„Hart aber fair“-Moderator im InterviewLouis Klamroth: „Ich kriege schon ordentlich viel Hass ab“

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Louis Klamroth moderiert seit rund einem Jahr die Politik-Talkshow „Hart aber fair“.

Louis Klamroth moderiert seit rund einem Jahr die Politik-Talkshow „Hart aber fair“.

Sein Vorgänger Frank Plasberg ist enttäuscht, Louis Klamroth selbst sieht „Hart aber fair“ nach der Neukonzeption auf einem guten Weg.

Seit etwas mehr als einem Jahr führt Louis Klamroth (34) durch die ARD-Talkshow „Hart aber fair“ (montags ab 21 Uhr), die zuvor Frank Plasberg moderiert hatte. Seit diesem Jahr wird die Sendung nicht mehr von Plasbergs Produktionsfirma produziert, sondern von einer, bei der Klamroth Mitgesellschafter ist. Parallel dazu ist die Sendung mit einem neuen Konzept gestartet. Der Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern soll mehr in den Fokus rücken, Dramaturgie und Gestaltung des Studios und der Sendung wurden geändert, es sollen außerdem jüngere Zielgruppen angesprochen werden.

Herr Klamroth, daran, ob man AfD-Politikerinnen und -Politiker in Talkshows einladen soll oder nicht, scheiden sich die Geister. Sie arbeiten für die Öffentlich-Rechtlichen, macht der Sender Ihnen Vorgaben in der Hinsicht?

Klamroth: Die Einladungen in die Sendung werden immer mit dem Sender abgestimmt. Aber da gibt es eine große Freiheit. Es gab in der ganzen Zeit, in der ich bisher beim Öffentlich-Rechtlichen gearbeitet habe - ob jetzt bei ZDF oder ARD - nie eine starre Vorgabe in irgendeine Richtung von Senderseite aus.

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Sie laden AfD-Politiker ein, zuletzt war der wirtschaftspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion bei Ihnen. Wieso haben Sie sich dafür entschieden?

Es gibt für mich kein kategorisches „Wir laden die AfD ein oder nicht ein“. Wir entscheiden von Sendung zu Sendung, wer eingeladen wird. Die AfD wird von wahnsinnig vielen Menschen gewählt. Aber sie wird in drei Ländern als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und bundesweit beobachtet. Das unterscheidet sie von allen anderen Parteien im Bundestag. Was oft missverstanden wird: Eine Talksendung muss nicht den Parteienproporz im Bundestag abbilden. Wir sind kein Parallelparlament. Gleichzeitig versucht eine Talksendung ja, demokratische Debatten zu ermöglichen. Wie geht man dann mit Vertretern einer Partei um, die demokratische Grundwerte in Teilen missachtet und womöglich abschaffen will? Kann ich sie in eine demokratische Diskussion einladen und so tun, als würde es dieses grundlegende Problem nicht geben? Kurzum, es ist kompliziert.

Wie ist Ihr Ansatz dabei?

Wir haben ja kürzlich wieder den Versuch gemacht. Es hatten sich in den letzten Wochen und Monaten immer mehr führende Wirtschaftsvertreter und -vertreterinnen und Unternehmen zu Wort gemeldet, die gesagt haben „Wir müssen klare Kante zeigen“, und sich für Demokratie ausgesprochen haben und auch viele explizit gegen die AfD. Das ist etwas, was es in den letzten Jahren noch nicht so deutlich gab.

Das auf den Schirm zu bringen, ist uns mit einer Hildegard Müller, einer der prominentesten und mächtigsten Vertreterinnen der Wirtschaft in Deutschland, in einer Konstellation mit dem wirtschaftspolitischen Sprecher der AfD gelungen. Es ist gut aufgegangen, weil es einen Erkenntnisgewinn gab. Auch ich habe besser verstanden, was diese Partei vorhat mit der Wirtschaft in Deutschland. Das ist eine Dienstleistung auch für die Zuschauer.

Es gehen gerade sehr viele Menschen gegen rechts und für die Demokratie auf die Straße. Welchen Anteil kann eine Talkshow wie die Ihre dabei leisten?

