„Küssen Sie denen die Füße“Kölner Museumsleiterin über ihre Anfänge als Direktorin

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Hannelore Fischer steht vor einer Bücherwand.

Hannelore Fischer

  • Hannelore Fischer leitete über 30 Jahre das Kölner Käthe-Kollwitz-Museum und machte es zu einer weltweiten Instanz.
  • Am Dienstag erhält Fischer den Ehrenpreis der Kölner Kulturrats.
  • Im Interview spricht sie über ihre Amtszeit, maßlos überhöhte Kunstmarkt-Preise und ihre Anfänge als Direktorin und alleinerziehende Mutter.

Frau Fischer, Sie haben über 30 Jahre lang das Kölner Käthe-Kollwitz-Museum geleitet. Davor haben Sie mit Kollwitz gefremdelt. Warum? Hannelore Fischer: Wenn man wie ich aus dem Impressionismus kommt mit viel Farbe, Licht und Sonne, wird man mit dem sehr ernsten Werk von Käthe Kollwitz erstmal fremdeln. Mir ging es jedenfalls so. Aber ich habe mir über ihre Tagebücher ihre Persönlichkeit und ihr Werk erschlossen und war dann ganz schnell hin und weg von den Möglichkeiten, die sich eröffneten.

Ich merke bei jeder Führung, wie Kollwitz die Menschen bewegt

Was ist das Besondere an Kollwitz?

Zunächst einmal ist sie eine grandiose Zeichnerin, vielleicht die beste, die Deutschland jemals hatte. Außerdem hat ihre Arbeit eine besondere, sehr durchdachte und hart erarbeitete Wirkung auf die Menschen, eine emotionale Schlagkraft, so hat das ein Kollege einmal genannt. Ich merkte bei jeder Führung, wie sie die Besucher bewegt, und wusste: Mit Kollwitz hast Du etwas wirklich Großartiges gefunden, etwas, womit Du dich identifizieren kannst.

Wie reagieren die Menschen?

Ich habe regelmäßig Palliativmediziner durch die Ausstellungen geführt, Ärzte, denen vielleicht gerade ein Patient gestorben war. Für die waren die Kollwitz-Werke ein emotionaler Anker – es gibt unglaublich viele Menschen, für die Kollwitz ein solcher Anker ist! Übrigens auch für Künstler: Die Akademie der Künste Berlin verleiht ja jährlich den Kollwitzpreis, und ich habe noch keine Preisträger erlebt, von Martin Kippenberger bis hin zu Maria Eichhorn, die sie nicht hoch schätzten.

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Wie kam Köln zu einem Museum der Berliner Künstlerin?

Hans-Joachim Möhle, der damalige Vorstandsvorsitzende der Kreissparkasse Köln, erfuhr, dass die Kollwitz-Enkelin Jördis Erdmann ihre Sammlung aus dem Kölner Wallraf-Richartz-Museum abziehen und versteigern lassen wollte – wodurch die Werke in alle Winde zerstreut worden wären. Er beschloss, ganz im Sinne des Kölner Mäzenatentums, sich für den Erwerb und dadurch für den Erhalt dieses einzigartigen Konvoluts einzusetzen. Dann war auch schnell der Entschluss gefasst, die Kollwitz-Arbeiten auszustellen und wissenschaftlich zu erforschen. Die Kreissparkasse kaufte auch den Bestand der zweiten Enkelin, Jutta Bohnke-Kollwitz. So besaß das Museum zur Eröffnung alles Wesentliche des grafischen Werkes und kam dem geplanten Berliner Kollwitz Museum um ein Jahr zuvor.

Wie fanden Sie mit der Kreissparkasse zusammen?

Ich habe meine Magisterarbeit über Kollwitz geschrieben und die Arbeit Jutta Bohnke-Kollwitz geschickt, die hier in Köln gerade als Leiterin der Bibliothek Germania Judaica pensioniert worden war. Sie erzählte mir, dass die Kreissparkasse in sechs Woche eine Kollwitz-Ausstellung eröffnen würde. Ich war gerade mitten in den Abschlussprüfungen und alleinerziehende Mutter, hatte also wirklich genug zu tun, aber diese Chance wollte ich mir nicht entgehen lassen. So bewarb ich mich, und nach dem Einstellungsgespräch hieß es: Sie können sofort anfangen. Als ich meine Professorin um Rat fragte, sagte sie wörtlich: Gehen sie hin und küssen Sie denen die Füße, die Prüfungen können sie später nachholen. Also habe ich mich unentbehrlich gemacht.

Wir wurden mit Angeboten zu völlig überhöhten Preisen überschüttet

Das war 1985 mit Jutta Bohnke-Kollwitz als Gründungsdirektorin.

Sie hatte einen Zehn-Stunden-Beratungsvertrag, und ich habe alles andere gemacht, die Werke gerahmt, den Katalog lektoriert, später auch Aufsicht, diese ganzen Dinge. Am 1. Januar 1990 durfte ich dann die Leitung übernehmen, als halbes Kind, das ich mit Anfang 30 für die Kreissparkasse war. Wir vertrauen Ihnen, hieß es, machen Sie was daraus. Da saß ich plötzlich allein im Büro und fragte mich mit Herzklopfen: Was tust Du jetzt?

Die Kollwitz-Sammlung ist seitdem auf imposante Größe gewachsen.

Ich hatte immer einen Ankaufsetat. Der war nicht riesig, aber beständig. Gerade am Anfang wurden wir mit Angeboten zu völlig überhöhten Preisen geradezu überschüttet. Wir haben dann vieles nicht gekauft. Das tat zwar weh, war aber im Nachhinein sinnvoll, um eine Preisblase zu vermeiden.

Zur Person

Hannelore Fischer leitete rund 32 Jahre lang das Kölner Käthe Kollwitz Museum, bevor sie Ende März in den Ruhestand ging. Unter ihrer Leitung wurde das Haus zur weltweit führenden Kollwitz-Instanz. Am Dienstagabend erhält die Kunsthistorikerin den vom Kölner Kulturrat verliehenen Ehrenpreis des Kölner Kulturpreises 2022. (KoM) 

Haben Sie sich eigentlich als Exotin der Kölner Museumslandschaft gefühlt?

Ich war nie Teil der Kölner Kulturpolitik, mich hat auch niemand gefragt. Ich hatte den Ehrgeiz, gute Ausstellungen zu machen, möglichst mit Bezug zu Käthe Kollwitz, denn sie hat ja einen großen internationalen Fan Kreis. Aber mir war auch klar, dass sich nicht jeder für Kollwitz interessiert. Also haben wir in viele Richtungen Besucher angesprochen, in der Hoffnung, dass diese auch unsere Hauskünstlerin entdecken. Als wir zum Beispiel 2007 die große Toulouse-Lautrec-Ausstellung zeigten, bekam ich zufällig ein Gespräch zwischen zwei jungen Männern mit. Die kannten mich nicht und sagten zueinander: „Das beste war der Weber-Zyklus von Käthe Kollwitz.“ Da dachte ich bei mir: Yeah!

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