Die Passion wurde zwar immer wieder komponiert, aber ausgerechnet zu Ostern gibt es deutlich weniger. Was womöglich daran liegt, dass man für die eigentliche Auferstehung ohne Augenzeugen auskommen muss.
Ostern in der klassischen MusikDie Auferstehung von Schütz bis Mahler

„Die Auferstehung Christi“ (1597 - 1600) von El Greco
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Ostern als Darstellungsgegenstand in der Tonkunst? Dem unbefangenen Musikliebhaber dürfte da auf Anhieb nicht allzu viel einfallen. Klar, die Passionsgeschichte ist immer wieder komponiert worden, und die Bach-Passionen stellen, bis heute, die leuchtenden Gipfel inmitten einer überreichen einschlägigen Produktion dar. Aber die Auferstehung „am dritten Tage“, immerhin das zentrale, den christlichen Glauben begründende Ereignis des Neuen Testaments?
Der Grund für die - relative - Zurückhaltung der Musiker liegt auf der Hand: Nirgendwo in der Bibel wird die Auferstehung als Ereignis beschrieben, die Frauen, die - etwa bei Markus 16, 1-8 - an besagtem Tage zum Grab kommen, finden es bereits leer vor. Ein Engel berichtet ihnen knapp das Geschehene. Damit entfällt jener Nukleus eines direkten narrativ-dramatischen Zugriffs, der der Passions- wie der Weihnachtsgeschichte innewohnt und beide zuallererst für eine wie auch immer geartete Musikalisierung disponiert.
Ostern wurde von einigen Komponisten aufgegriffen
Dennoch wurde auch „Ostern“ komponiert - und zwar immerhin so häufig, dass der vorliegende Überblick äußerst unvollständig bleiben muss. Zu den frühesten auch heute noch im Musikleben präsenten Exempeln dürfte die „Auferstehungshistorie“ von Heinrich Schütz gehören. Textkern der Komposition ist eine Evangelienharmonie, die die Berichte vom leeren Grab und Jesu ersten Auftritten nach seiner Auferstehung zu erzählerischer Stringenz führt. Die österliche Kernszene ist hier in ein Evangelistenrezitativ gefasst, in dem berichtet wird, wie ein Engel vom Himmel kommt und den Stein vom Grab wegwälzt.
Den Himmelsabstieg wie die „Wälzbewegung“ stellt Schütz mit gebührender figürlicher Intensität dar. Anders als im „Messiah“, wo die Auferstehung vergleichsweise kurz in der textlich auf Psalm 16 basierenden Tenorarie „But Thou didst not leave“ abgehandelt wird, hat der junge, der römische Händel dem Thema mit „La Resurrezione“ ein komplettes Oratorium gewidmet. Aber auch hier findet in einem Umfeld rhetorischer Weitschweifigkeit mit Dialogen zwischen Engel und Teufel das Ereignis als solches nicht beziehungweise nur indirekt statt: Der Engel am Grab teilt es Maria Kleophae und Maria Magdalena in einem lapidaren Rezitativ mit.
Bachs bekanntes „Osteroratorium“ und der Übergang zur Empfindsamkeit
Bachs bekannteste Osterkomposition jenseits etlicher Kirchenkantaten mit einschlägiger Thematik ist das „Osteroratorium“, welches sich von seinen übrigen Oratorien dadurch unterscheidet, dass hier der in den Rezitativen transportierte Bibeltext frei nachgedichtet ist. Der Auferstehungsbericht findet sich im Rezitativ „Hier ist die Gruft“, in dem der Alt auf die Worte „Er ist vom Tode auferweckt“ einen signalhaft wirkenden melodischen Aufstieg hinlegt.
Im Übergang vom Barock zur Empfindsamkeit war Karl Wilhelm Ramlers „Die Auferstehung und Himmelfahrt Jesu“ ein beliebtes Sujet, das unter anderem von Telemann und C.P.E. Bach vertont wurde. Erneut steht nicht Handlung im Vordergrund, sondern die subjektiv-gefühlshafte Reflexion des Ostergeschehens. Bach führte sein Werk auch nicht mehr in der Kirche, sondern in privat-weltlichem Rahmen auf.
