Super BowlWarum The Weeknd der einzig Richtige für die Halbzeit-Show war

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The Weeknd

The Weeknd beim Super Bowl 

Tampa – Niemand anderes als The Weeknd hätte die Halbzeitshow des diesjährigen Super Bowl bestreiten können. Eine ausgelassene Tanzshow, wie sie im vergangenen Jahr Jennifer Lopez und Shakira bestritten haben, wäre derzeit nicht nur logistisch undenkbar gewesen — sie wäre auch völlig unangebracht. Momentan erscheint ja allein die Idee eines überschäumend-bunten Massenspektakels widersinnig.

Abel Tesfaye aber, so der bürgerliche Name des kanadischen Popstars, hat seine gesamte Karriere darauf aufgebaut, im Glamour-Gewand der 80er von Einsamkeit, Ichversunkenheit und Isolation zu singen: Sein Entertainment hat den Mindestabstand bereits eingepreist. Wie gut er ins pandemische Format passt, hatte er bereits im Herbst mit Solo-Auftritten bei den MTV Video Music Awards und den American Music Awards bewiesen.

Und so entsteigt The Weeknd in der Nacht auf Montag auf den Rängen des Raymond James Stadium in Tampa, Florida einem Sportschlitten mit Flügeltüren, geparkt inmitten einer neonflackernden, Las-Vegas-artigen Stadtlandschaft. Über ihm leuchtet der Pepsi-Mond.

Unheimlicher Gospelchor

Die Tribüne bevölkert ein vom Glauben abgefallener, maskierter Gospelchor mit rot funkelnden Augen. Eine Anspielung auf den Unglück verheißendem Mothman aus der urbanen Legende? Auf jeden Fall nichts Anheimelndes. Die dunkle Tribüne öffnet sich um einen lichtdurchfluteten Spalt, aus dem The Weekend im roten Glitzerjackett tritt, um seinen 2016er Hit „Starboy“ zu singen.

Verglichen mit dem Maximalismus vorangegangener Halbzeit-Shows — Diana Ross“ Hubschrauber-Abgang, Lady Gagas Sprung vom Stadion-Dach — ist das ein wenig enttäuschend. Als deutscher Zuschauer fühlt man sich an einen beliebigen „Hitparaden“-Auftritt erinnert, auch wegen des Schlagersänger-Blazers.

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Die Super-Bowl-Bühne gehört eben auf die Mitte des Spielfelds, umgeben von feiernden Massen. Das ist im Februar 2021 jedoch schlicht nicht möglich. Mehr als 1000 Menschen sollen an der diesjährigen Show gearbeitet haben. Das klingt gewaltig und ist doch nur ein Bruchteil des personellen Aufwandes, der in Nicht-Covid-Jahren betrieben wurde und der nötig gewesen wäre, um den schnellen Ab- und Aufbau inmitten des Footballfeldes zu ermöglichen.

Beeindruckend sind diesmal eher die Zahl der eingesetzten FFP2-Masken und täglich verordneten Tests, und vor allem die logistischen Kniffeleien, die nötig waren, um die Liveshow Corona-sicher zu produzieren. 

Höhepunkt im Labyrinth

Der Höhepunkt des The-Weeknd-Auftritts könnte folglich kaum Super-Bowl-untypischer sein: Der Künstler verschwindet wieder zwischen den Tribünen, verläuft sich in ein gülden blendendes Spiegel-Labyrinth und singt allein für die Steadicam sein Kokainlied „Can„t Feel My Face“. Sein Gesicht ist optisch verzerrt, beim Fernsehzuschauer stellt sich Schwindel ein. Dann entfernt sich die Kamera und gibt den Blick frei auf einen Mob von The-Weeknd-Doppelgängern — identisch gekleidet, aber mit bandagierten Gesichtern — der den Sänger nun anrempelt wie ein Moshpit multipler Persönlichkeiten: Ein sehr viel verstörender Moment als etwa Janet Jacksons berüchtigte Garderobenfehlfunktion im Jahr 2004.

Was folgt ist ungleich familienfreundlicher: Panoramablicke auf das nur zu einem Drittel gefüllte Stadion (freie Plätze werden von Pappkameraden belegt), Feuerwerk, Streicherschmelz.

Finale auf dem Spielfeld

Schließlich geht es doch noch, zum Siouxsie and the Banshees-Sample seines frühen Stückes „House of Ballons“, raus aufs Spielfeld: Der Bandagen-Mob ist jetzt zu einer Armee angewachsen. Sie bildet für The Weeknd einen Korridor vor der Torstange und fällt tanzend aus Reih und Glied, als der „Blinding Lights“ anstimmt, der Song, der für immer als der größte Hit der Corona-Ära in Erinnerung bleiben wird.

Und spätestens, wenn die Kamera über das Spielfeld an Dutzenden von Eingemullten vorbeifährt, die jeder für sich und im immer gleichen Abstand zum Nächsten tanzen, und wenn Abel Tesfaye dazu singt, dass er in der Nacht versinkt und nicht schlafen kann, bis er endlich eine, deine Berührung spürt, spätestens dann versteht man, warum diese Halbzeit-Show zwar bei weitem nicht die beste, aber doch die einzig richtige ist.

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