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„Nicht abstrakt“Andreas Gursky stellt in der Düsseldorfer Kunstsammlung aus

Lesezeit 3 Minuten

Auf der Kippe zum abstrakten Bild: Andreas Gurskys „Amazon“ zeigt eine Versandhalle voller Bücher

Als Zeichenstift der Natur wurde die Fotografie anfangs beschrieben, weil sie die Wirklichkeit so getreu wiedergab wie kein anderes Medium. Allerdings waren auch die ersten Aufnahmen schon Abstraktionen: Ein schwarzer Stift ist nun mal kein Malkasten mit allen Regenbogenfarben. Und so setzten sich in jeder Generation neue Fotografen das Ziel, ihrem Medium den naturgegebenen Realitätssinn mehr oder weniger gründlich auszutreiben.

Auch Andreas Gursky lässt sich mühelos in diese Tradition einordnen – insbesondere seitdem der Düsseldorfer die digitale Bildbearbeitung für sich entdeckte. Mit ihrer Hilfe verdichtet er die Wirklichkeit, indem er sie aus zahlreichen Einzelaufnahmen neu zusammensetzt und, so Gursky, „flächig macht“.

Die Bilder eint das Erschrecken über die moderne Zivilisation

Am offensichtlichsten ist das bei den riesigen Tulpenfeldern, die aus dem Helikopter fotografiert zu abstrakten Streifenbildern werden. Aber auch das Logistiklager des Versandhändlers Amazon gleicht bei Gursky einem Felsmassiv, und ein Feld aus Sonnenkollektoren zieht sich über einen Bergrücken wie der Panzer eines Gürteltiers. Der gemeinsame Nenner dieser Bilder ist das Erhabene, das leise Erschrecken über die gigantischen Ausmaße der modernen Zivilisation.

„Nicht abstrakt“ heißt die Gursky-Ausstellung in der Düsseldorfer Kunstsammlung (K20), weil der einstige Dokumentarist eben nur mit dem Abstraktionsvermögen des Fotoapparates spielt; die Wirklichkeit ist immer noch zu erkennen, auch wenn man dafür manchmal die Nase an den Großformaten platt drücken muss.

Andreas Gursky

Der Künstler Andreas Gursky

Gursky selbst besteht beim Amazon-Bild (dessen digitale Komposition sich über sechs Monate erstreckte) sogar darauf, dass es die Bücherhalle nicht verfremdet darstellt, sondern so zeigt, wie sie ohne störende Mauern zu sehen wäre. Dazu zerlegt Gursky das Motiv in Streifen, zoomt den Hintergrund heran, während er den Vordergrund verkleinert, und erzeugt so eine Aufnahme, wie man sie mit einem Teleobjektiv aus der Ferne machen könnte. Am besten, sagt Gursky, stünde die Kamera dabei auf dem Mond.

Im Grunde ist das ebenso wenig etwas Neues in Gurskys Werk wie seine Anleihen bei romantischen Landschaftsbildern oder der abstrakten Farbfeldmalerei. Die Ausstellung ist vielmehr ungefähr so originell wie ein Aufsatz, in dem es um den Einfluss der modernen Massenmedien auf die Pop Art geht.

Gegengift zum Klassizismus

Andererseits wäre es vielleicht zu viel verlangt, von dieser Schau mehr als eine Menge grandioser (und einige ernüchternd sterile) Bilder zu erwarten. Denn „Nicht abstrakt“ ist vor allem ein cleveres Spiel mit der ständigen Sammlung des K20: Die meisten Bilder hängen im frei geräumten Amerikaner-Saal, also dort, wo sonst die abstrakte Nachkriegsmalerei daheim ist, weitere wurden unter die Klassiker des Hauses gemischt. Die dabei entstehenden „Dialoge“ sind allerdings häufig so offensichtlich, dass man befürchten muss, Andreas Gursky solle hier vor allem als zukünftiger Klassiker vorgeführt werden.

Stattdessen sähe man gerne mehr „Ausreißer“ an den Wänden. So nennt Gursky seine „zufällig entstandenen“, meist mit dem Mobiltelefon gemachten Fotos. Diese normalen Formate zeigen mitunter nicht mehr als eine weiße Häuserwand mit zugemauerten Fenstern. Aber gerade deshalb erscheinen sie wie ein Gegengift zum Klassizismus, der sich seit einiger Zeit in Gurskys Bilder schleicht.