Die junge Musikerin und Komponistin Jorik Bergman erhält in diesem Jahr den Jazzpreis der Stadt Köln – aktuell ist sie auf zahlreichen Konzerten in der Stadt zu erleben.
Jazzpreis der Stadt KölnDie vielen Talente der Jorik Bergman

Die Flötistin Jorik Bergmann erhält den Kölner Jazz-Preis
Copyright: Anna Ibelshäuser
Jorik Bergman eröffnet ihre Website mit einer eindrucksvollen Visitenkarte: Ein knapp 15-minütiger Konzertmitschnitt aus der Düsseldorfer Jazzschmiede zeigt die Big Band der jungen Flötistin, Orchesterleiterin und Arrangeurin, wie sie deren Komposition „Pink Sand“ aufführt – ein aufregendes Musikstück, reich an Finessen, voller Energie und Temperament. Während Jorik Bergman dirigiert, sieht man sie nur von hinten, und doch ist sie in jeder Sekunde präsent: So sparsam wie leidenschaftlich gibt sie dem Orchester die Einsätze, während sie an markanten Stellen zur Querflöte greift und die Musik förmlich in ein schillerndes Klangmeer verwandelt.
Als Komponistin, sagt Jorik Bergman, ist sie immer auch Musikerin und will mitten im Geschehen ihrer Band sein. Mit jedem Projekt ist sie bemüht, die Ziele höher zu stecken, und sucht nach Möglichkeiten, ihre Musik noch vielfältiger, interaktiver, interdisziplinärer, kreativer und unkonventioneller zu gestalten. Wobei sie nicht minder versucht, „die Musikerinnen und Musiker, mich selbst und das Publikum bei Laune zu halten“. Dass ihr dies vorzüglich gelingt, belegen etliche Auszeichnungen, zu denen nun eine weitere hinzukommt: Jorik Bergman wird in diesem Jahr mit dem von der Horst und Gretl Will-Stiftung finanzierten Förderstipendium für Jazz/Improvisierte Musik der Stadt Köln ausgezeichnet. Dieses auch als „Jazzpreis der Stadt Köln“ bekannte Stipendium ist mit 12.000 Euro dotiert.
Eine im Jazz rare Stimme
Damit reiht sich die 1996 in Leiden geborene Niederländerin, die seit fünf Jahren in Köln lebt, in die Liste renommierter Musizierender ein, die den Preis zuvor erhielten, etwa Hayden Chisholm, Nils Wogram, David Helm, Theresia Philipp, Felix Hauptmann und Fabian Dudek. „Die Qualität und Originalität sowie die farbige Differenziertheit ihrer kompositorischen Arbeit für größere Ensembles sind außergewöhnlich“, lobt die Jury, „und als Flötistin repräsentiert sie eine eigene und im Jazz-Kontext eher rare Stimme.“ Zugleich richte Jorik Bergman das Augenmerk auf die Arbeit, die es bedarf, um „größere Ensembles auf freiberuflicher Basis zusammenzuholen, aufrechtzuerhalten und mit Spielanlässen, Musik und Auftrittsmöglichkeiten zu versorgen“.
Tatsächlich mag die Querflöte im Jazz eine eher „rare Stimme“ sein, gleichwohl wäre der Jazz ohne sie weit ausdrucksärmer. Subtil und pointiert setzt Jorik Bergman Flöten im Holzbläsersatz ihres Ensembles ein, das sie als „large, imaginary, big band constellation“ bezeichnet, und zugleich nutzt sie ihre Querflöte als charaktervolle Solostimme. Wobei sie selbst nicht immer dominant in ihrer Musik stattfinden muss: Den zweiten Teil von „Pink Sand“ arrangiert sie als energetische Passage um den fantastisch aufspielenden Saxofonisten Tobias Haug und kehrt erst zum Ausklang zur Querflöte zurück, sanft, ja besänftigend, sphärisch, auch ein wenig geheimnisvoll.
Eine Palette an melodischen Finessen und emotionaler Improvisationskraft
Die Palette an melodischen Finessen und emotionaler Improvisationskraft zeigt sich besonders auch in ihren Duo- und Trio-Konstellationen. Mit dem belgischen Saxofonisten Nicolas Kummert bestritt sie ihr erstes Konzert als NICA-Stipendiatin, mit der Pianistin Clara Vetter gründete sie das Projekt Jocra Likra, in ihrem eigenen Trio interagiert sie kongenial mit Pianist Simon Below und Bassist Victor Gelling. Ihre (nicht nur im Trio gespielte) Komposition „Me and My Kite“ hält, was der Titel verspricht: Die federleichte Melodie schwebt nuancenreich dahin, steigt empor, ohne sich einfangen zu lassen. Stilgrenzen sind Jorik Bergman eher fremd, so selbstbewusst wie enthusiastisch entfaltet sie ihre Klangsprache. Verspielt schlägt sie Brücken zwischen Barock, Klassik, Folklore und Jazz und folgt doch stets intuitiv den Schwingungen ihres Instruments. Sie stapelt Frequenzen, lässt die Luft schwingen, tupft Klanggemälde, mal impressionistisch, mal expressiv jazzig, mitunter mit Referenzen an den von ihr hochgeschätzten Eric Dolphy.
