„The National” im Kölner PalladiumDie große Publikums-Bewerfung

Singt von krankgeschriebenen Herzen: Matt Berninger, Frontmann von The National.
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Köln – Mit dem Roadie von Matt Berninger möchte am Montagabend niemand tauschen. Mit fast artistischen Verrenkungen muss der arme Mann das gut 50 Meter lange Mikrokabel wahlweise irrsinnig schnell aufwickeln oder wieder freigeben, damit der „The National“-Sänger ohne Fallstrick auf der Bühne herumtigern kann – was er ständig tut. Wenn er nicht runter zu seinem Publikum springt, längs an der Hallenwand hinter einem Tresen abtaucht, um dann auf eben jenem stehend über den Tag zu singen, an dem sein lyrisches Ich sterben wird („The Day I Die“). Von nervöser Hochspannung, die sich in Melancholie auflöst, leben auch die Songs des amerikanischen Quintetts, das im ausverkauften Palladium sein neues Werk „I am Easy to find“ vorstellt.

Hallo Fans: Matt Berninger wieder mal auf Tuchfühlung in Köln.
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Wer in den Texten des Neulings auf eine Prise gute Laune gehofft haben sollte, wird – zum achten Mal – enttäuscht. Berninger driftet noch weiter in die Dunkelheit ab.Radiohits landet man so natürlich nicht: Die 1999 in Brooklyn gegründete Indie-Band hat sich mit ihren komplex arrangierten Anti-Hits in sehr große Hallen hochgearbeitet. Zwanzig Jahre lang. Konzertbeginn in Köln ist geradezu preußisch genau um 21 Uhr, genau zwei Stunden später dann stiefeln zwanzig Füße wieder ab von der Bühne. Denn live werden die zwei für sich bereits genialen Brüderpaare in der Band, Bryan und Scott Devendorf an Bass und Schlagzeug, Aaron und Bryce Dessner an Gitarren und Keyboards, unterstützt durch einen zweiten Schlagzeuger, zwei Bläser und zwei Sängerinnen. Eine Strategie der Überwältigung, die in Köln hervorragend funktioniert.
Weitgehend jedenfalls. Denn leider sind die Sängerinnen – auf dem neuen Album singen erstmals Frauen mit – öfters reine Staffage neben dem Hünen mit Nerd-Brille, der keine anderen Götter beziehungsweise Göttinnen neben sich verträgt: Ihre Stimmen gehen unter gegen seinen berüchtigten Bariton. Sind sie mal gut zu hören, wird es zauberhaft, so wie in der Ballade „I am Easy to find“: „Du findest mich dort, wo du mich hast stehen lassen. Du warst nie eine New Yorkerin, das konnte ich in deinen Augen sehen“, singt der Wahl-New-Yorker im schönsten Duett des Abends.

Die amerikanische Band „The National“ in Köln
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Um krankgeschriebene Herzen geht es fast immer, von Lichtjahren der Distanz zwischen zwei Menschen singt Berninger. Drunter geht es kaum. Was hat den Mann bloß so ruiniert? Wer seine Jeans ruiniert hat, steht dagegen zweifelsfrei fest: Es war der Trockner eines Waschsalons – ausgerechnet in Düsseldorf, wie Berninger erzählt: „Guckt euch meine Hose bloß nicht so genau an“, ruft er seinen Fans zu und rückt ihnen kurz darauf im Graben wieder auf die Pelle.
Matt Berninger von The National: schrullig und unterhaltsam
So schwelgend und raffiniert die Klanggebilde sind, die da auf Bühne gezimmert werden, gegen Berninger wirken all die tollen Musiker wie Statisten: Er ist das irrlichternde Zentrum dieses grandiosen Konzerts – und auf seine schrullige Art höchst unterhaltsam: Mehrmals bewirft er sein Publikum mit gut gefüllten Pappbechern. Man will lieber nicht wissen, was drin ist.
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Nach mehr als zwanzig Songs inklusive vier Zugaben, kurz vor dem stimmlichen Versagen Berningers, singen alle zusammen das Lied „Vanderlyle Crybaby Geeks“. Eine Abschied mit Tradition bei „The National“, in Köln nur mit Akustikgitarren und ein paar Schellen intoniert: „Die Besten von uns hängen sich auf für die Liebe“ singt dieser Chor aus vielen Tausend Stimmen. Schnief. Schlimme Abgründe können sich verdammt schön anhören.