In der Romantik traut sich Listz an den Stoff
Die Romantik war (auch) die Zeit nazarenisch bis heldisch konzipierter Christus-Oratorien, in denen die Auferstehung selbstredend nicht fehlen durfte. Mendelssohn kam in seinem unvollendeten „Christus“ nicht mehr an diesen Punkt, wohl aber Liszt in einem gleichnamigen Werk - einer Nummernfolge lateinischer Bibelstellen, die von der Auferstehung abgeschlossen wird. Zunächst erklingt, im archaisierend-historisierenden Rückgriff auf seine gregorianische Fassung, der Osterhymnus „O filii et filiae“, es folgt eine triumphale Chorfuge auf ein markantes, mit einem dreimalig-versetzten Quintsprung startendes Thema auf die Worte „Resurrexit tertia die“.
Recht froh wird man über all dem übrigens nicht: Es hat etwas von einem katholischen Kostümfest. Auf hingegen authentisch-inbrünstige Osterkompositionen im 20. Jahrhundert sei an dieser Stelle nur kurz verwiesen. Namentlich erwähnt werden müssen Messiaen und Penderecki. Liszts Schlusschor lenkt indes das Augenmerk auf einen Text jenseits von Oratorienlibretti, in dem die Auferstehung auch im Blick auf eine mögliche kompositorische Befassung eine Schlüsselstelle ist: auf das Symbolum Nicenum, das „Credo“ der katholischen Messe.
Mahler säkularisiert und verwandelt das Auferstehungsthema
Das „et resurrexit tertia die“ lädt, wie viele Messvertonungen seit dem Mittelalter zeigen, zumal dramatisch empfindende Komponisten zur eindringlichen Gestaltung jenes Umschwungs ein, der textlich durch den absoluten Kontrast zum vorangehenden „passus et sepultus est“ vorgegeben ist. Sie können hier wirkungsvoll mit Tempo-, Tonart-, Takt- und Instrumentenwechseln arbeiten. In Bachs h-Moll-Messe bricht an der Stelle überschwänglicher fünfstimmiger Chorjubel aus - in D-Dur, begleitet von Pauken und Trompeten.
In Haydns „Missa in tempore belli“ startet das „Et resurrexit“ mit einer Orchesterrakete, in der sich erst einen Takt später der Chor einklinkt, um dann über den Grundton zur oberen Terz hinauszuschießen - ein plastisches Tonbild für das „Aus-dem-Grab-Fahren“. Mozart platziert in seiner Krönungsmesse an der Stelle vergleichsweise aufwandsarm die Satzreprise - es erklingt dieselbe statuarische, indes sehr „positive“ Musik wie zu „Credo in unum deum“. Völlig gegen die Tradition komponiert Beethoven in seiner Missa solemnis die Auferstehungsmeldung: als homophone Chorstelle im mixolydischen Modus in gerade mal sechs Takten. Der Mythenforscher Jan Assmann vermutet, dass ihn der Text nicht wirklich berührte und interessierte.
Säkularisiert und kunstreligiös transformiert erscheint das Auferstehungsthema schließlich in Mahlers zweiter Sinfonie. Ihrem letzten Satz liegt Klopstocks Gedicht „Auferstehn, ja auferstehn wirst du“ zugrunde, das sich nicht mehr auf Jesus Christus bezieht, sondern allgemein die christliche Erlösungshoffnung thematisiert. Mahler schreibt über diesen Hymnus ein bombastisches Chorfinale, in dessen Zentrum ein suggestiver Gang vom Grundton zur Quinte steht. Am Schluss stiftet der Klang von Osterglocken ein dezidiert sakrales Ambiente. Mit der Osterbotschaft im engeren Sinne hat das freilich nicht mehr viel zu tun. Beethoven komponiert die Meldung der Auferstehung in gerade mal sechs Takten. Nirgendwo in der Bibel wird die Auferstehung als Ereignis beschrieben