Es gibt eine Tendenz, Polittalks in ihren Möglichkeiten zu überhöhen, gerade in der medialen Rezension. Oftmals wird über eine 75-Minuten-Talkshow mehr geschrieben als über etliche Bundestagsdebatten. Gerade weil ich seit Jahren an Talkshows arbeite, sehe ich auch die Grenzen des Formats. Auch die beste Talkshow wird nicht eigenständig wettmachen können, was an Vertrauen in unsere Demokratie oder Qualitätsmedien verloren gegangen ist. Im besten Fall kann ein guter Polittalk einen kleinen Teil dazu beitragen, Vertrauen in Demokratie und Medien wiederherzustellen. Das ist es, wofür ich diesen Job mache.

Dennoch haben Talkshows viele Zuschauerinnen und Zuschauer und können Debatten anstoßen …

Total, es treibt mich auch persönlich um, dass Vertrauen in demokratische Institutionen und Qualitätsmedien abnimmt. Aus meiner Sicht als Talkshowmoderator ist das auch eine Art Repräsentationskrise. Das meine ich durchaus auch selbstkritisch. Wie unsere Demokratie und Politik funktioniert, nehmen Menschen auch über Medien wahr. Und die medialen Debatten, die wir oft führen, entfremden viele zunehmend von Politik.

Das ist nicht nur bei Talkshows so, da sitzen wir alle ein bisschen mit im Boot. Die Diskursräume fragmentieren immer mehr. Wir haben immer weniger Gewerkschaften, Kirchen, Vereine, in denen die Leute organisiert sind. Sie ziehen sich zunehmend ins Private zurück und vermeiden Nachrichten vor allem in Krisenzeiten. Diskussionen über Politik finden in Whatsapp-Gruppen oder auf X statt. Das ist dann mehr ein Austausch von Affekten als von Argumenten.

Wie können Talkshows es besser machen?

Talkshows können im besten Fall ein Gegenmodell dazu sein, indem sie einen Austausch von Argumenten bieten. Da haben sie auch eine Verantwortung und deswegen interessiert mich auch mit meinen 34 Jahren noch das lineare Fernsehen, zusätzlich zu den Onlinezielgruppen, weil Talkshows immer noch von sehr vielen Menschen geguckt werden. Ich glaube, dass erstaunlich viele Menschen aus Talkshows ableiten, wie Politik gemacht wird und wer diese Politik macht. Da sehen sie dann häufig die gleichen Gesichter, die offensichtlich eine andere Lebensrealität als viele Zuschauer haben und sich bekannte Positionen an den Kopf werfen. Richtig gut werden Talkrunden aber, wenn eine Diskussion nicht inszeniert, sondern wahrhaftig und unerwartet wirkt, wenn wir zulassen, dass Menschen, die sonst nicht ständig in Talkshows sitzen, Diskursmuster durchbrechen.

War das der Grund für die Neukonzeption von „Hart aber fair“ – oder steckte Quotendruck dahinter?

Nein, an mich wurden ehrlicherweise nie so richtig Quotenerwartungen kommuniziert, aber wir scheinen sie erfüllt zu haben. Natürlich ist Quote wichtig, aber sie ist nur ein Merkmal von vielen, wie wir den Erfolg einer Sendung bewerten. Es war tatsächlich eine inhaltliche Überlegung, die hervorging aus all dem, was ich eben skizziert habe.

Wie konfrontativ darf eine Talkshow dabei sein?

Es darf durchaus konfrontativ sein. Ich finde Streit nicht per se schlecht. Menschen sind müde von inszeniertem Streit, der nicht echt und authentisch ist. Wenn gestritten wird um des Streites willen, aber nicht, weil Leute sich tatsächlich intensiv mit Argumenten einem Thema nähern. Ich glaube durchaus, dass es auch harte Diskussion braucht. Es sind einfach hochpolitische Zeiten, in denen es um viel geht. Da darf es durchaus auch Streit geben, solange der gegenseitige Respekt noch da ist und er auf demokratischen Füßen stattfindet. Wenn alle durcheinander schreien, ist es Streit, der nicht funktioniert.

Warum haben Sie sich dafür entschieden, mehr normale Bürgerinnen und Bürger in der Sendung zu Wort kommen zu lassen, und wie kann das funktionieren? Andere Talkshows wie „Anne Will“ haben das in der Vergangenheit wieder eingestellt.

