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„Stromberg“ kehrt zurückIst Deutschlands unangenehmster Chef heute noch lustig?

8 min
Bernd Stromberg (Christoph Maria Herbst)

Der Prototyp des unangenehmen Chefs, Bernd Stromberg (Christoph Maria Herbst, rechts), ist ab dem 4. Dezember wieder im Kino zu sehen.

Die Serie um den Abteilungsleiter Bernd Stromberg hatte in den 2000ern Kultstatus. Jetzt kehrt er in einem Kinofilm zurück. Doch funktioniert der Humor heute noch?

„Nehmt die Glatze aus der Glotze“, skandieren die Demonstranten und Demonstrantinnen, während sie Schilder hochhalten, auf denen „Fight Sexism“ oder „Keine Bühne für Sexismus“ steht. Die Stimmung heizt sich auf, denn nur wenige Meter entfernt steht die Gegenseite. Die Stromberg-Fans, verkleidet im Stil ihres Idols, mit Fake-Glatzen, Trenchcoats und dem typischen Klobrillenbart feiern ihren „Lurchi“ und pöbeln seine Gegner an.

Es könnte fast eine echte, wenn auch etwas skurrile Szene sein. Doch in Wahrheit ist hier eine Aufnahme aus dem neuen „Stromberg“-Film zu beobachten, der in wenigen Tagen, am 4. Dezember, in den Kinos anläuft. Der Prototyp des unangenehmen Chefs ist zurück, gespielt nach bislang fünf Staffeln und einem Film erneut von Christoph Maria Herbst, der sich in den vergangenen Jahren gerade erst vom Stromberg-Image freigespielt hatte.

Das Spiel mit dem hierarchischen Bossgehabe

„Stromberg“ hatte damals, in den Nuller- und frühen Zehnerjahren, mit dem Altherren-Humor, dem hierarchischen Bossgehabe und dem selbstbewussten Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit gespielt. Alles war auf die Spitze getrieben – aber klar, ein bisschen Wahrheit steckte immer im zur Serie gewordenen Bürowahnsinn, sonst wäre es ja nicht lustig. Und natürlich waren schon damals Sprüche wie „Der Türke kann Kaffee, Döner, Bauchtanz, mehr nicht“ oder „Probleme muss man nur anfassen wie Brüste“ politisch nicht korrekt.

Die Provokation war Teil der Schöpfung des Drehbuchautors Ralf Husmann. Aber funktioniert sie rund zehn Jahre, eine Pandemie und etliche Homeoffice- und Genderdebatten später auch noch? 

Stromberg-Fans bleiben dem Format treu

Dafür sprechen die Fans, die, seitdem das Comeback bekannt ist, nicht nur in den sozialen Medien ihre Vorfreude in die Welt schreiben, sondern zum Teil auch beim Filmdreh in Berlin-Adlershof dabei sind. Es ist die eingangs beschriebene Demoszene, die gerade gedreht wird - „Lurchi“-Fans versus -Gegner. Unter den Fake-Glatzen ist auch „Young Stromberg“, ein Stromberg-Fan und -Imitator, den man für seine Firmenevents buchen kann und der auf Youtube und Tiktok den jungen Stromberg gibt.

Norman, wie „Young Stromberg“ eigentlich heißt, war bereits in dem 2014 erschienenen Film als Komparse dabei. „Dieses Mal sogar eine Gastrolle mit Schauspiel- und Sprechparts zu haben, war noch aufregender“, erzählt er im Gespräch. Den Stromberg-Humor hält er keineswegs für schlecht gealtert: „Es ist eine Mischung aus anstrengend und anziehend zugleich – aus Identifikation und Selbstironie“, sagt er. Die Fans von damals bleiben dem Format treu, daran können auch Gendersternchen und Sexismusdebatten nichts ändern.

Hauptdarsteller Christoph Maria Herbst, der lange ein Comeback in der Rolle ausschloss, ist sich aber dessen bewusst, dass der Stromberg von damals nicht uneingeschränkt übertragbar ins Heute ist. „Es war die größte Anforderung, so eine Figur aus dem letzten Jahrtausend in unsere heutige woke Gesellschaft zu translozieren, auch vor dem Hintergrund von Homeoffice und anderen Entwicklungen“, sagt er im Gespräch in einer Drehpause am Filmset. Der 59-Jährige hat die Anzughose in dicke Stiefel gesteckt, es ist kühl draußen.

