Im neuesten Tatort „Bauernsterben“ wird der Chef eines Schweinebetriebs im Stall tot aufgefunden. Der gelungene Krimi zeigt mehrere Generationenkonflikte um Bauern, Unternehmer und Aktivisten.
So war der Tatort aus WienHier fressen die Schweinchen den bösen Wolf

Harald Krassnitzer (Moritz Eisner), Adele Neuhauser (Bibi Fellner) bei einer Demo der Tierschutzaktivistin Maria Vogler (Claudia Martini)
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Im neuesten Wiener Tatort mit dem Titel „Bauernsterben“ geht es raus aufs Land. Der Chef des Betriebs, Max Winkler, wird tot im Schweinestall des Schoberhofs aufgefunden. Die Schweine nehmen schnell die Gelegenheit wahr, ihren Speiseplan etwas abwechslungsreicher zu gestalten. Getötet haben sie Max aber nicht, ein starker Schlag auf den Hinterkopf ist die Todesursache.
Der Vorarbeiter Sepp Obermeier (Martin Leutgeb) begrüßt die Ermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) auf dem Hof und zeigt ihnen den Ort des Mordes. Die fehlerhafte automatische Steuerung wird ihnen aber zum Verhängnis. Nicht nur verhalf sie zuvor ein paar Schweinen bei einem Ausbruchsversuch, mit der Sprinkleranlage im Stall vernichtet sie direkt auch ein paar Spuren.
„Tatort“ aus Wien: Fall „Bauernsterben“ ist ein Schweinestall der Tatort
Die Schweine, die sich an Max Winkler bedient haben, werden notgeschlachtet, um an ihren Mageninhalt zu kommen. Darin sind vor allem ein paar Wertsachen, aber auch ein ominöser Reißverschluss, den die Ermittler noch nicht zuordnen können.
Es ergeben sich trotzdem einige Verdachtsmomente. Da wäre der rumänische Arbeiter namens Darius Petresko (Marko Kerezovic), den die übereifrige Dorfpolizistin Renate Hofmüller (Karin Lischka) direkt wegen angeblicher Fluchtgefahr verhaftet („Bei denen weiß man nie!“). Eigentlich ein Vorzeige-Arbeiter, sitzt aber auch auf gepackten Koffern, weil er für die Hochzeit seiner Schwester in die Heimat will. Die Polizisten erteilen dem eine klare Absage.
Eisner und Fellner ermitteln gegen Agrarkonzern
Aber auch ein Gespräch mit Max Winklers Frau Irene (Doris Hindinger), die sich aus Rache an den gefräßigen Schweinen ordentlich mit Wurst vollstopft, bringt sie auf eine Spur. Offenbar gab es Streit unter den Eheleuten, weil Max etwas verheimlichte. Er wollte reinen Tisch machen, bevor er starb. Und Irene weiß, dass seine Partnerschaft mit dem Megakonzern Agrar Nuovo ihn wegen einer gemeinsamen bulgarischen Futterfabrik viel Geld gekostet hatte. Stand ein Verkauf des Betriebs im Raum? Jedenfalls nicht, wenn es nach Max Schwiegervater Alois (Haymon Maria Buttinger) ging. Der hatte seiner Tochter und ihrem Mann den Hof erst überlassen, und in seiner Familie sollte er auch bleiben.
Eisner und Fellner versuchen sich bei Agrar Nuovo zu erkundigen, aber der Eigentümer, mit dem Max Winkler verhandelt hatte, hat die Geschäfte der CEO Marlene Duchkowitsch (Maxi Blaha) überlassen. Die gibt der Polizei keine Infos zum Deal. Die Dokumente zur gemeinsamen Futterfabrik, die in Konkurs ging, seien ohnehin mit der Fabrik in Bulgarien abgebrannt.
„Tatort“ aus Wien beleuchtet auch Aktivismus
Dann entdecken Eisner und Fellner, dass Aktivisten ein Silo des Schoberhofs mit dem Wort „Mörder“ besprüht haben - Sepp hatte das Graffito zuvor mit einer Plane abgedeckt. Das bringt sie auf die Spur der Aktivistin Maria Vogler (Claudia Martini), die in der Stadt regelmäßig gegen die Fleischindustrie demonstriert. Unter ihren Mitstreiterinnen befindet sich auch Mina Truschner (Julia Wozek). Wie sich herausstellt, ist sie ein Hacker-Ass und könnte für die technischen Störungen im Schoberhof verantwortlich sein.
Indes versucht der rumänische Arbeiter Darius sich tatsächlich mit einigen Ferkeln in seine Heimat abzusetzen, die Dorfpolizistin verhindert es. Er kann gegenüber Fellner und Eisner aber glaubhaft versichern, dass Winkler ihm die Ferkel überlassen wollte, damit seine Familie in Rumänien einen Neuanfang machen kann. Denn alles Land sei dort von Agrar Nuovo aufgekauft worden, wodurch viele ihre Jobs verloren hätten.