Ich habe das Gefühl, dass die derzeitigen Debatten viele Menschen von Politik und medialen Diskursen entfremden. Leute ins Studio zu holen, die entweder betroffen sind oder aus einer anderen Perspektive als nur Politikerinnen und Politiker oder Experten über Themen sprechen können, kann da helfen. Meist sind die auch gute Experten, die uns lebensnah erzählen können, wie es wirklich ist. Das ist wichtig und da gibt es eine Lücke, die wir jetzt füllen. Ich halte es auch für einen Kern des öffentlich-rechtlichen Auftrags, Politik und Wirklichkeit zusammenzubringen. Andere Formate, in denen detailliert über den Politikbetrieb in Berlin diskutiert wird, sind auch gewinnbringend. Aber davon braucht es keine fünf Sendungen.

Die Zuschaueranwältin Brigitte Büscher ist gegangen, übernehmen Sie jetzt ihre Rolle mit?

Brigitte kann man nicht ersetzen. Was sie gemacht hat, war einmalig. Aber Sie fragen wahrscheinlich, weil ich jetzt auch mehr rausgehe und Reportagen mache. Diese Entscheidung ist ganz unabhängig gefallen. Ich finde es für mich einfach wichtig, auch rauszugehen aus dem Studio, auch mal nach Saale-Orla in Thüringen zu fahren oder zur Bauerndemo oder auf den Wagenknecht-Parteitag. Das hilft mir, die Debatten besser zu verstehen und als Moderator glaubwürdiger sagen zu können, dass ich ein bisschen eine Ahnung davon habe, wie es vor Ort ist. Es bringt mich ein bisschen näher zum Verständnis von dem, was abgeht in diesem Land.

Neu ist auch die „Hart aber fair to go“-Version in der Mediathek. Was versprechen Sie sich davon?

Was wir da probieren, ist auf der einen Seite, ein Publikum für Polittalk zu begeistern, das kein lineares Fernsehen guckt und andere Sehgewohnheiten hat. Hier bekommt man das Wichtigste aus der linearen Sendung und noch so viel mehr Infos und meine Einordnung in komprimierter Form. Und was es auch leisten kann, ist, Transparenz herstellen und Einblick geben zu den Debatten, die über Talkshows und Einladungspolitik geführt werden in den sozialen Medien, aber auch am Dienstagmorgen in den Zeitungen und am Küchentisch. Wir wollen keine Blackbox sein, wir sind öffentlich-rechtliches Fernsehen. Da muss transparent sein, wie wir arbeiten und warum wir bestimmte Dinge tun.

Welche Vorteile bietet es, dass Sie die Sendung jetzt mit einer Produktionsfirma produzieren, bei der Sie Mitgesellschafter sind, und nicht mehr mit der von Frank Plasberg?

Es hat uns die Möglichkeit gegeben, die Sendung umzubauen und neu zu konzipieren. Sie sieht ja jetzt deutlich anders aus, funktioniert deutlich anders, hat ganz viele Elemente, die es vorher nicht gab. Die Gestaltungsmöglichkeit, die ich jetzt habe, ist sicher ein Stück größer, und das wollte ich.

Was sind die großen Themen in diesem Jahr, die auf jeden Fall in Talkshows stattfinden müssen?

Es gibt die großen Themen und Fragen, um die niemand drumherum kommen wird. Der Anspruch von „Hart aber fair“ wird es aber auch sein, abseits dieser offensichtlichen Fragen Themen zu setzen, die auch mal überraschend daherkommen. Daneben wird uns dieses Jahr die Demokratiefrage extrem beschäftigen, alleine schon, weil wir nicht nur die Europawahl haben, sondern auch Kommunal- und Landtagswahlen, die extrem spannend sein werden. Die Klimafrage wird uns auch nicht loslassen, das ist klar.

Durch „Hart aber fair“ stehen Sie seit mehr als einem Jahr stark im Fokus der Öffentlichkeit. Wie gehen Sie mit Negativkommentaren und gar Hass um?

Ich kriege schon ordentlich viel Hass ab, aber auch sehr viel positive Kommentare. Was strafbar ist, zeige ich konsequent an, und der Rest verschwindet hinter einem Blockier-Button. Ich glaube, meine weiblichen Kolleginnen haben noch viel mehr mit solchen Kommentaren zu kämpfen als ich. Das ist wahrscheinlich der Preis, den man zahlt, wenn man in der Öffentlichkeit steht. Schön ist es nicht, aber ich kann auch nicht meinen Alltag davon bestimmen lassen.

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