Oster-RankingJesus Christus' wundervollste und wunderlichste Film-Auftritte

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Willem Dafoe 1988 als Jesus in „Die letzte Versuchung Christi“

Willem Dafoe 1988 als Jesus in „Die letzte Versuchung Christi“

Die Geschichte von Jesus Christus ist unzählige Male verfilmt worden. Hier sind seine zehn bemerkenswertesten Kinoeinsätze – im Guten wie im Schlechten.

Pünktlich zu Ostern wollen wir Ihnen die bemerkenswertesten, wundervollsten, oder auch schlichtweg bizarrsten Filmauftritte von Jesus Christus empfehlen. Übrigens alle kürzer und unterhaltsamer als George Stevens Monumental-Epos „Die größte Geschichte aller Zeiten“ aus dem Jahr 1965, wenn auch ohne Donald Pleasance als Satan und John Wayne als römischer Zenturio. Aber man kann nicht alles haben.  

Die Wundervollen

„Das 1. Evangelium – Matthäus“ (1964)

Unseren schöngeistigen Dorfpfarrer trieb dieser Film fast in den Wahnsinn. Nicht weil die Jesus-Geschichte des italienischen Skandalregisseurs Pier Paolo Pasolini („Die 120 Tage von Sodom“) auch nur das geringste Potenzial zum Skandal gehabt hätte. Oder gerade deswegen. „Das ist die beste Bibel-Verfilmung aller Zeiten, ja die einzig wirklich gültige“, predigte unser Pfarrer. Um dann die Augen gen Himmel zu richten und aufzuseufzen: „Und ausgerechnet ein homosexueller Atheist und Kommunist hat sie gedreht!“ Als Drehbuch nutzte Pasolini ausschließlich das Matthäus-Evangelium, als Darsteller Laien, als Drehort die süditalienische Stadt Matera, die biblischer aussieht als das gelobte Land. 56 Jahre später verfilmte der Wahlkölner Milo Rau ebendort „Das Neue Evangelium“, diesmal mit Geflüchtete aus Afrika in den Evangeliumsrollen – und mit einem Gastauftritt von Enrique Irazoqui, den Jesus aus Pasolinis Film.

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„Die letzte Versuchung Christi“ (1988)

Die heftigen Kontroversen, die Martin Scorceses Jesus-Film 1988 ausgelöst hat, kann man heute kaum noch nachvollziehen. Letztlich beruhten sie auf zwei Missverständnissen: Zum einen ist „Die letzte Versuchung“ kein Bibelepos, sondern die Verfilmung eines Romans von Nikos Kazantzakis, den Griechen kennt man vor allem als Autor von „Alexis Sorbas“. Zum anderen ist die titelgebende Versuchung Christi nicht die Aussicht auf fleischliche Freuden mit Maria Magdalena, sondern auf ein erfülltes Leben als Mensch unter Menschen, anstelle der messianischen Aufgabe. Ein Meisterwerk von großer Subtilität und gedanklicher Tiefe. Außerdem: David Bowie als Pontius Pilatus!

„Das Leben des Brian“ (1979)

Egal, was Sie glauben mögen, Monty Python reißen in ihrer so berüchtigt wie heiß geliebten Religionssatire keinen einzigen Witz auf Kosten des Messias. Wir sehen ihn bei der Bergpredigt, dargestellt vom Shakespeare-Schauspieler Kenneth Colley. Auch hier stammt der Text direkt aus dem Matthäus-Evangelium. Was kann schon Jesus dafür, dass noch niemand das Mikrofon erfunden hatte und das Volk ja auch gar nicht richtig zuhört: „Ich glaube, er sagte, gepriesen sind die Skifahrer.“ „Es ist mehr als Gleichnis zu sehen, meine Liebe, es bezieht sich auf die ganze Wintersportindustrie.“

„Der Mann der 1000 Wunder“ (1999)

Diese walisisch-russische Co-Produktion – klingt das nicht selbst wie ein Osterwunder? – erzählt das Leben Jesu in Stop-Motion-Technik (und die Erinnerungen der Figuren als Zeichentrick). Ja, das ist Kinder-kompatibel und auch so gemeint, aber „The Miracle Maker“ liefert in 90 Minuten mehr Bibelwissen und historisches Kolorit als die meisten dreimal so langen Hollywood-Schinken. Jesus bewegt sich frei zwischen Juden, Pharisäer, Sadduzäer und Zeloten, zwischen Priestern, Zöllnern und römischen Besatzern – und schockiert alle, auch seine Jünger, mit seiner Vorurteilsfreiheit. Im Original spricht Ralph Fiennes Jesus und Julie Christie Maria Magdalena.

