So wird der „Tatort“Eine heile Welt sieht anders aus

Eine Szene, die Martina Bönisch (Anna Schudt) zum Verhängnis wird. Bei der Festnahme eines Verdächtigen entsteht der Eindruck, sie sei rassistisch. Im Netz wird das Bild tausendfach geteilt.
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Dortmund – Eine Festnahme ist für eine Polizistin Alltag. Ja, vielleicht geht Martina Bönisch (Anna Schudt) etwas ruppig mit Hakim Khaled (Shadi Eck), der mit seinen Eltern aus dem Irak nach Deutschland kam, um, aber der junge Mann steht im Verdacht, eine schwangere Nachbarin ermordet zu haben.
Doch Fotos und Videos von der Festnahme fluten bereits kurze Zeit später die sozialen Netzwerke. Die einen feiern Bönisch als Vertreterin einer "Hart durchgreifen"-Linie und beschimpfen den jungen Verdächtigen wegen seiner Herkunft. Die anderen wiederum werfen Bönisch vor, Rassistin zu sein.
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„Tatorte“ gibt es viele: klassisch, experimentell, spannend oder doch eher langweilig? In unserer Vorschau erfahren Sie immer bereits ab Samstag, wie der kommende „Tatort“ werden wird.
Direkt im Anschluss an jede Sendung am Sonntagabend folgt dann unsere „Tatort“-Kritik.
Die Fronten sind verhärtet und die Stimmung aggressiv im Gerberzentrum, einer Hochhaus-Siedlung in Dortmund. Als bekannt wird, dass eine junge Frau erschlagen und verbrannt wurde, fehlt nur noch ein winziger Funke, um das Pulverfass explodieren zu lassen. Und dieser Funke ist ausgerechnet das Video von Bönischs Festnahme.
Die von Anna Schudt wie immer großartig gespielte Kommissarin kommt mit den Anschuldigungen um dem Druck kaum klar. Irgendwann wird sie auch körperlich attackiert. Peter Faber (Jörg Hartmann), der ja sonst eigentlich nicht durch große Emotionalität auffällt, bemüht sich plötzlich rührend unbeholfen um die Kollegin, muss aber feststellen, dass diese sich bereits von einem anderen Mann trösten lässt.
Überhaupt zeigt Faber eine ganz neue Seite. Mit einem Mann, der seine Wohnung verloren hat und nun in seinem geschlossenen Computerladen wohnt, betrinkt er sich und entwickelt fast so etwas wie Freundschaftsgefühle. So kennt man ihn gar nicht.
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Und dann ist da ja auch noch die Neue im Team: Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) tritt die Nachfolge von Nora Dalay (Aylin Tezel) an, die in der Jubiläumsfolge die Brocken hinwarf. Zwar ist so viel los in diesem Fall aus Dortmund, dass die neue Kommissarin relativ wenig Raum erhält, doch Rosa Herzog scheint ein interessanter und ausbaufähiger Charakter zu sein.
Bei der Suche nach dem Mörder der jungen Frau gibt es die genretypischen falschen Fährte, wie etwa den zwielichtigen Hausmeister der Anlage, aber eigentlich geht es "Heile Welt" um etwas ganz anderes: Der Krimi von Autor Jürgen Werner und Regisseur Sebastian Ko zeigt eindringlich, welche Wirkmacht die sozialen Medien haben und wie leicht man im Gewirr von linker und rechter Stimmungsmache verloren gehen kann. Dagegen war Katharina Blum eine eher harmloser Fall.
Am Ende eskaliert die aufgestaute Wut und mündet in ein fulminantes Finale, das die Straßenschlachten mit eindrucksvollen Bildern (Kamera: Philipp Kirsamer) einfängt. Einzig die Rede, die Bönisch im Vorfeld der Krawalle hält, ist doch sehr von "Lasst euch nicht aufhetzen"-Floskeln geprägt. Aber alles in allem ein guter, intensiver "Tatort".