Nicht minder genresprengend setzte sie sich mit Charles Mingus und seiner Suite „The Black Saint and the Sinner Lady“ auseinander. Für Saxofonist und Sun Ra Arkestra-Legende Marshall Allen schrieb sie das Streicherarrangement zu dessen Stück „African Sunset“, das auf dem Album „New Dawn“ zu hören ist. Während eines New-York-Aufenthalts ergab sich eine Improvisation mit Saxofonist Jordan Young und Pianist Emanuel Ruffer, das im Internet zu bewundern ist: als stupendes Zeugnis eines respektvollen Miteinanders, wie es vielleicht nur im Jazz möglich ist, zugleich als Beleg für die stilistische Offenheit der Flötistin, die längst ihre eigene Stimme gefunden hat.
Stets im empfindlichen Gleichgewicht
Neben so viel Freiheit gibt es noch eine andere, „strengere“ Seite der Musikerin: Fürs Week-End Fest arrangierte Jorik Bergman das Stück „Stay On It“ des US-amerikanischen Pianisten, Sängers und Tänzers Julius Eastman (1940-1990), dessen seinerzeit provokante „organische Musik“ sie mit einem Oktett (u.a. mit Luise Volkmann, Johanna Klein und Maripepa Contreras) aufführt. Inzwischen kam auch Eastmans Stück „Femenine“ zur Aufführung: Das ausufernde, ostinativ-minimalistische Klangprojekt baut zunehmend Energie auf, um final zu einer Ruhe zu finden, die etwas Reinigendes hat.
Nicht nur mit ihrem Eastman-Projekt setzt Jorik Bergman vertrauensvoll auf die Kompetenz ihrer handverlesenen Mitmusiker. Auch ihre Big-Band-Kompositionen konzipiert sie mit Vorliebe maßgeschneidert für einzelne Mitglieder: Im Stück „The Way Of The Sub“ (fürs Subway Jazz Orchestra) rückt Baritonsaxofonist Heiko Bidmon ins Zentrum, Posaunist Philipp Schittek prägt die Komposition „The Road with a Thousand Giraffes“, während Tenorsaxofonist Jens Böckamp das Stück „The Maintaining of Absolute Buoyancy” veredelt. Dabei ist der Titel programmatisch: Der Begriff „Absolute Buoyancy“ umschreibt den Zustand eines schwerelos im Wasser schwebenden Tauchers, was ein empfindliches Gleichgewicht aus kontrollierter Gewichtsverteilung, Atmung und Körperhaltung voraussetzt – was könnte auch die Musik von Jorik Bergman schöner beschreiben?
Unermüdlich strebt Jorik Bergman nach dem besten vorstellbaren Resultat, neugierig, mitunter selbst ein wenig staunend über ihre Entdeckungen. Jetzt steht eine neue, diesmal „elektrische“ Besetzung im Rahmen ihrer NICA-Auftritte an: Ihr groove-basiertes Projekt „Take me to Space“ lädt zur Weltraumreise ein und will die Erdhaftung musikalisch hinter sich lassen. Im Rahmen der Cologne Jazzweek folgt dann ihr Konzert zum Kölner Jazzpreis, und bereits die Besetzung ihres Nonetts mit Martin Gasser, Jen Böckamp, Kira Linn, Matthias Bergmann, Shannon Barnett, Clara Vetter, Reza Askari und Alexander Parzhuber lässt aufhorchen. Der Titel „Perennial Potpourri“ verspricht „mehrjähriges Allerlei“ – dass Jorik Bergman dabei lediglich nostalgisch zurückschauen könnte, darf man definitiv ausschließen.
„Take Me To Space”, Jorik Bergman mit Teis Semey (E-Gitarre), Felix Hauptmann (Keyboard, Rhodes), Louise van den Heuvel (E-Bass), Alexander Parzhuber (Schlagzeug). 18.8., 20 Uhr, Stadtgarten
Kirby Bangkok „Arcade-Party-Jazz” (u.a. mit Jorik Bergman). 19.8., 20 Uhr, artheater
Subway Jazz Orchestra: Cologne Jazzweek Special. Mit einer Komposition von Jorik Bergman. 2.9., 20 Ihr, Club Subway
„Perennial Potpourri“. Jorik Bergman, Konzert zum Jazzpreis der Stadt Köln an. 5.9., 20 Uhr, Stadtgarten