Die Durchwachsenen

„Jesus Christ Superstar“ (1973)

Regisseur Norman Jewison hat seine Adaption der Rockoper von Andrew Lloyd Webber und Tim Rice an Originalschauplätzen in Israel, Palästina und im Westjordanland gedreht. Von einem Polizisten aus Tel Aviv ist die Klage überliefert: „Wir hatten hier schon einen Jesus, der hat uns Ärger genug beschert.“ Die beabsichtigte Authentizität wird von den Kostümen gleich wieder zunichtegemacht, die eher das Disco-Zeitalter als das Jüngste Gericht heraufbeschwören. Aber Ted Neely ist ein sehr überzeugender Jesus und Carl Anderson ein noch sehr viel überzeugenderer Judas. Und als mitsingbare, mitreißende Kitsch-Version des Neuen Testaments funktioniert der Film aber auch noch 50 Jahre später.

„Maria Magdalena“ (2018)

Das Evangelium im Lichte der feministischen Theologie. Regisseur Garth Davis zeigt Maria Magdalena nicht als gefallene Frau, sondern als dreizehnten Jünger Jesu und Konkurrentin zu Petrus (Chiwetel Ejiofor), wenn es um die Deutungshoheit der Lehren des Nazareners geht. Rooney Mara spielt sie mit stiller Würde, Joaquin Phoenix‘ Jesus ist dagegen einigermaßen bizarr, nicht viel weniger zerrissen und zerquält als der Joker, den der Schauspieler im Jahr darauf mit sehr viel größerem Erfolg verkörperte.

„Die Passion Christi“ (2004)

Wahrscheinlich der einzige Jesus-Film, der noch mehr Kontroversen hervorrief als „Die letzte Versuchung Christi“. Nicht, weil sich Mel Gibson entschieden hatte, in biblischen Originalsprachen zu drehen, und damit eine „Faktentreue“ vortäuscht, die der Film schlicht nicht hat. Eher schon, weil der Film eine Kollektivschuld des jüdischen Volkes an der Kreuzigung Jesu suggeriert, wie man sie eher aus mittelalterlichen Passionsspielen kennt – die antisemitischen Entgleisungen nach denen Mel Gibsons Hollywood-Karriere gründlich entgleiste, kamen allerdings erst zwei Jahre später. Vor allem jedoch, weil sich Gibson entschlossen hatte, ausschließlich die (vor-)letzten zwölf Stunden von Jesus zu verfilmen und das in nie zuvor gesehener Drastik. Roger Ebert nannte „Die Passion Christi“ den „gewalttätigsten Film, den ich je gesehen habe“, gab ihm allerdings die volle Punktzahl. Jesus-Darsteller Jim Caviezel wurde während der Dreharbeiten vom Blitz getroffen. Die ideale Osterunterhaltung für Freunde des „Saw“-Franchise.

Die Wunderlichen

„Die Milchstraße“ (1969)

Sie sind dann mal weg: Luis Buñuel, der große Surrealist des Kinos, schickt hier zwei Clochards namens Jean und Pierre (also Johannes und Petrus) auf den Jakobsweg. Zeit und Raum scheinen sich hier auszulösen, sie begegnen christlichen Sektierern, verrückten Priestern, dem Teufel und der Jungfrau Maria. Jesuiten und Jansenisten duellieren sich am Wegesrand, während sie theologische Streitgespräche führen. Es ist, als hätte der Regisseur sämtliche Irrwege aus fast 2000 Jahren Kirchengeschichte in ein irres Überraschungs-Ei gepackt. Am Ende erblicken die unfreiwilligen Pilger tatsächlich Jesus: Er heilt Blinde, aber die verstehen nicht, was sie sehen.

„Auferstanden“ (2016)

Allen Ernstes als inoffizielles Sequel zu Mel Gibsons „Die Passion Christi“ angekündigt, erzählt „Auferstanden“ von zwei römischen Soldaten, die den Auftrag haben, die Kreuzigung und anschließend das Grab Jesu zu bewachen. „Wenn dieser Leichnam verschwindet, haben wir einen potenziellen Messias“, mahnt eine ominöse Stimme im Trailer. Und als wäre es ab da nicht schon unmöglich, ernst zu bleiben, muss man nun Joseph Fiennes und Tom Felton dabei zuschauen, wie sie den Teil der Geschichte, den das Neue Testament vergessen hat, als biblische Detektivgeschichte nachspielen. Falls Ihnen die Schauspielernamen nichts sagen: Es sind der verliebte Shakespeare und Draco Malfoy, die sich hier auf die Jagd nach Jesus machen.

„Assassin 33 A.D.“ (2020)

„Auferstanden“ ist immerhin kompetent inszeniert und gespielt, dieser evangelikale Science-Fiction-Film, auch bekannt (?) unter dem Titel „Black Easter“, ist purer Trash. Aber mit was für einem Plot! Islamistische Terroristen klauen eine Zeitmaschine, um ins antike Judäa zurückzureisen und Jesus umzubringen, bevor er wieder auferstehen kann. „Jetzt verstehe ich’s“, sagt der Held des Films, „es ist der ultimative Dschihad.“

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