PhilharmonieBrahms vital, aggressiv und dramatisch – Residenzorchester Den Haag in Köln

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Anja Bihlmaier sitzt im Schneidersitz auf einer Bühne.

Anja Bihlmaier dirigiert das Residenzorchester Den Haag.

Das Residenzorchester Den Haag, dirigiert von Anja Bihlmaier, hinterließ beim Kontrapunkt-Konzert in der Kölner Philharmonie einen guten Eindruck.

Das kommt so oft auch nicht vor: Am Schluss bat die Dirigentin Anja Bihlmaier das Publikum um Entschuldigung für die ausbleibende Zugabe: Mit so viel Beifallenthusiasmus habe man ja nun gar nicht gerechnet. Die Zugabe werde man, versprochen, im Fall einer Wiedereinladung nachholen. Dem soll nichts im Wege stehen, denn die Schwäbin, 44 Jahre alt und seit 2021 Chefdirigentin des Residenzorchesters Den Haag, hinterließ beim Auftritt der Formation im Kontrapunkt-Konzert in der Kölner Philharmonie einen guten Eindruck, vor allem mit Brahms’ vierter Sinfonie am Schluss.

Anja Bihlmaier dramatisierte die Partitur in der Kölner Philharmonie energisch

Die passionierte Operndirigentin dramatisierte energisch die Partitur, ließ aber auch Brahms’ weitgespannte Melodik gebührend zur Geltung kommen. Und was da aus der Tiefe des Stimmengewebes so alles noch oben drängte, wie etwa – im ersten Satz – das Drei-gegen-zwei-Noten-Prinzip zum Ferment einer beträchtlichen rhythmischen Unruhe wurde, wie die Idyllen als stets bedrohte vorgestellt wurden – es konnte überzeugen und fesseln.

Das Orchester setzte die Impulse sehr ordentlich um, wenn auch spieltechnisch und klanglich nicht überragend. Da gab es falsche Töne, grobe Intonationen, Einsatzüberdruck. Allerdings wäre es auch unfair, diesem sehr respektablen Klangkörper vorzuwerfen, dass er nicht das Niveau seines Nachbarn erreicht, des Amsterdamer Concertgebouw Orchesters.

Mozart in der Kölner Philharmonie: Pianistin Yeol Eum Son verfügt über souveräne Technik und subtilen Anschlag

Allemal geriet dieser Brahms vitaler und aggressiver als Mozarts großes C-Dur-Klavierkonzert KV 503 vor der Pause, dessen Aufführung aus einer gewissen Statik und Behäbigkeit nicht herausfand. Das lag freilich auch an der koreanischen Solistin Yeol Eum Son, die ohne Zweifel über souveräne Technik, einen subtilen Anschlag, auch spürbar über einen Zugang zu Mozarts Idiom und Klangwelt verfügt.

Das zeigte sich zum Beispiel in der Kadenz des ersten Satzes, die wohltuend auf den virtuosen Exzess verzichtete, oder in ihren ornamentalen Zutaten, die, in der Durchführung des Allegro maestoso, aus dem allgegenwärtigen Marschmotiv einmal Papagenos „Ein Mädchen oder Weibchen“ herausspringen ließen.

Trotzdem: Auf der Basis einer verbreitet mittleren Lautstärke blieb die Darstellung etwas unverbindlich und unpersönlich. Und eine perlende Artikulation in Ehren, aber sie sollte, gerade bei Mozart, nicht ins Puppige (Staccato-Begleitung) driften.

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