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Schauspiel KölnBachmann geht, aber sein Ensemble will in Köln bleiben

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Acht Schauspieler des Kölner Ensembles sitzen, von der Seite fotografiert, nebeneinander auf Klappstühlen im Stück „Früchte des Zorns“ im Depot 2. Sie tragen alle Kostüme aus Jeansstoff.

Das Ensemble des Schauspiels Köln im Stück „Früchte des Zorns“

2024 wechselt Schauspiel-Köln-Chef Stefan Bachmann ans Wiener Burgtheater. Viele Mitarbeiter fürchten sich jetzt vor einem Kahlschlag und wollen bei der Suche nach der neuen Intendanz mitreden.

Als die Mitarbeiter des Schauspiels Köln kurz vor Weihnachten erfuhren, dass ihr Chef bereits ab Sommer 2024 ans Wiener Burgtheater berufen wird, löste das in ihnen gemischte Gefühle aus. „Wir haben uns natürlich erstmal sehr für Stefan Bachmann gefreut“, sagt Schauspielerin Katharina Schmalenberg, „das ist ja auch eine Auszeichnung für unsere Arbeit in Köln.“

Doch gleichzeitig tauchte, ebenso selbstverständlich, die Frage auf, wie es denn nun mit dem Schauspiel Köln und seinem Ensemble weitergehen würde? Zumal es neben dem regulären Schauspiel-Ensemble noch einige andere gibt: das junge Import-Export-Kollektiv, das Senior*innen-Ensemble Oldschool, der Jugendklub Polylux und die in dieser Spielzeit neu gegründete Next Generation, „ein Professionalisierungsprogramm für angehende Darsteller*innen mit kognitiver und/oder körperlicher Beeinträchtigung“. Betroffen vom Intendanz-Wechsel sind u.a. auch die Dramaturgie, das künstlerische Betriebsbüro, die Theater-Pädagogik und die Regieassistenz.

Eigentlich alle künstlerisch Beschäftigten, die über den Normalvertrag Bühne angestellt sind, ein Zeitvertrag, der sich automatisch um ein Jahr verlängert, wenn er nicht rechtzeitig schriftlich aufgekündigt wird. Bislang konnten sie davon ausgehen, bis zum regulären Ende der Intendanz Bachmann, bis mindestens 2026, am Schauspiel Köln zu bleiben. Mietverträge wurden abgeschlossen, andere berufliche Angebote abgelehnt, Kinder geboren oder eingeschult. Mit anderen Worten: Aus Gästen sind Kölner und Kölnerinnen geworden.

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Jetzt, wo die Stadt in aller Eile eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger für Stefan Bachmann finden will, kann sich die berufliche Situation der Betroffenen jedoch schnell ändern: „Wenn jetzt jemand ernannt wird, der den Kahlschlag will“, sagt Dramaturgin Sibylle Dudek, seit 2013 im Kölner Ensemble, „müsste die neue Leitung das Ensemble sehr schnell kündigen, um die Fristen einzuhalten. Das finden wir hart und unzeitgemäß.“

Das Ensemble fordert deshalb, dass die Mitarbeitenden am Findungsprozess der Stadt beteiligt werden. „Wir sind auf die Stadt zugegangen“, erzählt Sibylle Dudek. „Wir haben auch erstmal Gehör gefunden, man hat uns nicht die Tür vor der Nase zugeschlagen.“ Konkrete Zusagen gab es allerdings bislang keine. Obwohl man aus dem Debakel von 2019 lernen könnte, als Carl Philip von Maldeghem in einem undurchsichtigen Verfahren zum neuen Schauspiel-Chef berufen wurde, und nach massiven Protesten aus der Kulturszene schließlich auf das Amt verzichtete. Umso wichtiger sei es diesmal, eine vielfältig besetzte Findungskommission aufzustellen, und sich die Interessen und Erfahrungen der Mitarbeiter anzuhören, um in der Stadt und im Betrieb Akzeptanz für eine neue Leitung zu finden.