„Aber das sind natürlich alles Dinge, die an einem Bernd Stromberg abprallen. Alles Woke und die Veränderung der Gesellschaft ist für Stromberg Pillepalle“, erklärt er seine Figur. Stromberg unverbesserlich also – der beratungsresistente Versicherungsmann wird wohl auch im neuen Film nicht seine „Kolleg*innen“ im Teams-Call begrüßen, davon ist auszugehen.

Stromberg als Figur verändert sich nicht

Wenn schon Stromberg als Figur sich nicht wesentlich verändert, dann doch das Drumherum – irgendwie. „Das Drehbuch trägt unserer heutigen Gesellschaft Rechnung, ohne die Figur zu beschädigen“, gibt Herbst einen Ausblick auf den bald startenden Film, ohne zu viel zu verraten. Ein Drahtseilakt, könnte man meinen.

Als „Stromberg” neu ausgestrahlt wurde, waren solche Figuren und Bürokonstellationen für viele noch realitätsnäher als heute. Herbst berichtet von Menschen, denen es damals zu nah an der Wirklichkeit gewesen sei: „Ich kenne einige, die konnten sich ‚Stromberg‘ nicht ansehen, weil sie sich viel zu sehr an ihren eigenen Berufsalltag erinnert fühlten“, erzählt er. Gleichzeitig habe er erlebt, dass die Figur Stromberg für manche als eine Art Blitzableiter fungierte – „nach dem Motto ,Bei denen ist es ja noch schlimmer als bei mir’.“

Bürosetting vor 20 Jahren ist heute nicht mehr aktuell

„Es gab humoristische Züge bei ‚Stromberg‘, die daraus resultierten, dass man dieses Setting und diese Typen erkennt“, sagt dann auch Medienwissenschaftler Marian Adolf, Professor an der Fachhochschule Wien, der sich auf die Wechselwirkungen von Medien- und Gesellschaftswandel spezialisiert hat. Er könne sich vorstellen, „dass das heute vielleicht in dem alten Setting nicht mehr so gut funktioniert, weil die Lebensrealitäten der Menschen teilweise ganz anders sind. Die Jungen kennen diese Büroburgen und hochnotpeinlichen gemeinsamen Pausen in irgendeiner heruntergekommenen Teeküche nicht mehr in der Form.”

Damit ein solches Format funktioniert, muss es in irgendeiner Form den Zeitgeist treffen. Manchen Serien gelingt das über Jahrzehnte, manche wirken bereits nach ein paar Jahren überholt. „Stromberg“ bewegt sich wohl dazwischen – basierte der Humor doch auf damals schon politisch inkorrektem Verhalten, das er humoristisch überspitzte. Gleichzeitig ist aber die Sensibilität für Sexismus, Rassismus, Homophobie, Ableismus, ganz generell für Diskriminierung jeglicher Art, in den vergangenen zehn bis zwanzig Jahren enorm gestiegen.

Politische Inkorrektheit gehört zum Konzept

Das sieht Medienexperte Adolf nicht allzu problematisch: „Die politische Inkorrektheit war Teil des Konzepts von ‚Stromberg‘, aber sie war im Prinzip nur Mittel zum Zweck“, sagt er. „Dieser Humor ist vor allem dazu da, der Figur Stromberg dabei zuzusehen, wie sie permanent an der eigenen Überheblichkeit scheitert. Es macht ihn ja lächerlich, dass er kaum verhohlen misogyn oder xenophob ist. In Wirklichkeit geht es ihm immerzu um Status“, analysiert er den Protagonisten. „Er scheitert damit, sich immer als etwas anderes zu präsentieren, als er wirklich ist. Und wir Zuschauerinnen und Zuschauer sehen ihm dabei zu – daraus entsteht der Humor.“

Das sei ein „überzeitliches Phänomen“, weswegen es seiner Meinung nach auch heute noch funktioniere: „Jemand will etwas sein, was er nicht ist, und merkt dann im händeringenden Versuch, diese Geltungssucht auszuspielen, gar nicht, wie lächerlich er ist. Es ist immer wieder dasselbe Spiel mit dem Mechanismus der Entblößung.“

Trotzdem: Ob eine Mehrheit über Sprüche wie „Ich respektiere Frauen. Als Idee…“ oder „Der Türke an sich ist eine Risikogruppe“ (beides Stromberg-Zitate) noch lachen kann? Zumindest fraglich. Im Trailer zum Kinofilm aber kommen solche Sprüche auch nicht vor, genauso wie in einer Anfang November im Stromberg-Mockumentary-Stil veröffentlichten „McDonald‘s“-Werbung – obwohl die Figur dort ansonsten in ihrer typisch unangenehm-überheblichen Stromberg-Manier agiert.

