Neuer Rektor der Kölner KHM„Beim Thema Antidiskriminierung haben wir Nachholbedarf“

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Mathias Antlfinger

Köln – Herr Antlfinger, bei Ihrem Antritt als Rektor der Kölner Kunsthochschule für Medien hieß es, Sie würden sich vor allem den Themen Antidiskriminierung und Diversität widmen. Gibt es auf diesen Feldern Nachholbedarf bei der KHM?

Mathias Antlfinger: Natürlich gibt es den bei uns, wie bei allen Institutionen. Unsere Studierenden sind sehr international und sehr divers und bringen diese Themen mit an die KHM. Das ist eine Generationenfrage, aber auch eine Frage an die Hochschulen: Wie können wir das aufnehmen und möglichen Konflikten gerecht werden? Lange Zeit beschäftigten uns Gleichstellungsfragen, also die Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern. Die MeToo-Welle ist durch alle Hochschulen geschwappt, da hat sich viel getan. Jetzt geht es mehr um Diversität, um Ethnien und Geschlechtszugehörigkeit. Das reicht bis in unsere Personalpolitik hinein. Wir versuchen, mit der Zeit zu gehen, oder der Entwicklung vielleicht auch voraus zu sein, soweit uns das möglich ist. Aber Hochschulstrukturen können nicht von heute auf morgen ausgetauscht werden. Das ist ein langwieriger Prozess.

Die alten Gewissheiten, auf denen auch mein Kunstverständnis beruhte, sind passé

Was kann die KHM denn konkret tun, außer neue Lehrende zu berufen?

Wir versuchen, die Themen natürlich auch inhaltlich in der Lehre abzubilden. Wir wurden in Deutschland alle in einem westlichen Kunstsystem sozialisiert. Jetzt sehen wir migrantische Kulturen, wir sehen, dass es eine Weltkunst gibt. Die alten Gewissheiten, auf denen auch mein Kunstverständnis beruhte, sind passé. Wir müssen uns alle neu orientieren und uns etwa mit der Kolonialzeit und der Herkunft von Museumsexponaten auseinandersetzen.

Ein anderes großes Thema Ihrer Amtszeit soll der Klimawandel sein. Was kann die relativ kleine KHM dabei bewirken?

Wir sind ganz konkret angehalten, 20 Prozent Energie einzusparen. Das ist mit unseren alten Gebäuden teilweise gar nicht so einfach zu erreichen. Wir werden die Heizungen runterdrehen und vielleicht auch die nächtlichen Öffnungszeiten einschränken. Das ist alles noch in der Diskussion, denn wir wollen den nach Corona gerade erst leicht angelaufenen Hochschulbetrieb nicht gleich wieder erdrosseln. Die Studierenden sind in der Pandemie alle ein wenig in den großen Zoomraum verschwunden. Unsere Schule jetzt schließen zu müssen, um Heizkosten zu sparen, wäre absolut kontraproduktiv. Dieses Bewusstsein reicht hinein in die Lehre und in die Arbeiten der Studierenden, wie man, so finde ich, auf der Diplomausstellung im Juli sehr gut erkennen konnte. An anderen Stellen wird es aber schwierig: Wenn ich einen Film drehe, brauche ich Licht, viel Licht sogar. Da kann ich 2000 Watt nicht auf 100 Watt herunter dimmen.

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Stichwort Corona: Wie bereiten Sie sich auf mögliche neue Einschränkungen vor?

Die Situation kennen wir ja bereits, und im Moment sieht es so aus, als würde sich das Wintersemester nicht wesentlich vom Sommersemester unterscheiden. Es ist als Präsenzsemester geplant, aber wenn Corona mit Macht zurückkommen sollte, werden unsere Studierenden wieder zu Hause bleiben. Aktuell gibt es eine nicht-verpflichtende Empfehlung, in den Seminarräumen Masken zu tragen. Wir wollen uns nicht mehr Regeln auferlegen als unbedingt notwendig ist. Auf der Hochzeit der Pandemie haben wir versucht, so viel offenzuhalten, wie es im gesetzlichen Rahmen möglich war. Ohne diese Bemühungen stünde die KHM heute wohl deutlich kümmerlicher da.

In der Vergangenheit wurde viel über einen Umzug der KHM gesprochen. Statt einer großen ist es jetzt eine kleine Lösung geworden, die Schule bleibt im Wesentlichen am Filzengraben. Ist das mehr als eine Notlösung?

Ich war nie ein Befürworter der grünen Wiese. Dass mir die kleine Lösung jetzt in den Schoss gefallen ist, empfinde ich als großes Glück. Ob unser Verwaltungsgebäude am Heumarkt alle Anforderungen, die es braucht, erfüllt, muss man sehen. Aber wir verbessern uns damit deutlich. Auf der grünen Wiese hätte man sich alles nach Wunsch bauen können. Aber bei diesem Projekt hat sich für uns einfach keine Perspektive ergeben, das stand alles noch in weiter Ferne. Irgendwann kam dann die Handwerkskammer mit ihrem Gebäude ins Spiel. Ich bin jedenfalls froh, dass wir in der Innenstadt bleiben können, vor allem das Overstolzenhaus, Standort unserer Bibliothek, würde mir sehr fehlen. Wir haben in unseren jetzigen Standort ja auch sehr viel investiert.

