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Max Ernst Museum BrühlM.C. Escher verstehen nur Mathematiker und Kiffer

Lesezeit 4 Minuten

M.C. Escher auf dem Selbstporträt „Hand mit spiegelnder Kugel“ (1935)

Immer wieder blickte Maurits Cornelis Escher in die Tiefe spiegelnder Kugeln, wie um sich zu vergewissern, ob sich die ganze Welt immer noch um ihn und um ihn alleine dreht. Wobei das nicht die Welt war, die seine Zeitgenossen kannten, sondern eine voller krummer Linien, falscher Perspektiven und optischer Täuschungen. Hier läuft Wasser bergauf und ein Treppenhaus wird zur Endlosschleife, ohne dass wir sagen könnten, warum und wie das überhaupt möglich ist.

Im Grunde gibt es wohl nur zwei Sorten von Menschen, die M.C. Escher (1898-1972) wirklich verstehen können: Mathematiker und Kiffer. Erstere luden Escher begeistert zu ihren Tagungen ein, wo der Gast dann kein Wort verstand, letztere machten ihn zum Popstar, indem sie seine in unendlichen Mühen entstandenen Holzschnitte und Lithographien in Tausender-Auflage auf Poster und LPs druckten – ohne zu bezahlen.

Zur Person und zur Ausstellung

Maurits Cornelis Escher (1898-1972) stieg mit seinen technisch brillanten Darstellungen optischer Täuschungen in den 60er Jahren zum Popstar der Hippies auf. Seine Motive wurden millionenfach auf Poster gedruckt, die berühmtesten, wie die endlose Treppe von „Treppauf Treppab“, sind heute Allgemeingut. Aber Escher sah sich selbst nie als Posterboy; er genoss die Huldigungen der Mathematiker und sehnte sich vergeblich nach Anerkennung durch die Kunstwelt. (KoM)

„M.C. Escher“, Max Ernst Museum, Comesstr. 42, Brühl, Di.–So. 11–18 Uhr, 21. Februar bis 22. Mai. Der Katalog kostet 29,80 Euro.

Aber fühlte sich Escher schon als Mathemagier fehlbesetzt, so war er zum Hohepriester des Psychedelischen gänzlich ungeeignet. Weder konnte er verstehen, was seine Bilder neben Pin-up-Mädchen zu suchen hatten, noch wollte er ein Plattencover für die Rolling Stones gestalten. Empört ließ er Mick Jagger ausrichten, er sei nicht der liebe Maurits, sondern immer noch Herr Escher für ihn.

Immerhin straften ihn die Hippies und Rockstars nicht mit dem an Verachtung grenzenden freundlichen Desinteresse, das ihm bis heute aus weiten Teilen der Kunstwelt entgegenschlägt. Die erste Escher-Retrospektive in seiner niederländischen Heimat kam gerade noch rechtzeitig vor Eschers Tod, hierzulande gab es bislang überhaupt nur zwei größere Würdigungen – im Grunde wird im Brühler Max Ernst Museum jetzt die erste deutsche Escher-Schau eröffnet, die dem Außenseiter eine angemessene Bühne bietet.

Ausflug in digitale Wunderkammern

Diese Bühne leuchtet in Rot und Grün, die Buchstaben der Wandtexte kippen zu verschiedenen Seite ab. Überhaupt wird in Brühl alles getan, um den Besucher in das für Escher typische Schwindelgefühl zu stürzen: Noch bevor dieser die Werke zu sehen bekommt, kann er sich mittels Datenbrille in die virtuelle Realität aktueller, von Escher inspirierten Computerspielen begeben; im Rahmenprogramm werden zudem unmögliche Kinowelten wie Christopher Nolans „Inception“ gezeigt.

Nach einem Ausflug in solche digitale Wunderkammern wirkt Eschers zu Lebzeiten schon rettungslos altmodische Handarbeit beinahe rührend. Am Anfang steht sie noch ganz im Zeichen der italienischen Landschaft, die dem reisenden Niederländer offenbar einen gehörigen Schrecken einjagte. Berg- und Talfahrten wohin man sieht, noch nicht fantastisch, aber auch nicht mehr naturalistisch. Ein Besuch in der Alhambra mit ihren ineinander verschlungenen Mustern führte ihn dann – gepaart mit unruhigen Träumen – auf die Spur seiner heutigen Markenzeichen.

In Brühl sind sie nun alle versammelt: die Arabesken, die sich in Getier und wieder zurück verwandeln; das Spiel mit der dritten Dimension der Fläche; die Hände, die sich gegenseitig malen; das frei schwebende, wie aus einem Apfel geschälte Paar; und als Höhepunkt die endlosen Treppenschleifen, in denen die Menschen auf ewig gefangen sind.

Als Sisyphos im Treppenhaus würde Escher wohl seinen Platz in der Kunstgeschichte finden; aber dazu wirken seine von ausdruckslosen Figuren bevölkerten Innenwelten auf die Dauer einfach zu steril. Der Künstler, der „manchmal wahnsinnig vor Kummer“ war, weil er seine Träume nicht darstellen konnte, floh in eine andere Wirklichkeit und saß dann vor dem Unheimlichen seiner Bilder wie das Kaninchen vor der Schlange. In der Pupille eines Selbstporträts von 1946 spiegelt sich der grinsende Tod. Das sah M.C. Escher in sich selbst, um diese Achse drehte sich seine Welt.