„Da können Se Jeduld lernen“Konrad Adenauer und sein Garten – Ein Besuch in Rhöndorf

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Blick in Adenauers Garten – das Foto haben wir dem Buch „Der Garten und sein Gärtner“ (Greven) entnommen.

Blick in Adenauers Garten – das Foto haben wir dem Buch „Der Garten und sein Gärtner“ (Greven) entnommen.

  • Konrad Adenauer, der erste Kanzler der Bundesrepublik, pflegte einen sehenswerten Garten in seinem Anwesen in Rhöndorf.
  • Christian Feyerabend hat ein Buch über den Garten und seinen Gärtner geschrieben.
  • An einem sonnigen Freitagnachmittag führt er durch diesen Garten – es ist auch eine Führung durch Adenauers Leben.

Als Lord Byron im frühen 19. Jahrhundert „the castled crag of Drachenfels“ besang – den von der Burg bekrönten Felsen über dem Strom –, da waren die Ufer noch sehr grün, es wuchs der Wein, und die Dörfer lagen versprengt. Etwas mehr als hundert Jahre später mochte der Herr, der 1937 am Faulen Berg in Rhöndorf auf einem aufgebrachten Weinberg ein Grundstück erwarb, noch ungefähr denselben Ausblick genossen haben wie der englische Bildungsreisende zuvor: Im Norden thronte der Drachenfels, im Westen und Süden floss der Rhein durch eine weithin grünende Landschaft, und in seinem Rücken, im Osten also, ging es weiter steil den Hang hinauf, in den Konrad Adenauer sein neues Wohnhaus samt großzügiger Gartenanlage bauen wollte.

Christian Feyerabend führt an einem sonnigen Freitagnachmittag im Sommer 2020 hinauf zu Adenauers Anwesen und beschwert sich ein wenig über die finstere Thuja-Hecke, die den Beginn des Zuwegs säumt. Mit der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus, die die Anlage samt Dauerausstellung in einem weiter unten gelegenen Bungalow betreibt, hat er schon darüber gesprochen – die Hecke sollte weg, sie trübt den Eindruck des ansonsten hochattraktiven Gartens. Über diesen und über seinen Gärtner hat Feyerabend ein Buch geschrieben, das im Kölner Greven-Verlag erscheint und mit Fotografien von Roland Breitschuh illustriert ist („Kölner Stadt-Anzeiger“ vom 12. Mai 2020). Nun zeigen er und der Leiter des Archivs der Stiftung, Holger Löttel, uns den Ort selbst. Und natürlich beginnt die Führung mit – der Aussicht.

Privathäuser und Gewerbe wie dichte Tupfen

Diese ist nicht mehr ganz so naturnah und unverbaut, wie Lord Byron im 19. Jahrhundert und auch Adenauer in den 1930er Jahren sie vorgefunden haben; beeindruckend ist sie nach wie vor. Das ehemalige Winzerdorf Rhöndorf, ein Kurort mit vornehmen Villen, ist gewachsen seither, und auch im Rheintal wurde emsig gebaut; Privathäuser und Gewerbe wie dichte Tupfen im Panorama des großen Flusses. Schon in den 30er Jahren lag auf dem linken Ufer das Rheinhotel Dreesen, in dem Hitler mit dem britischen Premier Chamberlain die Sudentenfrage verhandelte.

Der Kanzler bei der Gartenarbeit.

Der Kanzler bei der Gartenarbeit.

Ein historisches Schwarzweiß-Foto von 1945 zeigt unterdessen Adenauers Wohnhaus, wie es den Steilhang des Faulen Bergs dominiert – die großen Abstände zu den Nachbargrundstücken sind seither geschrumpft. Dem Gründungskanzler der Bundesrepublik sind die Mitbürger mit den Jahren immer näher gekommen.