Zur Person

Mathias Antlfinger, Jahrgang 1960, ist der zehnte Rektor der im Jahr 1990 vom Land NRW gegründeten Kunsthochschule für Medien in Köln. Von 1988 bis 1992 war er Mitglied der Künstlergruppe Büro Bert, seit 1990 arbeitet er gemeinsam mit der Künstlerin Ute Hörner an Installationen, Videos und Skulpturen.

An der KHM war Antlfinger zuvor als Prorektor für Planung und Finanzen tätig; seit 2009 hat er die Professur für Medienkunst und Transmediale Räume inne. Sein Vertrag als Rektor läuft über fünf Jahre. 

Ein Nachteil der jetzigen Lage ist die räumliche Enge. Können Sie den Studenten am Filzengraben überhaupt bieten, was sie an Raum und Technik brauchen?

Ja, ich denke schon. Ich habe ja in Düsseldorf studiert, da gab es riesige Atelierräume, die manchmal kaum genutzt wurden. Wir haben jetzt an der KHM mehr kleinere Ateliereinheiten und Arbeitsräume geplant, ich glaube, das funktioniert besser. Unsere Filmschaffenden arbeiten ohnehin größtenteils außerhalb. Die brauchen ein größeres Projektbüro. Mit einem Filmstudio, mehreren Schnitträumen und einer Post-Produktion sind wir gut aufgestellt.

An der KHM gibt es Film- und Kunststudenten. Ist diese Mischform in der Außenwahrnehmung nicht von Nachteil? Wäre es nicht besser, entweder eine „richtige“ Kunstakademie oder eine „richtige“ Filmhochschule zu sein?

Es gibt in Köln mit der ifs ja schon eine richtige Filmhochschule. Unser Ansatz ist ein anderer, sehr viel experimenteller, Autoren-basiert, was nicht heißt, dass unsere Absolventen später nicht auch sehr erfolgreich in den kommerziellen Feldern arbeiten. Aber sie haben an der KHM die Freiheit, sich auszuprobieren und sich von den anderen Gewerken und Künsten inspirieren zu lassen. Ich kann das alles mitnehmen während des Studiums, um später zu sagen: Ich mache jetzt das. Wichtig ist, dass die Menschen, die an der KHM studieren, eine innere konzeptuelle Stärke entwickeln. Sie wissen, was sie tun, und wissen, dass sie damit selbstständig durchs Leben kommen.

Gegen Düsseldorf kommen wir nicht an, jedenfalls, was die Schiffsgröße anbelangt

Die Filmsparte der KHM hat einen guten Ruf, die bildende Kunst steht im Schatten der Düsseldorfer Kunstakademie. Wie wollen Sie das ändern?

Gegen Düsseldorf kommen wir nicht an, jedenfalls, was die Schiffsgröße anbelangt. Die Kunstakademie ist einfach eine deutlich größere Hochschule, und natürlich gibt es die Düsseldorfer Heroen von Beuys bis zur Becher-Schule. Die Akademie bezieht sich auch mehr auf den klassischen Kunstmarkt, das ist an der KHM anders. Unsere Studierenden sind Grenzgänger, ich sehe da eigentlich keine Konkurrenz.

Sehen Sie sich in der Verantwortung dafür, dass ihre Absolventen den Schritt ins Arbeitsleben schaffen?

Das ist die schwierige Frage, die sich jede Hochschule stellen muss. Im Filmbereich ist das vielleicht auch einfacher, es gibt weit gespannte Netzwerke, viele Festivals und auch so etwas wie eine Solidarität der Ehemaligen. In der Kunst, Literatur oder Soundart ist das einfach anders, weil man weniger in Gruppen arbeitet, weil die Netzwerke und Förderungen anders funktionieren, weil Ausstellungen beginnen und enden und nicht wie ein Film immer wieder hervorgeholt werden können. Wenn man sich die noch kurze 30-jährige Geschichte der KHM anschaut, sind doch namhafte Künstler, Hochschullehrer, Dozenten aus ihr hervorgegangen.

Ihr Vorgänger hat vehement gegen eine drohende Verschulung der Hochschule gekämpft. Ist das für Sie noch ein Thema oder ist diese Gefahr gebannt?

Ich glaube nicht an die Verschulung der Kunsthochschulen, da sind schon die Professoren dagegen. Ich sehe die Gefahr eher in einer Überbürokratisierung. Man will alles kontrollieren, dadurch gibt es mehr Verwaltung, auch die Digitalisierung läuft oftmals in diese Richtung.

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