Außer man verfährt nach dem befürchteten Kahlschlag-Modell, das ja lange Zeit nicht die Ausnahme, sondern die Regel im deutschsprachigen Theaterbetrieb war: „Hoppla, jetzt komm' ich und mache alles neu!“ lautet hier das Motto. Der erhoffte frische künstlerische Impuls war alles, das zuvor Erreichte galt nichts. Gefunden wurden solche Tabula-Rasa-Intendanten – sie waren und sind weiterhin in großer Mehrzahl männlichen Geschlechts – von „inoffiziellen Königsmachern und Gatekeepern in Hinterzimmern“. So beschreibt es die ehemalige Bonner Schauspieldirektorin Nicola Bramkamp in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Theater heute“.

Das Kölner Schauspiel-Ensemble will bei der Neubesetzung der Intendanz mitreden

Das Kölner Ensemble wünscht sich ein zeitgemäßes Verfahren. Vor allem aber eines, an dem die Menschen, die am Schauspiel Köln arbeiten, mitbeteiligt werden. Das habe es bereits an großen Häusern wie dem Thalia-Theater in Hamburg oder dem Burgtheater in Wien gegeben. Aber auch in den Findungskommissionen für einige kleinere Häuser in Nordrhein-Westfalen – Aachen, Essen, Wuppertal – saßen Leute aus den jeweiligen Betrieben.

„Uns ist klar“, räumt Dudek ein, „dass solche Prozesse ein bestimmtes Maß an Vertraulichkeit brauchen.“ Dennoch blieben Fragen: „Wer entscheidet das? Werden vielfältige Perspektiven eingebunden und gehört? Wer hat Einfluss und warum ist das so? Und wie können unsere Interessen und unsere Expertise als Mitarbeitende vorkommen?“

Sie sind mit ihren Fragen nicht allein. In der gesamten Theaterwelt findet derzeit ein Umdenken statt, werden alte Machtstrukturen kritisch beleuchtet. „Dieses Denken: Jetzt komme ich und muss alles komplett neu erfinden, und zwar ohne mir die Menschen anzuschauen, das finde ich weder nachhaltig noch sozialverträglich, noch irgendwie künstlerisch gerechtfertigt“, sagt Katharina Schmalenberg.

Jahrelang auf die Wiedereröffnung des Schauspielhauses am Offenbachplatz gewartet

Jetzt hat das Ensemble ein Thesenpapier zum gemeinsamen Neustart 2024 verfasst. Darin heißt es unter anderem: „Wir wollen für alle Kolleg*innen, die Köln als Lebensmittelpunkt behalten wollen, eine Perspektive bis mindestens 2026 – und damit ausreichend Zeit, in der sich das Ensemble und die neue Leitung kennenlernen, ins Gespräch und in den Austausch kommen können. Wir wollen die Wiedereröffnung des Schauspiels am Offenbachplatz, auf die wir Jahre gewartet und die wir vorbereitet haben, mitgestalten.“

Dass der Wunsch, zusammenzubleiben und weiterzuarbeiten, so drängend sei, liegt laut Schmalenberg an einer Solidarität und kreativen Lust aufeinander, die sie noch in keinem anderen Ensemble erlebt habe.

Es geht aber nicht allein um persönliche Schicksale, sondern auch um Errungenschaften der Ära Bachmann, von denen auch die Neuzugänge profitieren können. Etwa den gemeinschaftlich entworfenen „Code of Conduct“, ein Verhaltenskodex für respektvolles und diskriminierungsfreies Miteinander. Oder familienfreundlichere Arbeitsstrukturen wie den verbindlich probefreien Samstag.

Und es geht auch um die Wünsche des Publikums. Katharina Schmalenberg erinnert sich gut, wie schwer der Anfang vor zehn Jahren in Köln war, weil die Kölner Zuschauer noch dem Karin-Beier-Ensemble nachtrauerten. „Das hat sich inzwischen komplett umgedreht“, sagt Schmalenberg. „Ich werde mindestens einmal pro Woche auf der Straße angesprochen: ‚Geht ihr jetzt alle weg? Aber wir kommen doch nur Euretwegen nach Mülheim.‘ Da ist eine ganz starke Bindung entstanden.“

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