Museum LudwigKölner Sperrmüll wird zum Kunstwerk

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Die Künstlerin posiert neben einem kaputten Regal, einem Fahrrad ohne Vorderreifen und einem Vogelhäuschen.

Die US-amerikanische Konzeptkünstlerin Ser Serpas sammelt in Köln Sperrmüll von den Straßen, um daraus ein Kunstwerk für das Museum Ludwig zu schaffen

Kann das weg oder ist das Kunst? Die Amerikanerin Ser Serpas sammelte in Köln Sperrmüll und schuf damit Kunstwerke für das Museum Ludwig.

Ein schiefes Regal, ein Vogelhäuschen und ein gelbes Fahrrad ohne Sattel und Vorderreifen. Diesem Unrat aus Kölns Straßen fehlte nicht viel, um es als Kunstwerk ins Museum Ludwig zu schaffen. Verantwortlich dafür ist die amerikanische Künstlerin Ser Serpas. Die 28-Jährige sammelte in Köln Sperrmüll, um Skulpturen daraus zu machen. Ihre Werke werden Ende des Jahres bei der Art Cologne ausgestellt, bevor sie für die nächste Ausstellung zeitgenössischer Kunst ins Museum Ludwig wandern.

Serpas stammt aus Los Angeles und studierte an der Columbia University in New York. Sie begann mit Textilarbeiten. Für ihre erste große Ausstellung, die viel Platz füllen musste, griff sie auf Gegenstände zurück, die bei Zwangsvollstreckungen aussortiert wurden – Matratzen, Tischteile, ein Staubsauger. Ihre Werke bestehen also aus ganz profanen Alltagsdingen und waren trotzdem schon in Zürich, Tiflis, Paris und Berlin zu sehen.

Ser Serpas suchte in Zollstock, der Südstadt und dem Belgischen Viertel nach Schätzen

Die Suche in Köln lief systematisch ab, erzählt sie. Gekleidet in einen blauen Overall wanderte sie klar festgelegte Routen ab, in denen Sperrmüll abgeholt wird. Sie kann selbst nicht Auto fahren und ist eine leidenschaftliche Fußgängerin. Ein Mitarbeiter des Museums tuckerte ihr also in einem Van hinterher und gemeinsam luden sie die Sachen möglichst platzsparend ein, was zum Spiel à la Tetris avancierte. Für die Skulpturen suchte Serpas die Südstadt, Zollstock und das Belgische Viertel ab, danach hatte sie bereits genug Material gefunden, unter anderem ein Surfboard, ein massiver grüner Sessel, einen Einkaufswagen.

Die Montage der Skulptur verlangte ihr körperlich einiges ab, denn sie vermeidet kleine Gegenstände. „In der Highschool war ich im Wrestling Team. Ich habe ein paar raue Sportarten ausgeübt. Ich habe dann gemerkt, dass ich mit den Gegenständen, die ich nutze, auch ringe.“ Das schwerste Objekt, das sie alleine hob, war eine verrostete Containerwand. Mittlerweile sucht sie sich für solche Gegenstände auch Hilfe, um ihre Gesundheit nicht zu gefährden.

Skulptur aus dem Kölner Müll wandert wieder zurück in den Müll

Für eine Skulptur war es ein sehr kurzer Ausflug in die feine Welt der Kunst:  Serpas hatte aus einem Fahrrad, einem Vogelhäuschen und einem Regal erst eine Skulptur hergestellt, sie dann aber wieder verworfen und auseinandergebaut. Die Objekte kehren zurück in den Müll. Und auch das gehört zur Geschichte dazu. Ihre Begründung: Es war die sechste Skulptur in der Gruppe, sie möge aber ungerade Zahlen und die letzte hätte einfach nicht zu den anderen gepasst. 

Selten wird die Phrase „Ist das Kunst oder kann das weg?“ so sehr zum Teil des Kunstwerkes wie mit Serpas Skulpturen. Denn selbst wenn es ein Gegenstand mal zum Kunstobjekt geschafft hat, wird er dadurch nicht automatisch unantastbar. Serpas erinnert sich an einige ihrer Skulpturen, die nach der Ausstellung weggeworfen wurden. „Von meiner ersten Show im Luma sind nur zwei übrig geblieben. Die anderen sind alle weg. Ich erinnere mich ein Foto von ihnen im Müll außerhalb des Museums, das mir ein Art Handler geschickt hat. Und ich dachte mir: Das ist irgendwie traurig, aber auch wunderschön.“

Interpretationen greifen manchmal daneben

Betrachtet man nur den finanziellen Wert der Gegenstände, sieht man maximales upcycling, eine am Objekt erzählte „from rags to riches“ Geschichte. Man neigt schnell dazu, in Serpas Schaffen eine politische Botschaft lesen zu wollen, etwa eine Kapitalismuskritik anhand des Mülls einer Überflussgesellschaft. Die Künstlerin kennt solche Deutungsangebote aus ihren frühen Arbeiten mit Objekten aus Zwangsvollstreckungen. Da sahen Kunstliebhaber ihre Skulpturen als Kommentar zur Immobilienkrise.

Sie fühlt sich mit den Interpretationen wohl, wenn das ihre Kunst für andere zugänglicher macht, gesteht aber, dass ihr es vor allem um ästhetische Qualitäten geht. „Sie sind Fragmente von diskreten und privaten Performances. Wenn hinter ihnen eine Philosophie liegt, bin ich noch dabei sie zu finden.“

Das Museum Ludwig lud die Künstlerin nach Köln

Nach Köln kam sie auf Einladung des Museum Ludwig. Ausstellungsmacher Meyer Voggenreiter hatte eine Ausstellung der Künstlerin in der Galerie Barbara Weiß in Berlin gesehen und sie dann als „Junger Ankauf“ für die Gesellschaft für Moderne Kunst vorgeschlagen. Eines seiner Argumente: Der berühmte Künstlerfotograf Wolfgang Tillman hatte bereits ein Porträt von Serpas gemacht, als sie gerade einmal 21 Jahre alt war.

Mittlerweile hat ihre Kunst einige Jahre auf den Buckel. Und auch ihre Kölner Kunstwerke beobachtet sie mit Neugier: „Ich bin gespannt, wie manche von ihnen in 20 Jahren aussehen werden. Vielleicht gewinnen die Termiten.“

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