„Heute haben wir andere Topoi, die dazu kommen“, meint Medienwissenschaftler Marian Adolf und mutmaßt: „Vielleicht macht Stromberg jetzt mal einen Witz über jemanden, der mit der Regenbogenfahne im Büro sitzt oder so“ – etwas, das in den Nuller- und Zehnerjahren eher kein Thema war. „Es gibt vielleicht auch größere Empfindlichkeiten auf der Empfängerseite. Da kann es sicher auch mal sein, dass der eine oder andere sich beschwert, warum man so etwas heute noch macht“, vermutet der Experte.

Die politische Inkorrektheit funktioniert sozusagen als Kontrastmittel und erinnert uns nochmal daran, dass es gerade nicht okay ist, solche Statements zu machen.
Medienwissenschaftler Marian Adolf

„Aber im Großen und Ganzen funktioniert das mehr oder weniger in Fortsetzung dessen, was man vor 20 Jahren schon gemacht hat – weil man schon damals das Bewusstsein hatte, dass das nicht in Ordnung ist, wie Stromberg sich verhält“, führt er aus. „Die politische Inkorrektheit funktioniert sozusagen als Kontrastmittel und erinnert uns nochmal daran, dass es gerade nicht okay ist, solche Statements zu machen und dass derjenige, der sie äußert, sich automatisch ins Aus stellt.“

Und was sagt eigentlich Stromberg-Erfinder Ralf Husmann, über den Schauspieler Herbst meint, er sei „viel mehr Stromberg als ich“ zu der ganzen Thematik? Wir fragen ihn. „Für mich ist die Figur Stromberg eine, die auch 2004 schon ein bisschen antiquiert herübergekommen ist“, sagt er am Rande des Sets in einem Raum, von dessen Fenster aus man auf die eingangs geschilderte Demonstrationsszene blicken kann. „Ich hatte nie das Gefühl, was besonders politisch Inkorrektes machen oder noch eine Minderheit beleidigen zu müssen. Das war einfach der Figur Stromberg immanent, aber die Figur soll nicht zeigen, was man Krasses sagen darf, sondern es passiert ihr auf dem Weg zu einem eigentlich positiven Ziel.“

Stromberg-Schöpfer legt sich keine Restriktionen auf

Für ihn sei Stromberg jemand, der eigentlich etwas Positives erreichen wolle und das als guter Chef. Doch an diesem Anspruch scheitert der „Ressortleiter der Abteilung Schadensregulierung M bis Z“ der fiktiven Versicherung „Capitol” stets. „Ich wollte immer zeigen, dass das eine Figur ist, die aus einer gewissen Einsamkeit, Verlorenheit und Sehnsucht danach kommt, akzeptiert zu werden.“

Was er Stromberg sagen oder wie er ihn auftreten lässt, da legte er sich auch für den neuen Film keine Restriktionen auf: „Ich habe mir keine großen Gedanken darum gemacht, was sich in den zehn Jahren seit dem letzten Film im Sprachgebrauch verändert hat und was man noch sagen kann. Das ist kein Kriterium für mich.“ Ob es Negativreaktionen auf die Wiederbelebung des Unangenehm-Chefs geben könnte, ist ihm egal. „Ich bin nicht derjenige, der darüber nachdenkt, was funktionieren kann oder was nicht. Das habe ich auch vor 20 Jahren nicht gemacht“, sagt er. Ihm sei klar, dass viele Leute mit Stromberg nichts anfangen könnten, das sei völlig in Ordnung. „Ich war immer ein großer Freund davon, dass Formate gern polarisieren dürfen.“


„Stromberg – Wieder alles wie immer“ kommt am 4. Dezember in die Kinos.