„Nepo Babys“Was wirklich hinter dem Streit um ererbte Berühmtheit steckt

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Schauspielerin Andie MacDowell (l.) mit ihrer Tochter, Schauspielerin Margaret Qualley

Schauspielerin Andie MacDowell (l.) mit ihrer Tochter, Schauspielerin Margaret Qualley

Das Internet streitet derzeit über „Nepo Babys“ – Kinder von Hollywood-Größen, denen ihre Berühmtheit in die Wiege gelegt wurde. Haben Outsider überhaupt eine Chance?

Die übelste Verbalinjurie, die man jungen Prominenten virtuell an den Kopf werfen kann, lautet derzeit „Nepo Baby“. „Nepo“ steht für Nepotismus, also das, was man in Deutschland als Vettern- und in meiner bayerischen Heimat als Spezlwirtschaft bezeichnet. „Spezl Baby“ wäre eigentlich die hübschere Beleidigung, könnte die bitte jemand mit sehr viel mehr Insta-Followern für mich durchsetzen?

Der derzeitige Hype um die Nepo Babys begann mit einem wirklich sehr lustigen Artikel des „Vulture“-Autors Nate Jones, der sich zuvörderst an den Töchtern und Söhnen bekannter Hollywood-Schauspieler abarbeitete, die nicht nur den Beruf, sondern auch den Einfluss ihrer Eltern geerbt zu haben scheinen. Jungstars wie Lily-Rose Depp (Tochter von Johnny Depp und Vanessa Paradis), Maya Hawke (Tochter von Ethan Hawke und Uma Thurman), oder Jack Quaid (Sohn von Meg Ryan und Dennis Quaid) wurden gewissermaßen als Insider geboren.

Selbst wenn man, lästert Nate Jones, wie Brooklyn Beckham (Sohn von David und Victoria Beckham) nie irgendetwas geleistet hätte, was das Arbeitsamt unter „Beruf“ führt, gelte man qua Herkunft als Industriegröße.   Für seine Online-Kochshow „Cookin’ With Brooklyn“ beschäftigte der Spice-Spross angeblich 62 Angestellte, jede Episode soll 100 000 Dollar gekostet haben. Als Höhepunkt gilt der Moment, in dem Brooklyn in der amerikanischen „Today“-Show ein Brot mit Spiegelei belegt und erzählt, dass er dieses besondere Rezept von seiner Großmutter gelernt hätte.

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Was Dakota Johnson kann, könnte ich auch

Inzwischen dürfte Ihnen klar sein, warum niemand als „Nepo Baby“ bezeichnet werden möchte: der Begriff entwertet – kaum ausgesprochen – alles, was die oder der Beschimpfte bislang auf die Beine gestellt hat. Oder eben nur auf die eigenen Beine gestellt zu haben glaubte. Wenn meine Oma die Hitchcock-Blondine Tippi Hedren und meine Eltern die Film- und Fernsehstars Melanie Griffith und Don Johnson wären – so ungefähr funktioniert das „Nepo Baby“-Argument – würde ich bestimmt ebenfalls Hauptrollen in Hochglanz-Erotikdramen spielen, Ellen DeGeneres’ Ranschmeißereien öffentlich Paroli bieten und Coldplays Chris Martin daten wie Dakota Johnson.

Da ist also auch Neid im Spiel. Eventuell sogar berechtigter. Denn wie weit kommt man schon, wenn man nur Talent mit ins Spiel bringt, aber kein Geld, keine Verbindungen, oder auch nur den richtigen Stallgeruch? Schaut man sich die Stammbäume junger Prominenter an, von den Millennials bis zu den Zoomern, stößt man in der Tat mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf noch bekanntere Namen, oder wenigstens auf mächtige Figuren im Hintergrund, Produzenten, Regisseure, etc.

Das gab es schon immer, wie man an den Fondas, den Barrymores, oder den Chaplins sehen kann. Noch vor kurzem gehörte man sogar eher mit Stolz einer solchen Linie an, sprach von einer Schauspielerdynastie als wäre das ein Adelsprädikat. Ist nicht Prinz Harry letztlich auch nur ein Nepo Baby? Beziehungsweise, sind vererbte Titel nicht sowieso die reinste Form von Nepotismus? Und dann wächst man, obschon man auf der Pole Position geboren wurde, zu einem kreuzunglücklichen Erwachsenen heran und landet mit dem Rücken im Hundenapf.

Ihre prominente Herkunft habe ihnen mehr geschadet als genützt, lautet denn auch die Standard-Verteidigung der Nepo Babys. Die wiederum kollektives Augenrollen auslöst. Ich glaube, in Wahrheit geht es gar nicht um die doch recht dünne Schicht von Stars in dritter Generation. Sondern um das Erben schlechthin. Um die so unumstößliche wie unfaire Tatsache, dass Menschen mit sehr unterschiedlichen Bedingungen ins Leben starten. Die Nepo Babys sind nur die Vorzeigekinder der Tatsache, dass die Schätze der Eltern und Großeltern heute mehr einbringen als die Arbeit der Nachkommen.

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