„Tatort“-VorschauEine düstere Familiengeschichte mit Verbindungen in Nazi-Zeit

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Das Ermittlerduo Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) deckt in Berlin eine tragische Familiengeschichte auf.

Berlin/Köln – Seinen 90. Geburtstag hatte sich Bauunternehmer Klaus Keller (Rolf Becker) sicher anders vorgestellt: Anstatt mit seiner Familie zu frühstücken, liegt er zu Beginn der „Tatort“-Folge „Ein paar Worte nach Mitternacht“ (4. Oktober, 20.15 Uhr im Ersten) erschossen in einem Rattan-Stuhl. Um seinen Hals ein Schild: „Ich war zu feige, für Deutschland zu kämpfen“.

Ermittlerin Nina Rubin (Meret Becker) merkt schnell: „Sowas hat die SS Deserteuren um den Hals gebunden, bevor sie sie hingerichtet haben.“ Ähnlich scheint es bei Keller: Die Todesursache ist ein aufgesetzter Kopfschuss. Schnell führt die erste Spur in Richtung der rechten Szene. Kellers Firma, die von Sohn Michael (Stefan Kurt) geleitet wird, baut ein Shoa-Dokuzentrum in Israel. Baubeginn sollte in zwei Wochen sein. Rubin will den Staatsschutz einschalten, während ihr Kollege Robert Karow (Mark Waschke) durch den braunen Sumpf stapfen will - mit Gummistiefeln.

Schwierige Familienverhältnisse

Doch das ist nicht die einzige Spur: Aus der Wohnung des Opfers ist ein Familienfoto verschwunden. Genauer: ein Foto von Keller und seinem Bruder Gert (Friedhelm Ptok). „Der hat nach dem Krieg im Osten Stasi-Karriere gemacht“, weiß Enkel Moritz (Leonard Scheicher), während Klaus Keller im Westen das Bauunternehmen aufgebaut hat. Zwei Brüder, zwei völlig unterschiedliche Wege. Kontakt hatten die Brüder nicht mehr, erzählt Moritz. „Auch wegen Fredo (Jörg Schüttauf), Gerts Sohn. Der ist nach der Wende ins ultrarechte Lager rüber.“

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Die Familie ist zutiefst zerrüttet, es gibt großen Neid. Das liebe Geld. Keller-Ost gegen Keller-West. Die Generation der Söhne spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Während Michael die große Baufirma leitet, hat Fredo nicht mehr als einen kleinen Copyshop in Pankow. Und auch das Verhältnis von Michael zu Klaus wird immer wieder durch Streits gestört. Die Firma, Klaus’ Vergangenheit.

Kann Rede Klarheit bringen?

Kurz nach Klaus’ Tod stirbt auch Gert. Suizid. Sein letztes Wort: „Wiedervereinigung“. Etwa mit dem Bruder? Von dessen Tod soll er nichts gewusst haben. Klaus’ letzte Worte hat derweil Enkel Moritz mit dem Handy aufgenommen. Will Michael etwa intervenieren, als die Rede losgehen soll? Erwartet er, dass sein Vater etwas Folgenreiches los wird? Entwürfe, zweites Leben, Versöhnung - emotionale aber auch kryptische Worte, die Klaus Keller an seine Familie richtet.

Kann die Rede Rubin und Karow weiterhelfen? Oder vielleicht die politisch engagierte Kellnerin Ruth (Victoria Schulz), die die Familie - insbesondere Enkel Moritz - sehr gut kennt und über Interna Bescheid weiß? Und was ist eigentlich mit Moritz selbst, der bei seinen eigenen Eltern einen schlechten Stand zu genießen scheint?

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Das Ermittlerduo stößt vor in eine Familiengeschichte, die geprägt ist durch Nationalsozialismus, die Mauer, Gier, Big Business, den Wunsch nach Versöhnung und die Angst vor dem Auffliegen. Und in die Vergangenheit eines Landes, das sich immer wieder seine eigene Geschichte bewusst machen muss. Am Ende decken Rubin und Karow ein Verbrechen auf, das Opfer und Täter verschmelzen lässt.

„Ein paar Worte nach Mitternacht“ ist dramatisch inszeniert und tragisch. Das unterstreichen Musik und Bild immer wieder. Spannung steht nicht unbedingt im Vordergrund, vielmehr regt die Folge zum Nachdenken an. Was macht unsere Vergangenheit mit uns? Was zählt am Ende wirklich? Die Kamera (Eva Katharina Bühler) isoliert häufig wichtige Charaktere und zeigt deren emotionale Mimik, die Grundstimmung ist teilweise so düster wie das Verbrechen selbst.

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