Taylor Swifts neues Album „Folklore”Der perfekte Soundtrack zur Corona-Krise

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Taylor Swift

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Die Nachricht über weit nach hinten verschobene Album-Releases gehören dieses Jahr schon längst zum Normalzustand. Die Unmöglichkeit zu touren, potenzielle Plattenkäufer in Kurzarbeit, eine Aufmerksamkeitsspanne von der Dauer eines Sekundenschlafs für andere Themen als das omnipräsente Coronavirus – das war den meisten Künstlern zu heikel.

Nicht aber Taylor Swift. Beinah aus dem Nichts hat die enorm erfolgreiche, 30 Jahre alte US-Künstlerin ihr achtes Studioalbum, „Folklore“, veröffentlicht. Gerade einmal 17 Stunden vor der Veröffentlichung gab sie die Existenz der 16-Track starken Platte bekannt: „Die meisten Dinge, die ich diesen Sommer geplant hatte, sind nicht geschehen“, schrieb die Sängerin in einem Instagram-Post. „Doch es gibt etwas, das ich nicht geplant hatte, das passiert IST.“ Auf dem zum Post gehörigen Bild, welches zugleich das Cover des Albums ist, ist Swift inmitten einer Waldlandschaft zu sehen. Auf der schwarz-weißen Aufnahme wabert leiser Nebel im Hintergrund. Klein steht die Sängerin neben den Baumstämmen und blickt hinauf, dem Blätterdach entgegen.

Ihr siebtes Album, „Lover“, erschien erst im August 2019, doch in vielerlei Hinsicht könnte es kaum weiter von „Folklore“ entfernt sein. Zum einen hat Swift sich längst auf den Thron der Königin des ausgeklügelten Album-Releases geschwungen. Ihre Fans – liebevoll „Swifties“ genannt – schickt sie zu diesem Zweck gerne zunächst auf wahre Schnitzeljagden. Unabdingbar für die Zugehörigkeit zum Swift-Fantum ist die Fähigkeit, mysteriöse Hinweise zu deuten, verschlüsselte Selbstreferenzen zu entschlüsseln. Es folgt eine bombastische Single-Auskopplung, die naturgemäß so gar nicht nach dem restlichen Album klingt.

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So ist der Begeisterungssturm über die lange herbeigesehnte Ankunft des neusten Werkes umso größer. Ein Werk überdies, das voller Überraschungen steckt: „Folklore“ klingt, wie das Plattencover aussieht. Es klingt leise, es klingt nach im Wind raschelnden Blättern, es klingt wie ein harmonisch fließender Fluss, es plätschert hier und da über hervorstehende Felsen, am Flussbett reckt sich blühendes Grün über die glitzernde Wasseroberfläche. Es klingt gänzlich anders als sein Vorgänger, so gar nicht nach bombastischem Pop, streng musikologisch gesehen, wie es vielleicht der Titel nahelegt, auch nicht nach Folk. Es ist vielmehr eine Mischung aus zurückgenommenem Pop, verschlungen im wiegenden Tanz mit vorsichtigem Indie-Rock. Und doch, obwohl es so anders, so überraschend klingt, fühlt es sich an, als komme jemand nach Hause. Im Grunde bloß wie die logische Weiterentwicklung Swifts, die sich schon immer als Singer-/Songwriterin verstand.

„Folklore“ kommt so natürlich, so gänzlich unbemüht daher, als sei schon immer klar gewesen, dass Taylor Swift einmal genau diese Platte machen würde. Entstanden sei das gesamte Album während des Corona-Lockdowns, schreibt die Sängerin in einem weiteren Instagram-Post, datiert auf den Tag des Albumreleases. „Dieses Album ist das Ergebnis der Isolation“, heißt es weiter, „eine Sammlung an Songs und Geschichten, die geflossen sind wie ein Bewusstseinsstrom.“

Elf der 16 Songs entstanden in Zusammenarbeit mit The Nationals Aaron Dessner, fünf weitere wurden von Jack Antonoff produziert. Die Handschrift der beiden ist deutlich herauszuhören, doch am Ende ändert sie nichts daran, dass es ein Swift-Album durch und durch geworden ist.

Das Albumcover von „Folklore“

Das Albumcover von „Folklore“

Einer der Höhepunkte der Platte ist sicherlich „Exile“, das vierte Stück und ein Feature mit Bon Iver. Bemerkenswert jedoch ist, dass es kein einziges schlechtes Stück gibt auf „Folklore“. Die 16 Songs fließen homogen ineinander, fließen tatsächlich daher wie der von der Künstlerin selbst beschriebene Bewusstseinsstrom. Sie alle sind wunderbar melodisch, durchdrungen von einer inneren Harmonie, die noch lange nachklingt.

Die Geschichten, die Swift erzählt, sind klar ihrem charakteristischen Wortschatz zuzuordnen. Sie handeln von Liebe, von Verlassenwerden, von Freundschaft. Was auf den ersten Blick eher generisch anmutet, ist tatsächlich die scharfe Sezierungsarbeit menschlicher Emotionen und zwischenmenschlicher Beziehungen. So fügt „Folklore“ sich nahtlos ein in dieses seltsame Jahr 2020. Denn so ungeplant diese Platte auch gewesen sein mag, am Ende wird sie bestehen bleiben, als eines der größten Alben Taylor Swifts.

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