Rihannas Super-Bowl-HalbzeitshowSo wenig muss man machen, um zu glänzen

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Rihanna tritt während der Halbzeitshow des Super Bowl im State Farm Stadium in Glendale, Arizona auf. Sie trägt einen hellroten Anzug mit dunkelroter Brustplatte.

Rihanna tritt während der Halbzeitshow des Super Bowl auf.

Nach fünf Jahren trat Rihanna zur Halftime Show des 57. Super Bowls zum ersten Mal wieder live auf. Aber war das nun grandios, oder bloße Pflichterfüllung? 

Keine römischen Kohorten, die einen Paradewagen mit Goldthron aufs Spielfeld ziehen (wie 2012 bei Madonna), kein vom schwindelnd hohen Rand des Stadions geschmettertes „Gott schütze Amerika“ (wie 2017 Lady Gaga): Rihannas heiß erwartete Super Bowl Halftime Show beginnt mit einer simplen Nahaufnahme der Sängerin.

Wie eine Athletin vor dem Start kreist sie ihre Schultern, doch ihr Gesicht verrät keinerlei Anspannung. Sie blickt lächelnd nach unten, greift zum Mikrofon, die Kamera zoomt zurück zur Ganzkörperaufnahme. Rihanna, im bauschigen, knallroten Anzug, streichelt sich über den Bauch und verkündet so der Welt von ihrer zweiten Schwangerschaft, neun Monate nach der Geburt ihres ersten Sohnes. Eine Sprecherin bestätige das unmittelbar nach dem Auftritt.

Sehr viel mehr muss sie nicht machen, allein die Tatsache, dass Rihanna seit den Grammy Awards 2018 nicht mehr live aufgetreten ist, reicht als Sensationsnachricht. Die Babynews sind ein Extra. Es sind erst wenige Sekunden vergangen und man hat schon viel erlebt. Rihanna, mit ihren 14 US-Nummer-Eins-Singles im Backkatalog, muss sich nicht anstrengen. Sie schwebt über den Dingen. Steht buchstäblich auf einer beleuchteten Plattform hoch über dem Feld des State Farm Stadium in Glendale, Arizona. Links und rechts von ihr schweben noch weitere Plattformen mit jeweils zwei Tänzern.

Vor vier Jahren hatte Rihanna das Angebot der NFL ausgeschlagen

„Bitch better have my money“, singt Rihanna und mit der Bitch meint sie eventuell die NFL. Vor vier Jahren hatte sie das Angebot der National Football League, zur Halbzeit aufzutreten, ausgeschlagen, in Solidarität mit dem Quarterback Colin Kaepernick, dem ersten Football-Star, der gegen die tödliche Polizeigewalt gegen Afroamerikaner protestierte, in dem er zur Nationalhymne auf die Knie ging.

Die Situation der Schwarzen in den USA hat sich seitdem nicht verbessert, aber die Halbzeitshow wird seit den 2020ern von Jay-Z's Firma Roc Nation produziert. Der Rapper hatte der Sängerin aus Barbados einst ihren ersten Plattenvertrag besorgt. Tatsächlich wird Rihanna wohl ebenso wenig für ihre Show bezahlt wie andere Stars zuvor, die Gage besteht in der Steigerung des Marktwerts, durch die millionenfache Verbreitung des Auftritts.

Die an Stahlseilen hängenden Bühnen formieren sich zu einer Treppe in den Himmel, Rihanna wirft sich in selbstgenügsame Posen. Sie ist der Boss, seit sie das Singen eingestellt hat, haben ihre Mode- und Kosmetiklinien sie zur Milliardärin gemacht, zur wohlhabendsten Musikerin der Welt.

Statt selbst zu tanzen, lässt sie eine Hundertschaft für sich arbeiten

Als solche lässt sie arbeiten, lässt Dutzende, nein eine Hundertschaft von Tänzerinnen und Tänzer, mit weißen Hoodies und Sonnenbrillen anonymisiert, Massenchoreografien ausführen, während sie selbst ihre Bewegungen auf das absolute Minimum reduziert hat. „Pour It Up“ singt sie sogar im Sitzen.

Schon während der Tourneen ihrer Hochphase balancierte Rihanna zwischen tiefenentspannter Coolness und blasierter Ennui, ihre Halbzeitshow treibt die Frage „Wie wenig ist genug?“ nun auf die Spitze. Es gibt keine Gaststars, obwohl Rihanna etliche prominente Kollaborationen vorweisen kann. Es gibt auch keine neuen Stücke, oder andere mögliche Überraschungen (jenseits der Schwangerschaft). Die Musik kommt größtenteils vom Band, wie viel stimmliche Unterstützung dabei war, darüber wird derzeit noch debattiert. Nur einmal spaziert Rihanna kurz an lebenden Musikern vorbei und begrüßt ihrem Gitarristen mit einem Fist Bump. Sie dürfte auch die einzige Künstlerin in der Geschichte des Super Bowls sein, die ihren Auftritt angezogener beendet, als sie ihn begonnen hat.

Nicht, dass man nichts geboten bekäme: zehn Superhits in 13 Minuten, mit kurzen Interpolationen von sieben weiteren. Und dann ertönen, als einzig verblüffende Wahl, die Fanfaren von „All of the Lights“, ihrer Zusammenarbeit mit Kanye West von 2010. Ob sie die nun erfolgreich für sich reklamiert hat, ob das eine Solidaritätsgeste für den Rap-Star war, der sich selbst ins gesellschaftliche Aus befördert hat, oder einfach nur ein weiterer Hit, wer weiß?

Am Ende steht Rihanna wieder auf der Plattform, singt „Umbrella“, singt „Diamonds“, ihre bauschige Jacke hat sich zu einer Art regenfesten Königsmantel entfaltet. Schon schwebt sie hoch über den Tribünen, Tausende von Handylichtern funkeln wie Diamanten. So hat man sich in Science-Fiction-Filmen der 1990er Jahre die Konzerte der Zukunft vorgestellt. Die Diva als technisch verzaubertes Ereignis. Rihanna ist sich selbst genug.

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