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lit.Cologne 2023Wie die FDP das Festkleben zu wahrer Meisterschaft gebracht hat

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Maja Göpel und Friedemann Karig diskutieren auf der lit.Cologne lebhaft über die Frage, wie sich die Welt noch retten lässt.

Maja Göpel und Friedemann Karig diskutieren auf der lit.Cologne lebhaft über die Frage, wie sich die Welt noch retten lässt.

Maja Göpel und Friedemann Karig diskutieren auf der lit.Cologne über Klimaschutz und Tatsache, dass jeder Mensch ein „Wirk“ ist.

Wer schon mal Post bekommen hat, weil die Ampel wohl doch auf Rot stand, hat am eigenen Portemonnaie und Flensburg-Register erlebt, wie allgegenwärtig Verbote sind. „Ohne Verbote könnten wir überhaupt nicht leben“, sagt Moderator Friedemann Karig am Dienstagabend in einen vollbesetzten Sartory-Saal hinein. „Wer wollen wir sein? Für eine bessere Welt“ war der lit.Cologne-Abend mit Politikökonomin und Nachhaltigkeits-Wissenschaftlerin Maja Göpel überschrieben.

Das Problem: In der Klima-Debatte führt jeder Verbots-Vorstoß zuverlässig zum Aufschrei – der Veggie-Day in der Kantine lässt grüßen. „Sich verändert zu fühlen, löst häufig Reaktanz aus“, erklärt Göpel das Phänomen. Viele machten sich immer noch nicht bewusst, dass es der Klimawandel sei, der die Handlungsfähigkeit und den kollektiven Gestaltungsspielraum der Menschen akut bedrohe. Denn mit der Physik lasse sich genauso wenig verhandeln wie mit einem Virus.

Auf freiwilliger Basis schnell Veränderungen anzugehen, um die Welt noch bewohnbar zu machen, wird in diesem Narrativ zum Privileg. Auch das Nachdenken über den eigenen Gestaltungsspielraum sei wichtig. „Ich bin ein Wirk“, behauptet Göpel vor einem lachenden Saal. „Ich wirke immer, durch Handeln oder nicht Nichthandeln.“ Angesichts dieser Tatsache sollte sich jeder die Frage stelle: Wie will ich denn wirken?

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Selbst Essen sei politisch. Die FDP, die bei jedem Verbot aufschreie, sei als Partei nicht mehr gestaltungsfähig, so Göpels scharfe Analyse. Sie vermisse ein Zielbild der Partei, was die freie, innovative Gesellschaft der Zukunft ausmache. Stattdessen klebe sich die FDP an Maßnahmen fest, die zu ihrer Identität geworden seien – wider besseren Wissens, wie die Debatte ums Tempolimit zeige.

Neue Technik, sagt Maja Göpel, müsse sich auch schnell verbreiten

Es sei absurd, dass im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP gemeinsam Maßnahmen formuliert seien, die später unter dem „Verbots“-Hinweis von der FDP abgefackelt würden. Die viel beschworene Hoffnung auf technische Innovationen in der Zukunft sei zunächst vor allem das: eine Hoffnung. „Technik muss nicht nur erfunden werden, sondern sich dann auch schnell verbreiten“, erklärt sie.

Das aber könne nur durch massive Anreize, eine drastische Erhöhung des CO₂-Preises etwa, ermöglicht werden - die aber oft in einem Atemzug mit dem Hinweis auf Zukunftstechnologien abgelehnt würden. Auch wenn der Abend im Zeichen positiver Perspektiven angelegt ist, kommen die gigantischen Probleme, die einer Bekämpfung der Klimakrise im Weg stehen,  ausführlich zu Sprache. Allen voran die entfesselten Kapitalmärkte, die eingefangen werden müssen, ohne dass es kracht.

Immer mehr Superreiche spendeten einen Teil ihres Vermögens oder investierten es in Stiftungen, nennt Göpel als einen Punkt, der ihr Hoffnung macht. So wie MacKenzie Scott, die mehrere Milliarden Dollar an gemeinnützige Organisationen verschenkt hat – während ihr Exmann, Amazon-Chef Jeff Bezos, sein Geld lieber auf dem Mars verpulvert.

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