Mögliche KalenderreformWarum Ostern ein bewegliches Fest ist

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Mit Wachs bemalte Ostereier liegen auf einem Tisch.

Mit Wachs bemalte Ostereier liegen auf einem Tisch.

Ostern wechselt Jahr für Jahr sein Datum, doch beinahe wäre es anders gekommen. Eine Kalenderreform scheiterte im 20. Jahrhundert auf der Zielgeraden – Ein Gastbeitrag von Karl-Heinz Göttert.

Im Herbst 1930 erhielt die Kölner Schokoladenfirma Stollwerck einen Brief von der Industrie- und Handelskammer. Sie sollte Stellung nehmen zur Reform des Kalenders und speziell der Festlegung von Ostern auf einen festen Termin. Es hatte weltweite Vorschläge gegeben für verschiedene Jahreseinteilungen wie etwa die mathematisch elegante Einführung von 13 Monaten zu jeweils 28 Tagen, die zu einem „ewigen“ Kalender geführt hätte, mit immer gleichem Monatsbeginn an einem Montag.

Schönheitsfehler: Das Jahr hat nicht 13 mal 28, also 364 Tage, sondern 365 – man brauchte also noch einen „freien“ Tag zusätzlich. Nicht ganz so dramatisch fiel die Festlegung von Ostern auf ein festes Datum im April aus.

Fritz Stollwerck gab seine Meinung ab: Ja zur Kalenderreform, aber lieber mit 12 als 13 Monaten wegen der Quartalsberechnung der Monatsgehälter, doppelt ja zum festen Ostertermin, wiederum der Quartalsberechnung wegen, diesmal unter Wegfall der ungleichen Quartale. Am Ende des Briefes findet sich die Bemerkung, die Festlegung von Ostern sei aus Sicht der Schokoladenhersteller sehr begrüßenswert, aber es sei zweifelhaft, dass die Kurie sich einverstanden erklären werde – Letzteres ein Irrtum, wie sich zeigen sollte.

Der Kalender hat zu allen Zeiten zu Schwierigkeiten geführt

Der Kalender hat zu allen Zeiten und in allen Kulturen Schwierigkeiten gemacht und zu immer neuen Lösungen geführt. Nicht nur die exakte Bestimmung des Jahres ist nicht leicht, es gab auch den Mond, der mit seinen Phasen nur ungenau ins Jahr passt, aber für die Festlegung der großen Feste immer eine bedeutende Rolle spielte. Auch die Osterberechnung nach dem ersten Frühlingsvollmond war brisant. In Europa galt dabei zunächst der julianische Kalender (benannt nach Gaius Julius Caesar), den Papst Gregor XIII. dann 1582 leicht reformierte.

Aber immer wieder äußerte sich Kritik. Martin Luther sprach von Ostern als dem „Schaukelfest“ und plädierte für einen festen Termin. Richtig ins Rollen kam die Diskussion um 1900. Die Welt war damals mit Schienen- und Schiffsverkehr, mit Post und Telegrafie zusammengerückt und wollte sich den alten kalendarischen Wildwuchs nicht mehr länger leisten. 1895 hatte der Direktor der Berliner Sternwarte, Wilhelm Förster, für Ostern den Sonntag nach dem 4. April vorgeschlagen.

Zwei Jahre später gab es eine Bittschrift an den Papst, der prompt Zustimmung signalisierte, sie aber der Entscheidung eines allgemeinen Konzils vorbehielt. 1902 ergriff der Ökumenische Patriarch Joachim III. von Konstantinopel die Initiative und strebte einen einheitlichen Kalender als Grundlage eines geeinten Christentums an.

Während der Erste Weltkrieg diese Bemühungen stoppte, entstand 1920 der Völkerbund, der 1923 eine Kalenderkommission ins Leben rief. Sie beschäftigte sich sowohl mit der Osterfrage, wie mit weitergehenden Vorschlägen zu einer Kalenderreform. Dazu gründete sich 1930 die World Calendar Association in den USA, die ein 13-Monate-Jahr favorisierte – man versteht nun den Brief an die Firma Stollwerck besser. 

Die UN konnten nicht helfen

Noch einmal kam es zu einer Unterbrechung der Diskussion, diesmal während des Zweiten Weltkriegs. Aber sofort danach nahmen die UN als Nachfolgeorganisation des Völkerbunds das Thema auf, wieder mit einer eigenen Kommission. Als sich diese Kommission 1956 ohne neuen Termin vertagte, ergriff die von Stollwerck noch als zu konservativ verdächtigte Kurie die Vorreiterrolle und gab im II. Vatikanischen Konzil 1963 eine eigene Stellungnahme zur Kalenderfrage gab – mit besonderer Befürwortung einer Festlegung des Osterfestes.

Und die Diskussion ging weiter. Nach dem Konzil übernahm der Weltkirchenrat die Initiative, sprach sich in einer Konferenz 1970 jedoch dafür aus, dass die religiöse Bedeutung von Ostern Vorrang vor wirtschaftlichen Erwägungen haben müsse. Dagegen verfolgten 1975 Papst Paul VI. und der Ökumenische Patriarch Dimitrios I. das Ziel, Ostern am Sonntag nach dem zweiten Samstag im April zu feiern.

Aber es war zu spät. Nachdem die Mönche der Athos-Klöster 1982 ihre Zustimmung verweigert hatten, gab der Weltkirchenrat aus Gründen der Gemeinsamkeit christlicher Kirchen das Unternehmen auf. In der letzten Konferenz im März 1997 im syrischen Aleppo wurden alle Reformpläne beerdigt. Dabei hatte man den Vertretern der orthodoxen Kirchen angeboten, die Berechnung des Osterfestes nicht nach den gregorianischen (also „päpstlichen“) Daten, sondern nach den rein wissenschaftlich-astronomischen vorzunehmen.

Es half nichts und man kann über den Grund des Scheiterns nur Vermutungen anstellen. Wenn man für die Zeit um 1900 von einem Aufbruch in die Moderne sprechen darf, spielte zuletzt genau umgekehrt die Rettung der alten christlichen Kultur in diesen modernen Zeiten eine Rolle. Und dann gab es da noch etwas anderes. Der kalendarische Wildwuchs, der den Stollwerck-Chef noch störte, verlor an Brisanz. Es gab nun Computer, die die Quartalsabrechnungen im Handumdrehen erledigten.


Karl-Heinz Göttert (80) war bis zu seiner Pensionierung Germanistikprofessor an der Kölner Universität und hat zum Thema ein Buch geschrieben: „Alle unsere Feste“ (Stuttgart: Reclam 2007).

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