Die Kommissarin Fellner vertraut sich einer Hackerin an
Eisners EU-Kontakte erhärten weiter die Betrugsvorwürfe gegen den Konzern. Offenbar ist eine anonyme Anzeige eingelaufen, die von einem Missbrauch von EU-Fördergeldern spricht. Hatte Winkler die Anzeige aufgegeben, um sich gegen Agrar Nuovo zu wehren? Der war dafür zu feige, erklärt sein Schwiegervater Alois, der sich als Urheber der Anzeige outet. Er sei mit Max in Streit darüber geraten, dann sei aber im Schoberhof der Alarm losgegangen. Max musste los, er habe ihn nicht weiter behelligt.
Mit diesem Verdacht können die Ermittler eine Hausdurchsuchung bei Agrar Nuovo rechtfertigen. Sie können aber einige verschlüsselte Daten nicht einsehen. Bibi Fellner bittet die Aktivistin Mina um Hilfe. Die Hackerin kommt tatsächlich an die Daten und die Betrugsvorwürfe sind bewiesen - sie ist aber schwer enttäuscht, als keine Konsequenzen folgen. Fellner betont, dass es noch lange dauern könnte, bis die Verantwortlichen hinter Gitter kommen. Mina fühlt sich hingehalten, und will stattdessen ein starkes Zeichen setzen. Dafür zündet sie sich direkt vor dem Gebäude des Konzerns selbst an. Zwar kann ein Mann die Flammen löschen, aber ihre Verletzungen sind lebensbedrohlich.
Am Ende ist der Bauer der Mörder
Als Fellner und Eisner daraufhin Minas Zimmer durchsuchen, finden sie heraus, dass an ihrer Laptoptasche ein Reißverschluss fehlt. Sie fahren zu Sepp Obermüller, der sich als Minas Vater herausstellt. Der hat voller Trauer um seine in Lebensgefahr schwebende Tochter die Schweine rausgelassen und sich unter ihnen auf einen Plastikstuhl hingesetzt. Nach dem Tod seiner Frau sei Mina zu seiner Schwägerin gegangen. Er erinnert sich noch an ihre Worte: „Ich will nicht mehr zum Papa. Der Papa ist ein Mörder“. Er wusste von vorneherein, dass sie für die Störung der Elektronik im Hof verantwortlich ist.
Deswegen bat er sie, zum Schoberhof zu kommen und den Schaden zu reparieren, weil die Schweine dadurch gestresst würden. Doch als sie das tat, löste sie den Alarm aus und traf auf Max Winkler, der sie voller Wut angegangen sei. Deswegen habe Sepp seinen Chef erschlagen. „Ich kann das doch nicht zulassen. Ich bin doch ihr Vater.“ Fellner und Eisner wollen den Geständigen mitnehmen, doch der bittet darum, noch etwas bei den Schweinen sitzen zu dürfen.
Fazit zum „Tatort“ aus Wien unter Schweinen
Im starken Drehbuch von Lukas Sturm ergeben sich im Clash von Fleischfressern und Veggies gleich mehrere Generationenkonflikte. Da ist die junge Aktivistin, die ihren Vater wegen seines Berufs als Mörder ansieht, der aber auch die ältere Aktivistengarde angesichts eines sterbenden Planeten schlichtweg zu langsam ist, weswegen ihre Isolation sie zu verzweifelten Taten treibt. Da ist der alte Bauern-Patriarch Alois, dessen Hof seit Generationen in seiner Familie ist und ihn nun einer neuen Generation überlässt, die global denkt anstatt regional.
Und dieser Konflikt wird fast fair dargestellt. Man leidet mit Sepp und seiner Entfremdung zu seiner Tochter mit. Man glaubt ihm irgendwie, dass er will, dass es den Schweinen gut geht (zumindest bis zum Tag der Schlachtung). Aber man fühlt auch mit Mina mit, die im Betrieb groß geworden ist, das Leid der Tiere kaum ertragen kann. Ihre Erinnerungen werden wirksam durch dokumentarische kurze Einblendungen inszeniert, die das Tierleid in Schlachthöfen zeigen. Bis auf diese kleinen Experimente bleibt der Tatort aber sehr konventionell in seiner Inszenierung.
Alles in allem kommt die Fleischfraktion noch etwas zu gut dabei weg, besonders wenn Eisner die Aktivistin Vogler für den Mord verantwortlich machen will (sie stachle die Leute mit aggressiven Reden an). Und Aktivismus wird letztlich entweder als unwirksam (Vogler) oder als Abdriften in eine krankhafte, verzweifelte Selbstzerstörung beschrieben (Mina). Der Ausflug auf EU-Ebene und in die Welt der ganz großen Player ist alles in allem, weil nur Nebenschauplatz, weniger überzeugend als die Geschichten der Familien.
Trotzdem überzeugt der Tatort „Bauernsterben“, der in seiner schwarzhumorigen Ironie um Fressen oder gefressen Werden auch die kapitalistische Gier eines Großkonzerns in das Thema einbindet. Der Krimi greift also gesellschaftlich relevante Themen auf und weiß damit zu unterhalten. Und ist das etwa ein Veggie-Wink zum Abschluss, wenn der Schweinebauer am Ende der Mörder ist?