Museum für Ostasiatische KunstWie aus Silberdollars koloniale Souvenirs wurden

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Ein silberner Spucknapf aus der Guangxu-Periode (1875-1908)

Silberner Spucknapf aus der Sammlung von Heinrich Hildebrand

Das Kölner Museum für Ostasiatische Kunst hat „Exportsilber“ aus China geerbt. Die Ausstellung dazu erzählt ein Stück deutsche Kolonialgeschichte.

Auch wenn zu Kaisers Zeiten häufiger Orden verliehen wurden, dürfte es wenige Menschen geben, die für ihre Verdienste sowohl vom Kaiser von China als auch vom deutschen Kaiserreich mit einem solchen Gunstbeweis bedacht wurden. Heinrich Hildebrand (1855-1925) gehörte zu ihnen, ein in Bitburg geborener Bauingenieur, der vor seiner Kolonialzeit in Tsingtau (dem heutigen Qingdao) für einige Jahre an die Eisenbahndirektion Köln berufen wurde. Hier war Hildebrand am Umbau des Hauptbahnhofs beteiligt und brach dem Fortschritt mit einer Rücksichtslosigkeit eine Bahn, die ihn für höhere Aufgaben empfahl.

Heinrich Hildebrand brachte wichtige Eisenbahntrassen nach China 

In Tsingtau, der Hauptstadt des deutschen „Pachtgebiets“ in China, errichtete Hildebrand einen Bahnhof, der heute noch steht, und er plante mehrere Bahntrassen, die den kolonialen Provinzen zu einem enormen Wirtschaftsaufschwung verhalfen. Allerdings ließ er im Jahr 1900 auch die Proteste der Landbevölkerung gegen den Eisenbahnbau blutig niederschlagen. Beinahe 500 Menschen wurden bei diesen „Strafaktionen“ getötet, die ein Auslöser des „Boxeraufstandes“ gegen die europäischen Kolonialmächte gewesen sein sollen.

Während Hildebrand in Deutschland vergessen wurde, ist seine 17-jährige Kolonialzeit für chinesische Forscher ein ergiebiger Gegenstand. Gleiches gilt für das „Exportsilber“, das Hildebrand in China anfertigen ließ und nun über eine Erbschaft ins Kölner Museum für Ostasiatische Kunst gelangte. Im Westen interessierte sich für diese kolonialen Erinnerungsstücke, die zu Tausenden nach europäischem Muster, aber mit traditionellen chinesischen Motiven gefertigt wurden, kaum ein Museum; die Kölner Ausstellung „Silber für Tsingtau“ ist nach Angaben des Kurators Daniel Suebsman die erste in Europa. Chinesische Sammler und Institutionen decken sich mit ihnen hingegen zusehends beim englischen und deutschen Kunstgewerbehandel ein.

Heinrich Hildebrand und ein unbekannter Assistent posieren in chinesischer Kleidung vor der Kamera.

Der Baurat Heinrich Hildebrand (vorne) und ein unbekannter Assistent, um 1892

Auch Suebsman wusste von der Existenz der Sammlung Hildebrand nichts, bis sie eine Hildebrand-Enkelin mit Wohnsitz in Bonn-Röttgen dem Museum für Ostasiatische Kunst vermachte. Anders als der Name „Exportsilber“ vermuten lässt, wurden die 50 ererbten Objekte, darunter eine Teekanne, ein Spucknapf, eine Fußschale und ein Sahnelöffel mit Glückszeichen, nicht für den Außenhandel produziert. Ausländer im Kolonialdienst bestellten sie vielmehr bei einheimischen Silberschmieden, deren deutlich billigere Fertigkeiten denen ihrer europäischen Kollegen in nichts nachstanden. Für Hildebrand dürfte sein Exportsilber zwar vor allem sentimentalen Wert gehabt haben; aber es rechnete sich auch finanziell. Als deutscher Kolonialherr ließ man seine Silberdollar buchstäblich zu Geschirr und Besteck verarbeiten und verschiffte den künstlerischen Mehrwert in die Heimat.

Gleichwohl sind die schönen Silberstücke vor allem von historischem Interesse; entsprechend umfangreich fällt in der Kölner Ausstellung das „Drumherum“ aus. Einige antike Objekte aus der Museumssammlung führen in die Geschichte der chinesischen Silberproduktion ein, Leihgaben anderer Erben von Kolonialwaren erweitern das Exportsilbersortiment beträchtlich. Auf ihnen zeigt sich eine erstaunliche Sturheit der Silberschmiede, die unverdrossen traditionelle Motive auf westliche Designs setzten. Die Symbiose gelang so perfekt, dass man diese Souvenirs laut Suebsman im Westen häufig mit Exotica aus englischer Produktion verwechselte.

Während viele Heimkehrer die Motive auf ihren Schmuckstücken wohl nicht verstanden, dürften sie Hildebrand, der fließend Chinesisch sprach und ein Buch über eine buddhistische Tempelanlage verfasste, geläufig gewesen sein. Im Zweifel musste sein Interesse an der chinesischen Kultur aber hinter seinem europäisch geprägten Fortschrittsdrang zurückstehen. Das endete nicht nur in Tsingtau mörderisch. Auch davon erzählt die Ausstellung.


„Silber für Tsingtau“, Museum für Ostasiatische Kunst, Universitätsstr. 101, Köln, Di.-So. 11-17 Uhr, bis 29. Oktober. Ein Katalog erscheint im Lauf der Ausstellung.

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