Mein Kulturmonat„Die Substanz in Köln ist außerordentlich gut“

Lesezeit 4 Minuten
Frau Voggenreiter steht auf dem Brüsseler Platz, im Hintergrund viel grün. Sie trägt eine weiße Steppjacke und eine runde Brille.

Sabine Voggenreiter, Leiterin des Kölner Design-Festivals Passagen

Für unser Format „Mein Kulturmonat“ gibt Sabine Voggenreiter, Gründerin des Kölner „Passagen“-Festivals für Design, Kulturtipps für den Juni und erklärt, warum Kölns Designszene herausragend ist. 

Köln ist schon traditionell eine Kulturstadt. Ich finde es sehr sympathisch, dass alles sehr offen ist und die Stadt eher zum Understatement neigt. Sie lebt auch vom Kontrast. Ein Kachelhaus steht direkt neben einem Gründerzeithaus. Bei den Nachkriegsbauten stöhnen ja so manche auf, aber man kann auch ein 50er-Jahre Haus gut gestalten. Und wenn die richtigen Menschen da drin sind und zufrieden leben, dann ist das eine Qualität. Auch diese Nähe zu allem, also dass man wie in Paris in bestimmten Quartieren alles in 15 Minuten erreicht, den Arzt, die Kita, die Badeanstalt, den Markt, den Handwerker, die Kultur. Ich glaube, dass diese Enge die vernetzte Kultur begünstigt.

Ich behaupte immer, dass man sowas wie die „Passagen“ in einer anderen Stadt nicht machen könnte. Das lebt ja davon, dass man flaniert, also die Stadt als Bühne hat und die Zwischenbereiche dann ganz anders wahrnimmt. Für so eine Veranstaltung ist die Struktur der Stadt ideal, weil alles so dicht ist und man dann Tür an Tür Ausstellungen und Happenings hat.

Viele Kölner Galerien machen bei „Passagen“ mit

Dann kommt dazu, dass die Menschen auch sehr gut da reinpassen. Die Galerien, die Cafés, die Geschäfte sind alle total offen. Viele machen selbst mit oder nehmen internationale Gäste auf, da haben wir die sprichwörtliche Kölner Offenheit und man sieht, wie durchlässig das ganze System ist. Es gibt die „Passagen“ schon über 30 Jahre, und von Anfang an rannte man uns im wahrsten Sinne des Wortes offene Türen ein.

In Köln gibt es einige tolle Galerien, zum Beispiel von Thomas Rehbein, Gisela Capitain oder Mirko Mayer, viele im Belgischen und auch im Gertruden-Viertel. Wir haben auch eine sehr starke Fotografie-Szene in Köln. Die Galerie van der Grinten ist empfehlenswert. Die Kaune Contemporary Gallery ist in einer Kapelle am Qvest-Hotel und macht auch bei den Passagen mit, in Ehrenfeld in der Körnerstraße ist The PhotoBookMuseum auch mit von der Partie.

Voggenreiter empfiehlt das Filmhaus und die Filmpalette

Ich bin keine Kneipengängerin, aber ich gehe ins Café. Das Hallmackenreuther im Belgischen Viertel ist mein absolutes Lieblingscafé. Ich mag die offenen Räume, die Einrichtung im 60er-Jahre-Stil, die Eames-Möbel. Es gefällt mir, wenn Orte große Räume und Vintage-Design vereinen.

Ansonsten gehe ich auch gerne ins Filmhaus oder in die Filmpalette. Ich bin kein Actionfilm- oder Fantasy-Freund. Aber ich gucke mir gerne Filme an, in denen Architektur eine Rolle spielt, oder komplizierte Franzosen, historische Filme. 60er Jahre Filme, Noir. Das Filmhaus bietet ja auch Diskussionsveranstaltungen an. Das ist mehr meine Welt: der direkte Zugang und ein sozialer Aspekt von Kultur, indem man hingeht, sich austauscht und die Programme miteinander wert schätzt.

Die Substanz in Köln, was das Design angeht, ist außerordentlich gut. Einmal gibt es in Köln sehr viele Möbelgeschäfte, die traditionell sind und teilweise schon in der dritten Generation geführt werden. Dazu kommen viele internationale Showrooms, italienische, skandinavische, belgische. Wir haben auch eine sehr gute neue Generation von Designer*innen, die für internationale Betriebe arbeiten und ihre eigene Handschrift entwickelt haben.

Design zur Verbesserung der Lebensqualität in Köln

Es gibt auch viele Kooperationen. Das macht die Sache schon sehr lebendig. Es gibt mehrere Design-Hochschulen. Die anerkannteste ist die KISD, aber es gibt auch eine private Hochschule für ökologisches Design und es gibt Designhochschulen, die an der Schnittstelle von Grafik, Objekt, Produkt arbeiten.

Die Verbindung von Stadt, Design und Architektur interessiert mich, etwa Konzepte, die letztlich die Lebensqualität verbessern, ob durch Grünflächen, Farbe, Lichtgebung oder sonst wie. Es gibt ja schon länger den Trend, Autoverkehr aus den Stadtvierteln zurückzudrängen und die Parkplätze zu Grünflächen umzugestalten. Oder die Menschen, die am Brüsseler Platz wohnen und ihn begrünen. Als das noch nicht erlaubt war, war es schon trister. Und den öffentlichen Raumen zähle ich zum Wohnen dazu, da sollte man sich auch wohlfühlen.

Drei Kulturtipps für den Juni

Das africologne Festival läuft vom 1. bis 11. Juni 2023 in Köln. Dann finden auch mehrere schöne Veranstaltungen in der Alten Feuerwache, der Orangerie und dem Stadtgarten statt.

Das Filmhaus hat immer ein besonderes Programm. Sie haben eine schöne Filmreihe namens „Late Night“, bei der ab 22 Uhr Filme gezeigt werden.

Die phil.Cologne geht vom 6. bis zum 23. Juni 2022. Slavoj Žižek eröffnet die phil.Cologne mit einer Veranstaltung „Die Paradoxien der Mehrlust“ zum Leben im Überfluss. Der ist ein bisschen anarchisch, kontrovers, das finde ich interessant.

Zu Person und Festival

Sabine Voggenreiter studierte Literaturwissenschaften, Philosophie und Kunstgeschichte und kam über das Interesse an angewandter Kunst in die Welt des Designs. Sie gründete das Design-Festival Passagen, das vom 02. bis zum 07. Juni an verschiedenen Orten in Köln stattfindet.

KStA abonnieren