James Gunn will mit „Superman“ das DC-Universum neu starten. Und provoziert jede Menge Backlash von der Trump-Fraktion.
Streit um „Superman“-FilmDer netteste Immigrant als politische Zumutung

David Corenswet als Superman
Copyright: Warner Bros. Pictures
„Sie haben sich immer in mir geirrt“, klagt David Corenswet in seiner Rolle als „Superman“. Die Neuauflage des ersten aller Superhelden ist gerade in den Kinos angelaufen. „Ich liebe“, fährt Corenswet fort, „und bekomme es ab und an mit der Angst zu tun. Das ist nur menschlich. Und das ist meine größte Stärke.“ In der Interpretation von Autor und Regisseur James Gunn ist Superman amerikanischer als jeder Amerikaner, menschlicher als jeder Mensch. Ein unmöglicher Mensch, ein Übermensch. Zu gut für diese Welt. Sogar ein wenig unheimlich. Gehört so jemand überhaupt hierher?
Glaubt man seiner Nemesis, dem Multimilliardär Lex Luthor, ist dieser Supertyp ein Eindringling. Ein illegaler Immigrant, der uns Erdlingen Ressourcen streitig macht, Luthors mühsam erarbeiteten Status gefährdet. Einem, der sich nur faul in der Sonne aalen muss – aus ihren Strahlen bezieht der Mann vom Planeten Krypton seine Superkräfte –, um ihn zu überflügeln. Der neidgeplagte Superreiche schürt einen furchtbaren Verdacht: Ist das Alien mit der schwarzen Stirnlocke von seinen Eltern mit dem Ziel, sich die Urbevölkerung zu unterjochen, in die Fremde geschickt worden?
Marvel hat das Filmuniversum von DC um viele Milliarden Dollar deklassiert
James Gunn ist nicht nur Regisseur des neuen „Superman“-Films, das Filmstudio Warner Brothers hat den Mann hinter Marvels vergnüglichen „Guardians of the Galaxy“-Filmen zum Verantwortlichen für sein gesamtes DC-Universum berufen. DC, Detective Comics – verlegerische Heimat der beiden ersten und größten Superhelden, Superman und Batman – ist Vorbild und zugleich ewiger Konkurrent von Marvel Comics. Doch an den Kinokassen hat DC den Zweikampf gegen die Marvel-Heroen in den vergangenen Jahren verloren. Ein Blick auf die Einspielergebnisse: Es steht 7,2 Milliarden Dollar (DC) gegen 32 Milliarden (Marvel).
Gunn hat also keinen x-beliebigen Superheldenfilm gedreht, er setzt jetzt die Tonart für die kommenden Jahre. Hat die künstlerische und kommerzielle Flaute des „Marvel Cinematic Universe“ eine Lücke für DC hinterlassen? Oder ist das Genre des Superheldenfilms im Ganzen fürs Erste auserzählt?
Der ideologische Einsatz ist noch mal höher: Superman schwingt seit 1938 die Fäuste für „truth, justice and the American way“. Er verkörpert Amerikas Ideale, die Geschichten, die sich das Land über sich selbst erzählt. Ein Fremder, der seine Mitbürger an die ins Abseits geratenen Werte erinnert, auf denen sie ihr Gemeinwesen gegründet haben. Gunn hat sich im Vorfeld klar positioniert: „Superman ist die Geschichte Amerikas“, erklärte er. „Ein Einwanderer, der wie die meisten Menschen, die dieses Land bevölkern, von einem anderen Ort kam. Für mich ist es vor allem eine Geschichte, die sagt, dass die Menschenliebe ein Wert an sich ist. Etwas, das wir verloren haben.“
Prompt erregt sich der Maga-Mob auf Fox-News („Superwoke“) über ein harmloses Comic-Abenteuer, das sich vordringlich an Zwölfjährige und die Zwölfjährigen in uns allen richtet. Gunn hat dem grimmigen Einzelkämpfer der Rost-Orange-gefilterten Ära seines Vorgängers Zack Snyder eine knallrote Badehose verpasst. Er hat die Figur zu den hyperaktiv-überdrehten Plots des Silver Age – also der Superman-Comics der 50er und 60er Jahre – zurückgeführt, zu ihrem Wesenskern.
