kollegen, Hauschka spielte mit der Americana-Band Calexico ebenso wie mit der Star-Violonistin Hilary Hahn, für Arte zog er mit Tori Amos durch die Nacht. Er trat in Clubs wie in Philharmonien auf, spielte Alben für das Indie-Label City Slang und für Deutsche Grammophon ein.

In den vergangenen Jahren stand freilich die Filmarbeit im Vordergrund. Und nach dem Oscar für „Im Westen nichts Neues“ wird das wohl auch so bleiben.

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