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Museum LudwigWarum Frank Bowling einen toten Esel peitscht

Lesezeit 3 Minuten
Der Künstler Frank Bowling sitzt in seinem Atelier vor Leinwänden und Malutensilien.

Frank Bowling in seinem Atelier

Lange war der britische Maler Frank Bowling vergessen, jetzt erhält der 88-Jährige in Köln den Wolfgang-Hahn-Preis. Eines seiner Werke geht in die Sammlung des Museums Ludwig ein. Es ist halb ein kunsthistorisches Massaker und halb ein alchemistisches Wunderwerk.  

Früher sei sein Vater gerne mit dem Autor durch Deutschland gefahren, sagt Ben Bowling, um sich in den Museen die Expressionisten anzusehen. Im Kofferraum habe er immer einige seiner Gemälde dabei gehabt, für den Fall, dass sich ein Museumsdirektor dafür interessieren würde. Taten sie natürlich nicht, denn Frank Bowling war damals ein Niemand. Und selbst wenn er jemand gewesen wäre, hätte man ihm wohl kaum etwas an der Türschwelle abgekauft.

Früher ging Frank Bowling mit seinen Bildern hausieren

Heute müsste Frank Bowling nicht mehr mit seinen Bildern hausieren gehen, weder in Deutschland noch in seinen beiden Heimatländern, Großbritannien und den USA. Allerdings hat es lange gedauert, bis er entdeckt wurde, genau genommen bis zum Jahr 2016, in dem Okwui Enwezor im Münchner Haus der Kunst zwei seiner Landkarten-Bilder zeigte. Seitdem, so Ben Bowling, läuft es für seinen Vater – allerdings ist dieser mittlerweile 88 Jahre alt und zu gebrechlich, um die Strapazen einer Reise nach Köln auf sich zu nehmen.

Also nimmt nun der Sohn an Stelle des Vaters den von der Gesellschaft für moderne Kunst gestifteten Wolfgang-Hahn-Preis entgegen. Die Auszeichnung ist mit 100.000 Euro dotiert, wird allerdings nicht ausgezahlt, sondern mit einem Kunstwerk verrechnet, das die Gesellschaft für das Kölner Museum Ludwig ankauft. Mit dem Preis sollen Lücken in dessen weltberühmter Sammlung geschlossen werden, wobei die Lücke im Falle Bowling in der gesamten deutschen Museumslandschaft klafft. Mit triftigem Besitzerstolz bemerkte Ludwig-Direktor Yilmaz Dziewior, dass „Flogging the dead Monkey“ das erste Bowling-Werk in einer deutschen Museumssammlung sei.

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Der gepeitschte tote Esel hängt jetzt im ersten Stock des Kölner Museums, in unmittelbarer Nachbarschaft von Gemälden anderer Großmeister der abstrakten Malerei, von Gerhard Richter etwa oder Mark Rothko und Morris Louis. Viel Esel ist bei Bowling nämlich nicht zu sehen, der Titel ist eine Anspielung darauf, dass abstrakt zu malen eine Zeitlang als reine Zeitverschwendung galt, als ähnlich sinnlos wie einem toten Tier Beine machen zu wollen.

Bowlings 2020 entstandene Eselei mit der Kunstgeschichte kann neben den Klassikern ohne weiteres bestehen. „Ich versuche, die Farbe an ihre Grenzen zu treiben“, sagt Bowling im Begleitband zur Preisverleihung, und genau das sieht man der virtuos malträtierten Leinwand an. Die Grundfarbe ist ein blutendes Rot, darüber schwebt ein zerfetztes Rosskastanienbraun, hier und da finden sich Spritzer von Ocker, Blau oder gestäubtem Gold. Es ist ein Massaker, mit Bedacht nach Vorbildern wie dem späten, die Welt ins Chaos stürzenden Landschaftsmaler William Turner ausgeführt. Bowlings Stilmittel sind dabei absolut modern: Er träufelt oder spritzt die Farbe auf die Leinwand, verflüssigt sie mit Chemikalien oder Hitze und vernäht die Leinwand wie Flickstoff. „Kochen“ nannte das Bowling einmal selbst. Sein Werk stammt aus dem alchemistischen Laboratorium der Moderne und fühlt sich in der Stadt Sigmar Polkes sicherlich daheim.

„Wolfgang-Hahn-Preis 2022: Frank Bowling“, Museum Ludwig am Dom, Di.-So. 10-18 Uhr, bis 12. Februar 2023. Der Begleitband ist bei Walther und Franz König erschienen und kostet 14,80 Euro

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