Natalia Wörner über Feminismus und Krieg„Annalena Baerbock macht das fantastisch“

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Natalia Wörner mit Thelma Buabeng

Schauspielerin Natalia Wörner zollt Außenministerin Annalena Baerbock großen Respekt für ihr Auftreten im Ukraine-Krieg. „Sie macht das ganz fantastisch. Annalena Baerbock hat nicht nur ihre Rolle gefunden, sie hat auch angefangen zu wurzeln“, sagt die Frauenrechts-Aktivistin, die mit Baerbocks Vorgänger im Amt, Ex-Außenminister Heiko Maas (SPD), liiert ist. Wörner, die zum Weltfrauentag ihren RTL+-Dokumentarfilm „A Women’s Story“ veröffentlicht, fordert Solidarität und Unterstützung für die Frauen und Mädchen in der Ukraine und erklärt, wo es für sie noch. Lesen Sie hier das ganze Interview. 

In Ihrer Doku sprechen Sie über Feminismus und Gleichberechtigung – mit Schauspielerinnen wie Iris Berben, Unternehmerinnen oder Politikerinnen wie Franziska Giffey. Und Sie erzählen von Ihrem Leben. Gerade prominente Feministinnen erleben in den sozialen Netzwerken viel Hass. Sie auch?

Ich versuche, aus meinem Leben rauszuhalten, was an toxischer Kritik, Hass oder sonstigem digitalen Irrsinn passiert. Für konstruktive Kritik bin ich offen. Wir erleben gerade eine Zeit, in der es darum geht, das Richtige zu tun und sich nicht nur auf Instagram oder anderswo zu exhibitionieren. Ich finde es lähmend, wenn man seinen Selbstwert zu sehr an Lob koppelt oder eben an harter, sinnloser Kritik.

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Die von Ihnen unterstützte Initiative #Ichwill hat dafür gekämpft, dass 2021 die Frauenquote in Unternehmensvorständen beschlossen worden sind. Ein Erfolg. Reicht er aus?

Nein. Die Frauenquote brauchen wir in allen Bereichen, in denen die Realität noch nicht gerecht aussieht. Besonders in den Toppositionen. Beim Thema Bildung haben Frauen Männer bereits überholt, das ist wunderbar. In punkto Einkommen haben Frauen ebenfalls aufgeholt, aber es gibt nach wie vor zu viel Ungleichgewicht. Deutschland belegt im Gleichstellungsranking in der Europäischen Union gerade mal den zehnten Platz. Wir liegen weit hinter den skandinavischen Ländern, das muss uns doch zu denken geben.

Frauen fliehen jetzt mit ihren Kindern aus der Ukraine, während die Männer zurückbleiben, um zu kämpfen. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie diese Bilder sehen?

Die schlimmsten Sachen. Ich würde mich freuen, wenn wir alle den Weltfrauentag allen Frauen und Mädchen in der Ukraine und Russland widmen. Das sind auch Frauen, die um ihre Männer, ihre Söhne, ihre Väter und ihre Brüder bangen und zwar minütlich. Männer, die einen komplett sinnlosen Tod sterben, der einzig und allein dem Machtstreben eines Autokraten entspringt. Wir schauen dabei zu und sind ohnmächtig und fassungslos. Ich wünsche mir, dass die Frauen und Mädchen in diesen Ländern sich gegenseitig helfen und hoffentlich unsere ganze Solidarität und Unterstützung erfahren Wir alle sind dazu aufgefordert.

Wäre der Krieg ein Jahr früher ausgebrochen, wäre Ihr Partner, Ex-Außenminister Heiko Maas, stark involviert. Die neue Außenministerin Annalena Baerbock ist für ihre mangelnde Erfahrung und ihr Alter kritisch betrachtet worden. Derzeit erhält sie viel Respekt für ihr Auftreten in der Krise. Wie fällt Ihr Urteil aus?

Sie macht das ganz fantastisch. Sie hat nicht nur ihre Rolle gefunden, sie hat auch angefangen, zu wurzeln. In der vergangenen Woche hatte ich diesen Eindruck ganz besonders.

Es sind bereits etliche Sanktionen beschlossen worden von der Bundesregierung. Was fordern Sie darüber hinaus?

Ich halte das von der Bundesregierung beschlossene Paket für ein gut gefülltes und wichtiges an konkreten Handlungen und Maßnahmen. Was das bedeuten wird für die kommenden Tage und Wochen, können wir im Moment leider nicht abschätzen.

Sie sind Mutter eines 15-jährigen Sohnes. Wächst er in einer grundlegend anderen Gesellschaft auf als Sie? Wo sehen Sie Rollback-Gefahren?

