Mit Volldampf in die EhekriseTheater im Keller zeigt „Szenen einer Ehe“

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Eheprobleme plagen die Hauptfiguren des Stücks.

Ein großer goldfarbener Rahmen beherrscht die Bühne im Theater der Keller. Zwei Paare betreten den Raum und bestaunen das Kunstwerk, wie ein Bild im Museum. Ist Ingmar Bergmanns Klassiker „Szenen einer Ehe“ nun museumsreif oder hat uns das Drama um Liebe, Lust, Anziehung und Verdruss immer noch etwas zu sagen? Der Stoff aus den 1970er Jahren, damals vor allem für das Fernsehen geschrieben, schildert das Psychogramm einer Musterehe: Johan und Marianne, Eltern zweier Mädchen, scheinen seit zehn Jahren eine vorbildlich moderne Mittelstands-Ehe zu führen.

Regisseur Heinz Simon Keller zeigt Ehe im Zerbruch

Bis Johan der konsternierten Marianne von seiner Affäre mit Paula erzählt und gesteht, dass er bereits seit vier Jahren über eine Trennung nachdenke. Dieser Bruch setzt einen schmerzhaften Erkenntnisprozess über nicht miteinander kompatible Vorstellungen und Wünsche, Wahrnehmungen und Interpretationen einer Paarbeziehung in Gang. Regisseur Heinz Simon Keller und die Dramaturgin Ulrike Janssen, die die Fassung für die Neuinszenierung schrieb, befreien den Text von mancherlei bleiernen Beziehungsdebatten.

Sie sorgen so für Leichtigkeit und Frische, ohne dass die Thematik an Tiefe und Relevanz einbüßt. Die Paardynamik wird hier in einen modernen gesellschaftlichen Kontext eingebunden, auch wenn es archetypische Schlüsselszenen aus dem Bergmann-Text sind, an denen sich Johan und Marianne hier in doppelter personeller Ausführung abarbeiten. Barbara Fernandez und Jan Sabo spiegeln sich im Spiel der jüngeren Laura Janik und Valentin Stroh wider.

Schauspieler-Quartett eröffnet neue Perspektiven

Wobei in den Paarkonstellationen immer wieder die Grenzen fließend sind, mitunter die Ansprechpartner wechseln und alle vier über Kreuz die gleichen Sätze aneinander ausprobieren. Die Dialoge werden dabei dekonstruiert ohne dass das Stück die Bergmannsche Dramaturgie der scheiternden Ehe aufgibt. Es ist faszinierend zu beobachten, wie die gleichen Worte gänzlich unterschiedliche Wirkung entfalten, je nachdem wer sie wem und wie sagt.

Bittere Wahrheiten, mal mühsam der eigenen Angst entlockt, mal mit der selbstgefälligen Leichtigkeit eines Tinder-Dates verkündet, legen Psychogramme und Paardynamiken offen. Ein anderes Mal eröffnen die Reaktion der Körper, die Gesten und Bewegungen, mit denen das Gesprochene vorgetragen wird, einen gänzlich neuen Blick auf die Szenen.

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Mit vitaler Spielfreude stürzt sich das Quartett in das ständig durch die Perspektivenwechsel neu variierende Geschehen. Das lustvolle Spiel, mit den unbegrenzten Möglichkeiten Szenen aufzulösen wird hier zum Fest der Schauspielkunst, bei der alle Anwesenden ihr darstellerisches Können eindrucksvoll unter Beweis stellen.

Bei „Szenen einer Ehe“ stellen sich die Nackenhaare auf

Der Regie gelingt es dabei, Spannung und Konzentration beim Zuschauer hoch zu erhalten, denn der emotionale Level dieser ständig wechselnden Wortgefechte bleibt gleichbleibend intensiv. Ständig verschieben sich die Waagschalen in diesem Drama einer erosierenden Ehe. Gerade noch protzt Johan mit neuem Job und junger Geliebten, da verpufft im nächsten Augenblick das patriarchalische Powerpaket zur bemitleidenswerten Luftnummer.

Aber auch die betrogene und verlassene Ehefrau Marianne weiß mitunter nicht, ob sie den Gatten, der jetzt als Gast bei ihr auftaucht, verführen oder verfluchen soll. Bei Bergmann treiben die Leidenschaften und Sehnsüchte nach Sex und dem perfekten Partner die Paardynamik an, sorgen aber auch für das drohende Ende. Je näher die Scheidung rückt, umso bedrohlicher wird der männliche Tonfall, dem die entschlossene Ehefrau wiederum mit gewachsenem Selbstvertrauen und energisch begegnet.

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Wäre da nicht die destruktive Kraft der körperlichen Physis, die bei der erosierenden Beziehung sogar die Gefahr eines Femizid heraufbeschwört. Oder gelingt es den beiden doch, wie bei Bergmann, sich trotz alledem neu zu (er)finden? Das Theater der Keller hat jedenfalls mit dieser frühen Spielzeiteröffnung schon eine erste Duftmarke gesetzt.

Zur Veranstaltung

Szenen einer Ehe, ein Spiel nach Ingmar Bergmann

Termine: 31.8., 1. + 10.9. , 20 Uhr, 11.9., 18 Uhr

Theater im Keller

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