Der Kölner Regisseur, Autor, Produzent, Familienvater und Partylöwe Arne Birkenstock ist gestorben. Ein Nachruf.
Trauer um Kölner FilmemacherArne Birkenstock feierte das Leben noch im Angesicht des Todes

Arne Birkenstock, hier ein Bild aus dem Jahr 2014, wurde 57 Jahre alt.
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„Drei alte Männer singen von der Liebe.“ Zusammen mit zwei Freunden aus Studienzeiten wollte Arne Birkenstock am vergangenen Sonntag noch einmal mit seinem Akkordeon auf die Bühne und Lieder von Charles Aznavour, Udo Jürgens, Element of Crime und Jupp Schmitz präsentieren. Ein fröhliches Abschiedskonzert im Rahmen der Mitsingkonzerte „Singender Holunder“ hatte er sich vorgestellt, einen letzten Auftritt auf der Bühne. Die Musik war die große Leidenschaft des mehrfach ausgezeichneten Kölner Filmemachers. Noch im Sommer gönnte er sich eine kleine Reise nach Montafon, um mit einem neuen Akkordeon, das er für sich noch in diesem Jahr bauen ließ, an einem Improvisationsworkshop teilzunehmen. Man sieht ihn strahlend auf dem Abschlussfoto.
Als klar war, dass er sterben würde, fing er wieder an, zu rauchen
Der Krebs hatte ihn da schon schwer gezeichnet, aber Birkenstock machte einfach weiter: Das Leben war zum Genießen da. Er ging weiter zu seinem Lieblingsitaliener im Viertel, bestellte sich Pasta und Wein, obwohl er wegen der Krebstherapie kaum noch Appetit hatte. Als klar war, dass er am Lungenkrebs sterben würde, fing er wieder an, zu rauchen.
Vor zwei Wochen musste er das Konzert im Weißen Holunder „krankheitsbedingt“ absagen. Kurz vor seinem Geburtstag am 7. Dezember ist Arne Birkenstock im Kreis seiner Familie gestorben. Er wäre 58 Jahre alt geworden.
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Im März dieses Jahres feierte Birkenstock die Premiere seines letzten Dokumentarfilms „Stasi FC“ über den Einfluss des DDR-Geheimdienstes auf den Fußball im geteilten Deutschland. Die erste Vorführung im Kölner Odeon Kino war für ihn nicht nur wegen der Begeisterung im Publikum über den sehenswerten Film etwas Besonderes. „Die Premiere ist auch eine Dernière“, sagte er, bevor er das Team seiner Produktionsfirma „Fruitmarket“ auf die Bühne holte, die er aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben hatte. Es wurde ein Abschied ohne Pathos. Der sterbenskranke Regisseur, Produzent und Autor genoss auch diesen Abend aus vollen Zügen.
Für „Beltracchi“ erhielt Birkenstock den Deutschen Filmpreis
Birkenstock mochte den Rummel – egal ob auf dem Parkett des Deutschen Filmpreises oder im Trubel des Karnevals. In der Zwangspause während der Corona-Zeit gab er Balkonkonzerte für die Nachbarschaft. Am Karnevalsdienstag saß er mit seinem Akkordeon und Freunden in der Neuehrenfelder Landmannstraße am Zugweg. Zusammen mit den Büronachbarn von „Loss mer singe“ im Belgischen Viertel organisierte er Hinterhofkonzerte beim Fest „Le Bloc“. Da spielte er mit der Band „Schmackes“ wunderbare kölsche Lieder. Dem Tango hatte er nicht nur 2005 seinen ersten Dokumentarfilm fürs Kino gewidmet, den spielte er auch gerne selbst. Zu später Stunde wurde eine Leinwand im Hof seiner Firma „Fruitmarket“ aufgebaut, um noch einmal den großartigen Dokumentarfilm „Sound of Heimat“ zu zeigen. Auch hier ging es um Musik. Birkenstock hatte sich zusammen mit dem neuseeländischen Musiker Hayden Chrisholm mit unverstelltem Blick und viel Liebe auf die Spuren der deutschen Volksmusik gemacht.
Nach dem Abitur hatte Arne Birkenstock überlegt, Jura zu studieren, wie sein Vater Reinhard, sich dann aber schnell auf den Film- und Fernsehbereich zubewegt. Reinhard Birkenstock hatte als Strafverteidiger den Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi vertreten und seinen Sohn nach dem Prozess gefragt, ob ihn das Thema interessiere. Für den Dokumentarfilm „Beltracchi“ erhielt Arne Birkenstock 2014 den Deutschen Filmpreis. Den hatte er zuvor schon für „Chandani und ihr Elefant“ in der Kategorie „Bester Kinder- und Jugendfilm“ gewonnen. „Wenn Du nicht vorher schon den Filmpreis gewonnen hättest, hätte ich Dich Beltracchi gar nicht vorgestellt“, hatte der Vater zum Sohn während eines gemeinsamen Gesprächs mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ damals gesagt.

Arne Birkenstock mit seinem Vater Reinhard im Jahr 2014
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Als positive Eigenschaft seines Sohnes nannte Reinhard Birkenstock, der vor sieben Jahren ebenfalls an Krebs starb, „Arnes eigenwillige produktive Intelligenz“, als negative „seine eigenwillige Dickköpfigkeit“. Beides zusammen machte Arne Birkenstock zu einem Macher, der vor allem das machte, was er liebte. Für den in Köln lebenden Schweizer Regisseur Milo Rau produzierte er das Transmedia-Projekt „Das Kongo Tribunal“ sowie die Filme „Die Moskauer Prozesse“ und „Das neue Evangelium“. „Er war der solidarischste und fantasievollste Produzent, den sich ein junger Regisseur nur wünschen kann“, sagt Milo Rau. „Arne verkörperte das Leben selbst: als Musiker, Regisseur und Produzent, als Familienvater und als Partyöwe.“ Er wisse „gar nicht, was der deutsche Dokumentarfilm ohne ihn werden soll“.
Rau erinnert sich, wie er mit Birkenstock im Kongo durch Minenstädte reiste, um ihren Film in Kirchen und Gemeindezentren zu zeigen. „Welcher Produzent hätte das sonst gemacht?“ Endlos habe er mit Arne Birkenstock über den Schnitt der Filme diskutiert und „Mailbattles voller Witze hin- und hergeschossen. Arne hat das Leben so geliebt. Niemand hätte sich vorstellen können, dass er es so früh wieder verlässt“.
Arne Birkenstock schrieb Bücher zu Tango und lateinamerikanischer Musik, organisierte in Köln Symposien zur Kulturpolitik, war lange im Vorstand der Deutschen Filmakademie und erhielt noch in diesem Jahr als Produzent zwei Auszeichnungen: den Preis der Deutschen Akademie für Fernsehen in der Kategorie „Redaktion, Dramaturgie und Producing“ für den Film „Capital B: Wem gehört Berlin“ sowie für den Film „Pol Pot Dancing“ als „Bestes Dokumentar-Feature“ beim „San Francisco Dance Film Festival“.
Das Leben hat er bis zuletzt als Fest begriffen. Arne Birkenstock hinterlässt eine Frau und zwei erwachsene Kinder.
