Martin KippenbergerSchnaps ist Kunst und alles eitel

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„Nieder mit der Inflation“ (1984) aus der Serie nicht peinlicher Bilder

„Nieder mit der Inflation“ (1984) aus der Serie nicht peinlicher Bilder

Köln. – Wenn Martin Kippenberger nicht der schlechteste Maler aller Zeiten war, was war er dann? Wenigstens der beste schlechte Maler seiner Generation? Oder der beste Maler, der man sein kann, wenn man halt kein Rembrandt, Picasso oder Polke ist? Es ist gar nicht so einfach, sich auf den Künstler Kippenberger einen Reim zu machen, weil man über den Sprücheklopfer und geborenen Zyniker gleichen Namens einfach zu viel weiß. Gut 20 Jahre nach seinem Tod durch exzessive Selbstzerstörung scheint Kippenbergers übernächtigter, aber hellwacher Geist immer noch über seinen Werken zu schweben. Jedem, der etwas Gutes oder Tiefsinniges darin findet, zischt er vernehmlich ein „Trottel“ hinterher.

In kürzester Zeit stieg Kippenberger zum Star und bösen Buben der Kölner Kunstwelt auf

Aber natürlich ist das nur der Gipfel des Zynismus: Zu verachten, was man liebt, und die zu verspotten, die diese Liebe teilen. In den boomenden 1980er Jahren, als Kunst in Köln vor allem Handelsware und jeder Galerist ein bisschen wie Gordon Gekko war, schien dies genau die richtige Haltung zu sein. Jedenfalls stieg Kippenberger in kürzester Zeit zum bösen Buben der Kölner Kunstwelt auf, zum Star, der keinen Witz auf Kosten anderer ausließ und vielleicht auch nur darunter litt, dass sich die „richtigen“ Maler, Sigmar Polke oder Gerhard Richter, von seinen Possen nicht beeindruckt zeigten. Kasper König nannte Kippenberger mal den „König der Partykellermalerei“. Der nahm es äußerlich gelassen hin und arbeitete hart daran, die Welt in den Partykeller seiner Kunst zu zwingen.

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Martin Kippenberger 

Jetzt steigt die Feier in der Bonner Bundeskunsthalle – mit der Kippenberger-Retrospektive „Bitteschön Dankeschön“ und so gut es im stimmungstoten großen Saal des Hauses eben geht. Immerhin passt dort viel hinein, was bei einem Maler, der sein Arbeitsprinzip mit „Heute denken, morgen fertig“ treffend umschrieb, nicht ganz unwichtig ist. Kippenberger sprühte vor Ideen und schüttelte kalauernde Titel nur so aus dem Ärmel – sein Problem bestand darin, dass sich die dazu passenden Bilder nicht genauso spontan auf die Leinwand werfen ließen. Seine frühe Serie „Lieber Maler, male mir“ (1981) war eine geniale Ausflucht: Er bezahlte einen Plakatkünstler dafür, an seiner Stelle zu malen, und machte sich so über den Kult der malerischen Handschrift lustig. In Bonn bilden diese lieblichen Schaufenster in die Konzeptkunst das großartige Entree; gleich daneben steht mit dem „Spiderman Atelier“ der zusammen gerümpelte Nachbau einer „typischen“ Bohème-Behausung, die man ohne Diplom in Kippenberger-Studies wohl nur als Schnapsidee empfinden kann.

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Von letzteren gibt es viele in der Schau. Das liegt in der Natur von Kippenbergers Trinkgewohnheiten, sagt aber nichts über die Qualität seiner Werke aus. Beim ihm war Schnaps nicht nur Schnaps, sondern auch Kunst, und der gemalte Kalauer die beste mögliche Reaktion auf einen lebenslangen Kater. „Dialog mit der Jugend“ heißt ein geradezu zärtliches Selbstporträt des von einer Punkerin übel zugerichteten Malers, auf „Nieder mit der Inflation“ steht Kippenberger mit heruntergerutschter Hose da und für die Serie „Zuerst die Füße“ nagelte er statt Christus einen Frosch ans Kreuz. Solche Klassiker zum Schlapplachen produzierte er zuhauf, aber es sind zugleich auch souveräne Antworten auf die Einsicht, dass alles eitel und in der Kunstgeschichte schon mal dagewesen ist. Mit Ironie geht vieles leichter, weshalb Kippenbergers wie hingerotzt wirkende Bilder eben auch den tiefsitzenden Selbstzweifel der Spätmoderne artikulieren.

Im Unernst fand Kippenberger sein Lebenselixier und in Kollegen, die es ernst meinten, leichte Opfer. Mit seiner „Sympathischen Kommunistin“ empfahl er sich als Agitprop-Maler und ließ sich dafür sogar in die Niederungen der Virtuosität herab; die Stapelware der modernen Architektur baute er mit zurecht gesägten Holzpaletten nach, und die politisch engagierte Kunst parodierte er mit seiner Serie „Krieg Böse“, auf der ein rätselhafter Motivmix die Eindeutigkeit künstlerischer Botschaften hintertreibt.

Gegen Ende seines Lebens scheint Kippenberger dann etwas sentimental geworden zu sein. Jedenfalls zeigte er sich jetzt als Schmerzensmann und Maler ohne Hände, und das auf Bildern, die man nur als gekonnt bezeichnen kann. War das wirklich noch derselbe abgefuckte Typ, der „eigene“ (von einem Assistenten im Kippenberger-Stil gemalte) Bilder in den Müllcontainer kloppte und dann ausstellen ließ? Vielleicht wollte er uns aber auch nur zum Abschied sagen, dass der letzte Witz immer auf eigene Kosten geht.

„Bitteschön Dankeschön“, Bundeskunsthalle Bonn, Museumsmeile, Di.-Mi. 10-21 Uhr, Do.-So. 10-19 Uhr, bis 16. Februar. Katalog: 49 Euro.

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