Die Rolle der Frauen in der Corona-Krise hat klar gezeigt, dass Rollenklischees spätestens in dem Moment, wo es eng wird, wieder greifen, man automatisch wieder hineinfällt. Jeder muss bei sich selbst anfangen mit Kritik: Warum schaffen wir es nicht, Dinge im Alltag ganz praktisch umzusetzen, die wir uns auf die Fahne geschrieben haben? Deshalb gibt es den Weltfrauentag. Und deshalb habe ich diesen Film gemacht, der ja eine Bestandaufnahme ist. Vieles von dem, was im Film thematisiert wird, thematisieren wir seit Jahrzehnten. Das ist beschämend. Da muss man klar feststellen, dass wir noch nicht so weit sind, wie wir es uns wünschen und wie es der ganzen Welt guttun würde. Wir stehen an einer Schwelle: Wir haben #MeToo erlebt, Black Lives Matter und jetzt erleben wir diesen Krieg. Wir wissen, dass die Dinge nicht in der Balance sind. Das gilt es jetzt zu korrigieren.

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Der Bundestag ist nur zu einem Drittel weiblich. Braucht es auch da eine Quote?

Schade, dass sich daran auch bei der letzten Wahl wenig geändert hat. Dafür sind jetzt viele junge Frauen im Parlament, das finde ich super. Trotzdem finde ich eine Quote im Parlament schwierig, wenn es um so persönliche Vorgänge geht wie die Wahl eines Menschen. Eher müsste man zwei Schritte zurückgehen und überlegen, warum es nicht attraktiv ist für Frauen, in die Politik zu gehen oder wo die Hürden für Frauen in der Politik liegen.

Carolin Kebekus thematisiert in Ihrem Buch „Es kann nur eine geben“ Konkurrenzdenken unter Frauen. Wie bewerten Sie diesen häufiger formulierten Topos, salopp auch Stutenbissigkeit genannt?

Das muss man differenziert betrachten. In der Wirtschaft zum Beispiel ist es natürlich so, dass es bei zehn Spitzenjobs für Männern nicht zehn Spitzenjobs für Frauen gibt. Dadurch entsteht natürlich auch innerweibliche Konkurrenz. Aber es liegt keinesfalls in der Natur von Frauen, dass sie stutenbissig sind. Männer haben eine sehr lange Trainingseinheit hinter sich, was unmittelbare Konkurrenz und den fast sportlichen Wettbewerb um Spitzenpositionen angeht, ohne dass das als Hengst-Bissigkeit definiert würde. Wir Frauen dürfen nicht den Fehler machen, dieses Narrativ, dass wir nicht solidarisch sein können, ständig zu wiederholen. Damit tun wir unserer Sache keinen Gefallen. Ich kenne viele Frauen, die sehr solidarisch sind.

In einer Szene Ihres Films unterhalten Sie sich mit der Schauspielerin Ursula Karven darüber, dass feministische Frauen von manchen Männern als unattraktiv empfunden werden. Und dass Sie das manchmal beschäftigt, weil man als Frau ja auch gemocht werden will.

Ich glaube, dass sich Frauen, die wie ich oder Ursula in den Achtzigern und Neunzigern sozialisiert worden sind, noch häufiger damit auseinandersetzen, dass sie womöglich für manche Männer als unattraktiv gelten könnten. Aber das hat sich bei Frauen der neuen Generation komplett geändert, ist mein Eindruck. 

Hat Ihnen ein Mann schon offen ins Gesicht sagt, dass er Sie mit ihren feministischen Positionen nervig findet?

Das ist schon mal vorgekommen, ja. Aber richtig offen ins Gesicht sagen, so etwas trauen sich die Männer heute nicht mehr. Man wird dann eher mit einer unausgesprochenen Ablehnung konfrontiert. Der klassische „alte weiße Mann“ würde das höchstens noch unter seinesgleichen formulieren. Was nicht heißt, dass eine gewisse destabilisierende innerer Haltung nicht auch unter manchen jüngeren Männern verbreitet ist. Aber mir geht es gar nicht so sehr darum, so einen Frauen-Männer-Diskurs aufzumachen. Männer sind ein wichtiger Teil der Gleichstellungs-Bewegung für die Frauen.

Junge Frauen tun manchmal Dinge, die sie später mit mehr Selbstbewusstsein nicht mehr tun würden. Wie war das bei Ihnen?

Ich will mich hier jetzt nicht als Überrebellin darstellen, aber ich bin in einem Vier-Generationen-Haushalt mit ausschließlich Frauen aufgewachsen. Für mich gab es immer eine natürliche Autorität, was Frauen anbelangt und das ist bis heute so. Ich hatte nie Probleme, männliche Autoritäten zu hinterfragen. Das hat mich sicher auch vor unangenehmen Momenten beschützt. 

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