Im Kloster in Gedanken Gärten geschaffen

Beim Spaziergang mit Feyerabend und Löttel durch Adenauers Garten schreitet man zugleich das Leben des Politikers ab: die Stationen als Oberbürgermeister von Köln, wo sich seine Liebe fürs Gärtnerische im Einsatz für den Grüngürtel ausdrückte; die Jahre in Ungnade, als die Nazis ihn sogar mit dem Tode bedrohten und er Zuflucht im Kloster von Maria Laach fand – „ich lese fast täglich in Staudenkatalogen, so schaffe ich mir in Gedanken Gärten“, schrieb er im Juni 1933 an Dora Pferdmenges; der Aufbau der Bundesrepublik schließlich, die Pflege der zarten Pflanze Demokratie und der eigene Garten in Rhöndorf – „Da können Se Jeduld lernen.“

Für Feyerabend und Löttel hat der Garten erklärtermaßen eine politische Dimension, schon deswegen, weil sowohl der Gärtner als auch der Politiker Adenauer glasklare Vorstellungen von den Herausforderungen der Zukunft besaß: „Er wollte die Deutschen zur Demokratie erziehen, gleichzeitig war er Pragmatiker und Realist“, sagt Holger Löttel– deswegen arrangierte er sich mit Männern von gestern wie Hans Globke, der Kommentare zu den Nürnberger Rassegesetzen verfasst hatte und den er gleichwohl zum Chef seines Kanzleramts machte.

Schluss mit der Demokratie

In seinem Garten aber war für Adenauer Schluss mit der Demokratie. Hier setzte er konsequent seine eigenen Vorstellungen durch, planerisch und praktisch, als Rosenzüchter mit Vorliebe für Hochgewächse, aber auch als Erbauer von Natursteinmauern, die gerade erst wieder von Efeu und anderen Pflanzen befreit wurden. Das ist Christian Feyerabends aktueller Lieblingsort in Adenauers Gartenreich.

Das Buch

Christian Feyerabend (Text) und Roland Breitschuh (Fotografien): „Adenauer. Der Garten und sein Gärtner“, Greven Verlag, 200 Seiten mit 179 Abbildungen, 30 Euro

Wobei es von solchen Orten dann doch mehrere gibt, wie sich herausstellt: die weite Flucht etwa, die zum Gartenpavillon führt, von dem man einen großartigen Blick über das Rheintal zwischen Bonn und Rolandsbogen hat – weil er sich damit gern vom Verfassen seiner Memoiren ablenkte, drehte seine Mitarbeiterin Anneliese Poppinga den Schreibtisch schon mal in Richtung Bücherwand.

Eine repräsentative Bühne für den Kanzler

Abschnitte wie diesen nennt Feyerabend „Kanzlergarten“. Hier kamen die Staatsgäste an, die wie der Kanzler selbst 58 Stufen steigen mussten, bevor sie den Vorgarten betraten, eine repräsentative Bühne für den Hausherrn, der nach der Besichtigung des Gartens im Salon zu ausgewählten Speisen und den Torten des Rhöndorfer Bäckers und Konditormeisters Profittlich bat.

Auch auf der Südseite des Hauses befindet sich ein solches Stück Kanzlergarten, mit einem streng eingefassten Teich und einem wiederum betörenden Blick über den Rhein. Hier stehen seit einigen Jahren zwei Statuen, die Adenauer und de Gaulle darstellen. Tatsächlich könnte man den Eindruck gewinnen, von Adenauers Terrasse bis nach Frankreich zu blicken.

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Auch damit spiegelt der Gartner ein wenig die Seele des Gärtners: Adenauer, der Praktiker und Pragmatiker, er war im Kleinen akkurat und pingelig, wenn es ums Pflanzen und Pflegen seiner Blumen ging. Zugleich aber liebte er den Ausblick, die weite Perspektive, den hohen Himmel überm Land; durchaus ein Visionär, der den Neuanfang nach der Barbarei gestaltete. Nicht wenige Ideen dazu kamen ihm bei der Gartenarbeit.

Die Corona-Krise schränkt auch Führungen durch den Garten ein, die grundsätzlich aber wieder möglich sind. Infos unter www.adenauerhaus.de

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