Schottischer SängerLewis Capaldi flucht und schluchzt im Kölner Palladium

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Capaldi ROLL 1

Lewis Capaldi im Palladium

„Ich bin es so leid, von Leuten auf meinen Körper reduziert werden“, fake-seufzt Lewis Capaldi, nachdem ihm das Publikum im ausverkauften Palladium gefühlte Minuten lang dazu aufgefordert hat, wenigstens die Übergangsjacke auszuziehen. Nein, er werde alles anlassen, sagt Capaldi, auch wenn er schwitze „like a bloody pig“. Und wieder ein Lacher.

Das vorgebliche Sexsymbol sieht in seinem rosa XL-Hoodie ein wenig aus wie der uneheliche Sohn von Gunter Gabriel und Angela Merkel und hat das Timing eines seit Jahrzehnten tingelnden Stand-up-Comedian. Das hat sogar einen wahren Kern: Angeblich hat Capaldi schon im Alter von zwölf Jahren damit begonnen, in Pubs zwischen Zapfhahn, Dartscheibe und redseligen Trunkenbolden aufzutreten. Weshalb der nun 23-jährige Schotte wohl auch flucht wie ein Bierkutscher.

Capaldi singt Liebesballaden

Sein Set hat er mit der Ansage „Ich werde jetzt mein Album spielen, „and that‘s fucking it“ begonnen. Aber zwischen den Flüchen und den Witzen und dem launigen Hin und Her mit überenthusiastischen Zuruferinnen aus dem Publikum („Ich liebe Dich auch, aber auf eine weniger aggressive Art“) singt Capaldi eine herzzerreißende Liebesballade nach der anderen, und wenn es keine Liebesballade ist, ist es eine Midtempo-Nummer über das unvermutete (für ihn) Ende einer Beziehung.

So flapsig und selbstironisch wie Capaldi zwischen den Songs daherkommt, so hochemotional sind seine Lieder, und seine aufgeraute Stimme vermittelt den Eindruck, als würde er seine Texte weinen.

Capaldi ROLL 2

Lewis Capaldi

Die selbstgeschriebenen Songs sind Qualitätsradiofutter, irgendwo zwischen Ed Sheeran, George Ezra und dem Rag‘n‘Bone Man. Man könnte sie beinahe austauschbar nennen, füllte sie Capaldi nicht bis zum Rand mit seiner einnehmenden Persönlichkeit: „Ich hatte mich gerade irgendwie daran gewöhnt jemand zu sein, den du liebtest“ singt er in seinem größten Hit „Someone You Loved“. Und was passiert, als der Ärmste endlich bereit ist, sich ihrer Liebe wert zu fühlen? Sie ahnen es.

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Allzu groß muss das Mitleid freilich nicht ausfallen, der Song brachte Capaldi seine erste US-Nummer-Eins ein, was schon mal sehr viel mehr ist, als Robbie Williams jemals geschafft hat. In Köln spielt Capaldi ihn erwartbarerweise zum Abschluss des rund 80-minütigen Sets. Als Capaldi und seine Musiker kurz aussetzen, schallt ihnen der Text aus Tausend Kehlen entgegen.

Woraufhin der Geschmeichelte noch einmal extra viel souliges Gefühl in den Refrain legt. Dann eilt er mit letzten freundlichen „Fucks“ in alle Richtungen von der Bühne. Die Übergangsjacke ist angeblieben. 

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