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Siedlungsbau
Kölner Architekturbüro glänzt mit neuen Konzepten

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Die vielfach prämierte Reihenhaus-Siedlung Buchheimer Weg in Ostheim

Die vielfach prämierte Reihenhaus-Siedlung Buchheimer Weg in Ostheim

Köln – Alles schon mal dagewesen. Die Menschen zieht es in die Städte, und die fangen hektisch an zu bauen. Was daraus im schlechtesten Fall entstehen kann, lässt sich auch in Köln besichtigen: ausfransende Stadtränder, öde Schlafstädte, verwahrloste Mietshaussiedlungen und ein Kölnberg, der eigentlich ein hochgestapelter Wohnturm ist. Zur Stadtplanung nach dem Motto „Aus den Augen, aus dem Sinn“ möchte heute niemand mehr zurück. Aber die drängenden Fragen bleiben: Wie bauen? Und wo?

Astoc gibt zwei prämierte Antworten

Es sind Fragen, mit denen sich das Kölner Architektur- und Planungsbüro Astoc schon seit längerer Zeit beschäftigt und auf das es in seiner Heimatstadt zwei prämierte Antworten gegeben hat: Die Siedlung Grüner Weg entstand auf einer alten Industriebrache in Ehrenfeld, die Siedlung Buchheimer Weg auf den Trümmern eines in den 50er Jahren in Ostheim gebauten Arbeiterquartiers. „Am Buchheimer Weg“, so Jörg Ziolkowski, „wurde die Nachfrage nach Luft und Sonne in der ursprünglichen Planung erfüllt. Aber irgendwann fühlte sich niemand mehr für die Freiflächen verantwortlich.“ In drei Abschnitten wurden die 18 GAG-Reihenhäuser in Zeilenbauweise abgerissen und durch Neubauten ersetzt, denen die Astoc-Architekten jeweils einen Knick gaben. Durch diesen Eingriff und die aufgelockerte Anordnung der Gebäude entstanden halboffene Höfe, die aus sinnlosem Abstandsgrün wieder Freiflächen für die Bewohner machten. Als Ensemble ähneln die Häuser einer beschützenden Geste, ohne dass sich die Höfe gegen die Außenwelt abschotten würden.

„Wir haben uns dazu verpflichtet, den Charakter der Siedlung interpretiert weiterzubauen“, sagt Peter Berner, wie Ziolkowski Geschäftsführender Astoc-Gesellschafter, über den Buchheimer Weg. Bei den Wohnungen habe sich – abgesehen von der Grundfläche – seit den 50er Jahren gar nicht so viel getan, denn im geförderten Wohnungsbau seien die Qualitätsziele sehr genau beschrieben. Dafür, so Berner, hätten sich „die Ansprüche an das Wohnumfeld verändert: „Es braucht eine vernünftige Mischung aus Wohn- und Freiflächen, an Bautypen sowie in der Alters- und Einkommensstruktur der Bewohner, das sorgt für Stabilität.“ Dann komme noch eine Unbekannte hinzu: „Was brauche ich an sozialer Infrastruktur? Wie gehe ich mit Mobilität um, wie halte ich Stadträume die gesamte Woche über attraktiv, wenn die Bewohner tagsüber ausgeflogen sind?“

All dies sind Fragen, die auch schon die Kölner Architekten der 1920er Jahre umtrieben. „In den Riphahn-Siedlungen gab es Ecklokale für den Krämerladen“, so Berner. „Den Krämer gibt es heute aber nicht mehr. Man muss die Erdgeschosse anders beleben.“ Am Grünen Weg finden sich deswegen neben 241 Wohnungen auch Büros und Gewerbe, ein Kindergarten sowie ein Theatersaal.

Astoc entwickelte sich aus einer Studenten-AG

Im Kern entwickelte sich Astoc aus einer Studenten-AG an der Hochschule Aachen, mittlerweile arbeiten rund 70 Mitarbeiter an Projekten in aller Welt. In Hamburg entstand der alte Holzhafen mit Büro- und Wohnhäusern neu, in Frechen setzte Astoc Lofts in eine entkernte Brikettfabrik der Grube Carl, und für ein gigantisches Finanzzentrum vor den Toren Moskaus entwarfen die Kölner gemeinsam mit dem Düsseldorfer Architekturbüro HPP den Masterplan. Solche Großprojekte auf der grünen Wiese sind für Astoc eher untypisch – das Büro ist vor allem auf die Erschließung innerstädtischer Industrieareale spezialisiert –, die Zusammenarbeit mit anderen Architekturbüros gehört dagegen zum besonderen Astoc-Selbstverständnis. „Wir haben keine Stilvorgaben“, sagt Ziolkowski, „wir versuchen die Gestalt aus dem Ort und der Aufgabe heraus zu gewinnen.“

Ein anderes Kernthema bei Astoc ist das Wechselspiel von Architektur und Stadtplanung. „Ein Projekt ist gelungen, wenn das neue Gebäude die Umgebung besser funktionieren lässt und das Haus vom Umfeld profitiert“, so Berner. Zudem sei Astoc „für keine Aufgabe fies“. Jedes Bauvorhaben habe man einmal zum ersten Mal und ohne Standardlösungen gemacht.

Gerade fürs gute Wohnen in Siedlungen gibt es keine Patentrezepte, denn der Architekt kennt die Bewohner lediglich als statistischen Wert. Die besondere Kunst des Wohnungsbaus liegt deshalb darin, allgemeine Lösungen zu finden, in denen sich der Einzelne geborgen fühlen kann. Oder mit Jörg Ziolkowski gesprochen: „Beim Wohnen kann jeder mitreden, denn jeder wohnt.“

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