Die schwarze Hamburgerin Marie Nejar überlebte das Nazi-Regime als Filmdarstellerin. Jetzt ist sie mit 95 gestorben. Im Duett mit Peter Alexander wurde sie zum Schlagerstar „Leila Negra“.
Schwarze NS-Zeugin totWie Marie Nejar als Ufa- und Schlagerstar in Deutschland überlebte

Die deutsche Schlagersängerin und Schauspielerin Marie Nejar.
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„Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere“, singen Peter Alexander und Leila Negra im Duett. Ganz Deutschland pfeift den Schlager mit. Es ist das Jahr 1954, der österreichische Sänger ist dem Publikum noch unbekannt. Die kleine schwarze Frau mit der hohen Stimme, um die er schützend seinen Arm gelegt hat, hält es fälschlicherweise für ein Kind. Dabei ist sie nur vier Jahre jünger als er.
Den rassistisch angehauchten Namen Leila Negra verpasst ihr der Zarah-Leander-Komponist Michael Jary („Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh'n“, „Davon geht die Welt nicht unter“), eigentlich heißt sie Marie Nejar. Da hat die Tochter einer Hamburger Musikerin und eines Schiffsstewards aus Ghana bereits eine elfjährige „Karriere“ im Schaugeschäft hinter sich. Bei ihrer Berufswahl hat Nejar wenig mitzureden. Mit vier Jahren wird das Mädchen aus St. Pauli 1934 für Paul Linckes Afrika-Operette „Grigri“ entdeckt.
Bald darauf greifen die Nürnberger Gesetze, die weitere Schulbildung wird Nejar versagt, sie muss zur Zwangsarbeit in die Keksfabrik. Von der befreit sie erst Joseph Goebbels. Der Propagandaminister sucht nach Darstellern für sogenanntes Buschvolk in Ufa-Filmen. Nejar fächelt Hans Albers als Baron Münchhausen mit Palmwedeln Luft zu, spielt neben Heinz Rühmann in „Quax in Afrika“. Sie muss oben ohne auftreten, es ist ihr peinlich.
Mit zehn Jahren war sie noch glühender Hitlerfan
Mit zehn Jahren sei sie noch glühender Hitlerfan gewesen, erst mit 14, rekapituliert Nejar später, sei ihr klar geworden, dass Menschen ihrer Hautfarbe stets als „Trottel“ gezeigt wurden.
Das wird nach Ende des Nazi-Regimes nicht besser: Sie muss sich als 15-Jährige ausgeben und mit einem großen Teddybären im Arm auftreten. Viele der Lieder, mit denen sie es ins Mittelfeld der Hitparade schafft, sind offen rassistisch: „Zwölf kleine N... lein“ oder „Mach nicht so traurige Augen, weil du ein N... lein bist“. So nennt sie später ihre Lebenserinnerungen.
Bereits 1957 hatte sie die ungeliebte Karriere beendet und zur Krankenschwester umgeschult. Erst nach Renteneintritt ging sie wieder an die Öffentlichkeit, um von ihrem Leben – und Überleben – als schwarze Deutsche zu berichten. Am 11. Mai ist Marie Nejar mit 95 Jahren in Hamburg gestorben.