Mit Vision Pro im CybertruckApples Brille, Musks Panzer – die schlimmste Kombination seit Ananas und Pizza

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Mann benutzt Apple Vision Pro Brille beim Fahren eines Tesla Cybertrucks

Ein Mann benutzt Apples Vision-Pro-Brille beim Fahren eines Cybertrucks von Tesla

Ein Video zeigt einen Mann, der im Cybertruck auf Autopilot fährt und Apples neue Vision-Pro-Brille trägt. Die Zukunft ist düster.

Pete Buttigieg ist verstimmt. Auf der von Elon Musk verunstalteten Kurznachrichtenplattform X teilte der US-Verkehrsminister ein Video, das den Fahrer eines Tesla-Cybertrucks zeigt, der offensichtlich dem Autopiloten des von Elon Musk verunstalteten Wagens blind vertraut, während er die Vision-Pro-Brille von Apple benutzt, ein Mixed-Reality-Headset, das erst vor wenigen Tagen auf den Markt gekommen ist, zum Preis von 3500 Dollar. Auch die ausgeklügeltesten Fahrassistenten, ließ der Verkehrsminister verlauten, benötigen einen Menschen, der am Steuer stets die volle Kontrolle behält. Fraglich, ob seine Botschaft die Massen erreicht. Vor allem beförderte Buttigieg mit seinem Tweet die millionenfache Verbreitung des Cybertruck-Vision-Pro-Videos.

Es ist aber auch zu reizvoll, weniger zum mahnenden Beispiel geeignet, denn als „Black Mirror“-artige Parodie eines Early Adopters und Gelegenheit zur Häme. Ähnlich wie im Fall der öffentlichen Frühanwender von Googles gescheitertem Brillen-Computer Google Glas, die kurzerhand als „Glassholes“ verspottet wurden und bald nirgends mehr zu sehen waren.

In der sinnigen Zusammenkunft von „Cyberbeast“ (wie Musk seinen Werwagen getauft hat) und Vision Pro scheinen sich der postapokalyptische Automobil-Wahnsinn von „Mad Max“ und die Simulationswelten der „Matrix“ vollends zu durchdringen. „Mixed-Reality“ nennt sich Apples neues Objekt des Begehrens, weil es eben keine VR-Brille ist, mit der man komplett in eine möglichst perfekt gerenderte Gegenwelt eintauchen kann, sondern eher ein Computer, den man sich über die Augen schnallen kann. Er legt eine digitale Arbeitsebene über die analoge Umgebung, die es dem Träger erlaubt, mithilfe von Augen, Händen oder Stimme diverse Apps zu nutzen, an einem Dokument zu schreiben oder einen Film zu sehen.

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Vor ein paar Tagen konnte man im Rahmen der Grammy-Verleihung Zeuge eines bemerkenswerten Vorgangs werden. Ein Auftritt der Band U2 wurde aus der The Sphere genannten, kugelförmigen Mehrzweckhalle in der südlich von Las Vegas gelegenen Stadt Paradise übertragen. Die Außenfläche der Sphere ist mit knapp 60 Millionen LEDs verkleidet. Das Bild der im Inneren der Kugel auftretenden Band wurde auf diese Außenfläche projiziert, Kameras außerhalb der Sphere nahmen es auf und schickten es zu einem Bildschirm auf der Bühne der Crypto.com-Arena in Los Angeles, wo es wiederum andere Kameras abfotografierten und an die jeweiligen Endgeräte übermittelten.

Warum Apples Vision Pro ein Bild der Augen nach außen überträgt

Die wirkliche Welt wird zu einer vermittelten, das klingt wie in den wildesten Träumen des einstigen Medientheoretikers und Modephilosophen Jean Baudrillard. Ähnlich verhält es sich im Fall der Apple Vision Pro: Kameras und Sensoren nehmen die Außenwelt auf und übertragen sie auf den Bildschirm.

Zur gleichen Zeit nimmt die Brille innen die Augen des Trägers auf und sendet deren Abbild in Echtzeit auf ihren Außenbildschirm, „Eyesight“ nennt das Apple. Ich schau’ dir in die Augen, Kleiner? Das war gestern. Aber ich darf mir immerhin noch deine Augen ansehen. Einer direkten Konfrontation mit dem Gegenüber kann man so aus dem Weg gehen. Die Brille simuliert die Nähe, die man vermeiden will: „Schatz, ich bin doch da!“

Und auf diese Weise wirkt man zugleich den Eindruck einer gewissen Deppenhaftigkeit entgegen, den das klobige Gerät mit sich bringt. Vielleicht ist liegt hier sogar der wahre Grund verborgen, aus dem Virtual-Reality-Brillen bislang ein Nischenprodukt geblieben sind. Im Internet findet man zahllose Handyvideos von VR-Bebrillten, die im Eifer des Augenblicks die Außenwelt mit ihren harten Gegenständen vergessen haben und torkelnd und mit den Armen rudernd in ihrem Wohnzimmer randalieren.

Gegen die Tücke des Objekts hilft indes Teslas Cybertruck. Dessen aggressiv eckiges Äußeres stellt eben keine liebenswert-nerdige Hommage an den ähnlich kantigen DeLorean DMC-12 aus „Zurück in die Zukunft“ dar, sondern ergibt sich aus der geringen Biegefähigkeit des gehärteten Stahls seiner Karosserie. Mit seiner hohen Beschleunigung und seiner tödlichen Durchschlagskraft realisiert er den Traum des rücksichtslosen Durchboxens im Straßenverkehr, ohne Biegen, dafür mit umso mehr Brechen. Leitplanken können das drei Tonnen schwere Monster nicht mehr auf der Spur halten.

Das Außen degradiert der Cybertruck zum Feindesland, das Wageninnere zur unzerstörbaren Egoblase seines Fahrers. Die penetrieren dann auch keine „Ready Player One“-Witze mehr über das unwuchtige Gadget. Und die Eliminierung eventueller Unfallgegner überlässt man dem Autopiloten. Innen Fruchtblase, außen Panzer, das ist eine perfekte Kombination – und ein schlagendes Bild für den vorm Bildschirm vereinzelten und in seiner Abschottung unnachgiebig gewordenen Narziss als Typus unserer Zeit.

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