Superman als Geistesblitz zweier Söhne jüdischer Einwanderer
David Corenswet spielt keinen Mann aus Stahl, sondern einen Gott, der beschlossen hat, lieber der nette Junge aus Kansas zu sein, als den seine Pflegeeltern ihn erzogen haben. Nur eben einer mit außergewöhnlichen Kräften. Corenswet ist nebenbei der erste Darsteller mit jüdischen Wurzeln, der ins blaue Trikot schlüpft. Das ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass Kryptons verlorener Sohn der Geistesblitz zweier Söhne jüdischer Einwanderer ist, Jerry Siegel und Joe Shuster, großer Bruder, Rächer aller Unterprivilegierten und messianischer Heilsbringer zugleich.
Es führt eine gerade Linie von Moses zu David über den Golem zu Superman. Sein wahrer Name, Kal-El, erinnert an das hebräische Wort für „Die Stimme von Gott“. Das „-el“ tragen auch seine himmlischen Verwandten im Namen, Gabriel, Michael, Raphael, aber Superman ist ein gefallener Engel, eine hehre Idee, die am irdischen Dasein Gefallen gefunden hat.

Am Ende bleibt Zeit für Romantik: David Corenswet als Superman, Rachel Brosnahan als Lois Lane
Copyright: Warner Bros. Pictures
So ein „Science-Fiction-Jesus“, schätzt Grant Morrison, der beste zeitgenössische Superman-Autor, könne nur in der Fiktion existieren, aber gerade das sei doch das Großartige an ihm: „Wir haben ein kleines Papieruniversum erschaffen, in dem all das wahr ist.“ Wie wenig alltagstauglich Superman ist, wird gleich zu Anfang des neuen Films deutlich, wenn ihn seine skeptische Reporter-Freundin Lois Lane (Rachel Brosnahan) in einem Interview intellektuell auseinandernimmt. Er ist ihr hoffnungslos unterlegen, verrennt sich in ethischen Paradoxien.
Aber seine Güte bleibt unbestechlich. Die erscheint in der derzeitigen politischen Lage der USA – und auch allgemein angesichts des Tons, in dem Menschen in den sozialen Medien miteinander sprechen – als Zumutung, als politisches Statement. Genau wie der ebenfalls unkorrumpierbare Optimismus, der diesen ungebrochenen Helden umweht. Der ganze Film sei, scherzte ein Kritiker, von „aggressiver Freundlichkeit“.
Ganz so freundlich ist der Film dann doch nicht. Dieser „Superman“ mag in einer Welt spielen, in der Metamenschen seit Jahrhunderten dazugehören. Aber die Parallelen zu unserer muss man nicht lange im Subtext suchen, sie liegen auf der Hand: Nicholas Hoults Lex Luthor ist ein empathieloses Tech-Genie, das erst am Ende eine selbstmitleidige Träne verdrückt, wenn es realisiert, dass man Bewunderung oder Liebe weder kaufen noch erzwingen kann. Wir sehen ferner maskierte Häscher, die unschuldige Zivilisten in rechtsfreie Räume – Luthors instabiles Privatuniversum – entführen und wegsperren. Und einen größenwahnsinnigen, diffus osteuropäisch wirkenden Diktator, der ein schutzloses Nachbarland überfällt (das wiederum eher an den Gaza-Streifen als an die Ukraine erinnert).
Kurz: Diese leuchtend bunte CGI-Spektakel enthält jede Menge harscher Realität. Als reiner Tor wirft Superman dunkle Schatten.