Abseits von Schunkelhits: Diese Kölner Artists geben der Stadt eine neue musikalische Stimme – persönlich und politisch.
Musikszene in KölnDiese Newcomer zeigen, dass Köln mehr kann als Karneval

Der gefeierte Auftritt von Omar Jatta beim Summerjam im Juli 2024
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Wenn man an Köln denkt, kommt vielen zuerst der Dom, der Rhein und natürlich der Karneval in den Sinn. Doch musikalisch hat die Domstadt weit mehr zu bieten als schunkelnde Töne und kölsche Klassiker. Mit Acts wie AnnenMayKantereit und dem Rap-Duo Lugatti & 9ine hat die Stadt in den letzten Jahren bewiesen, dass hier auch moderne, genreübergreifende Musik entstehen kann, die weit über die Stadtgrenzen hinaus Gehör findet.
Aber was passiert eigentlich abseits der großen Bühnen? Wer sind die jungen Talente, die gerade die ersten Schritte ihrer Karriere machen? Wir stellen einige Newcomer aus Köln vor: frisch, kreativ und bereit, die Musikszene zu erobern.
Omar Jatta
Der 27-Jährige bringt frischen Wind in die deutschsprachige Afrobeat-Szene und hat sich mit seiner ehrlichen, vielsprachigen Musik einen festen Platz in Kölns junger Kulturlandschaft erarbeitet. Geboren in Gambia, aufgewachsen in Solingen, lebt Jatta heute in Köln-Kalk.
Aufgewachsen mit der Musik seiner Großeltern, fand er selbst erst mit Anfang 20 seinen eigenen künstlerischen Ausdruck. Heute verarbeitet er Themen wie Rassismuserfahrungen, kulturelle Identität und Zugehörigkeit in seiner Musik, etwa in Songs wie „Wo ich herkomm’“.

Omar Jatta lebt in Köln und ist Musik-Newcomer.
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Jatta macht Musik, die nicht nur bewegt, sondern auch Haltung zeigt. Und das macht ihn zu einer der spannendsten Newcomer-Stimmen Kölns. Dieses Jahr stand er sogar mit Manu Chao gemeinsam auf der Bühne.
MILEN
Die 28-jährige Musikerin MILEN stammt aus Bonn, lebt aber seit fast zehn Jahren in Köln. Musik macht sie seit ihrer Kindheit: Bereits als Jugendliche stand sie mit Udo Lindenberg und Klaus Doldinger auf der Bühne.
Musikalisch lässt sich MILEN nicht in Schubladen stecken. Ihr Sound bewegt sich zwischen Neo-Soul, Alternative Pop, Hip-Hop und Jazz. Ihre Texte greifen unter anderem feministische Themen auf. So widmet sie sich in ihrem Song „Heiliger Zorn“ dem Thema female rage. Produktion und Musikvideo entstanden fast ausschließlich mit FLINTA*-Personen.

MILEN widmet sie sich in ihrem Song „Heiliger Zorn“ dem Thema female rage.
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Gerade hat sie ihr neues Album veröffentlicht und es mit einem Releasekonzert im Artheater gefeiert. Für den Pop-NRW-Preis ist MILEN aktuell als „Newcomerin“ nominiert.
Tonio
Tonio ist ein junger Rap-Newcomer aus Köln. Aufgewachsen in einem schwierigen Elternhaus, fand er im Schreiben und Aufnehmen von Songs eine Form der Verarbeitung. „Andere nutzen Sport als Ventil, für mich ist es das Schreiben und Recorden“, sagt er.
Neben klassischen Rap-Elementen lassen sich auch Einflüsse aus Rock und anderen Genres in seinen Tracks finden. Seine Texte seien komplex und mehrdeutig, ein bewusster Stil, wie er betont. „Mein Rap ist eine unvergleichbare lyrische Essenz mit einer kernkomplexen Nachricht, die man öfter anhören kann und bei jedem Mal entdeckt man etwas Neues.“
Tonio steht noch am Anfang, aber seine Musik zeigt, dass er klare Vorstellungen davon hat, was er erzählen will und wie.
Reeza
Die gebürtige Bremerhavenerin Reeza machte 2020 mit ihrem Debütalbum „Alien“ erstmals auf sich aufmerksam. Seither liefert sie regelmäßig frischen Neo-R'n'B mit Trap-Vibes, mal düster, mal verletzlich.
Obwohl ihre musikalische Reise bereits 2018 begann, verdichten sich gerade jetzt die Zeichen dafür, dass sich bei Reeza einiges bewegt, künstlerisch wie persönlich. Und mit rund 44.000 monatlichen Hörern auf Spotify ist sie längst kein Geheimtipp mehr.
Ketzberg
Hinter dem Künstlernamen Ketzberg steckt der 25-jährige Musiker Paul Köninger. Musikalisch bewegt sich sein Projekt irgendwo zwischen Soul, R’n’B, Funk und Pop. Köninger, der aus einer Musikerfamilie stammt und an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln studiert hat, setzt sich in seinem Track „Liebe im Fernsehen“ ironisch mit den unrealistischen Bildern von Beziehungen auseinander.
Auch in anderen Songs spricht er offen über persönliche Unsicherheiten, Neid oder Selbstkritik. „Ich mag es, ernste Themen auf eine ironische und humorvolle Art zu überspitzen“, sagt er.

Der Musiker Paul Köninger, bekannt als Ketzberg.
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Ohne Förderungen wie „Neustart Kultur“ oder Unterstützung vom Land NRW, sagt er, wäre vieles nicht möglich gewesen.
Vavunettha
Für VAVUNETTHA ist Musik auch ein Werkzeug für kollektives Heilen. Die in Deutschland geborene Tamilin nutzt ihre Songs, um persönliche und gesellschaftliche Themen zu verarbeiten. Auf ihrem Debütalbum „Haus“ beschäftigt sie sich intensiv mit Fragen nach Zugehörigkeit, Herkunft und Identität. Und auf dem Track „Asche & Staub“ setzt sie sich kritisch mit dem Kölner Karneval auseinander.
Fick dein Karneval, wenn ein tag vorher Hanau war. Tja, gehört dazu, Leitkultur im Vaterland. Zwischen Schüssen und Büttenreden und Korkenknallen liegt mal wieder nur ein Einzelfall.
Musikalisch verbindet sie emotional aufgeladene Inhalte mit einem modernen Popsound, mal ruhig und verletzlich, mal beatlastig und treibend.
Auch ihre Verbindung zu Köln wird in der Musik hörbar: In Songs wie „Aachener Weiher“ schafft sie klare Bezüge zur Stadt und ihrem Lebensumfeld.