Auftragsvergabe beim WDRWDR-Verwaltungsrat will Infos zu möglicher „Neffenwirtschaft”

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Schönenborn dpa 160922

WDR-TV-Chef Jörg Schönenborn (Archivbild)

Köln – Ein angeheirateter Neffe des WDR-Programmdirektors Information/Fiktion, Jörg Schönenborn, ist Redaktionsleiter der Firma, die für den Sender die Talkshow „hart aber fair“ produziert - das berichtet die „Welt“ nach eigenen Recherchen. Die Aufsichtsgremien des WDR wollen den Fall dem Bericht zufolge nun prüfen. Jörg Schönenborn schrieb laut „Welt“ in einer Mail an die Belegschaft über den Vorgang - er wolle „die Geschichte selbst erzählen“.

WDR-Mitarbeiter melden sich bei „Welt“

Mehrere WDR-Mitarbeiter hätten sich „Welt“ zufolge in den letzten Tagen an die Zeitung gewandt. Anlass sei gewesen, dass Schönenborn, als oberster WDR-Fernsehchef auch für Verträge mit Produktionsfirmen verantwortlich, einen angeheirateten Neffen hat, der der Zeitung zufolge in leitender Position bei „Ansager & Schnipselmann“ arbeitet - jener Firma, in der Frank Plasberg Geschäftsführer ist und die für den WDR „hart aber fair“ produziert. Dass politische Talkshows von externen Produktionsfirmen produziert und von den öffentlich-rechtlichen Sendern angekauft werden, ist ein verbreitetes Modell.

Schönenborn ist seit 1990 mit Jona Teichmann verheiratet, die in leitender Position beim Deutschlandradio arbeitet. Der Redakteur in Plasbergs Produktionsfirma ist demnach ihr Neffe. Schönenborn kenne ihn, seit dieser ein Kind war, heißt es weiter. Angesichts des Vorwurfs der Vetternwirtschaft beim NDR und der Skandale beim RBB, treibe einige WDR-Mitarbeiter nun die Frage um, ob nicht auch dieser Fall ein Geschmäckle habe, berichtet die „Welt“ unter Bezugnahme auf die Kontaktaufnahmen der WDR-Mitarbeiter.

WDR erklärt: „Rechtlich kein Verwandtschaftsverhältnis“

„Rechtlich“ bestehe „kein Verwandtschaftsverhältnis“, wie die „Welt“ aus einer Stellungnahme des WDR zitiert. Auch gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ verweist der WDR darauf.

„Ansager & Schnipselmann“ erklärten zudem, Schönenborn und Plasberg hätten mit der Einstellung des Neffen nichts zu tun gehabt. Dass das Quasi-Verwandtschaftsverhältnis sowohl beim WDR als auch bei „Ansager & Schnipselmann“ unbekannt gewesen sei, wie es laut „Welt“ Mitarbeiter der Produktionsfirma berichteten, bestritten in ihren Stellungnahmen sowohl der Sender als auch die Plasberg-Firma, heißt es in dem Bericht. Es sei „im redaktionellen Umfeld bekannt, dass ein Neffe der Frau von Jörg Schönenborn in der Produktionsfirma beschäftigt ist”, erklärte der WDR auch gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

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Den beiden wichtigsten Aufsichtsgremien des WDR, Rundfunkrat und Verwaltungsrat, sei die Personale demnach jedoch nicht zur Prüfung vorgelegt worden – sie haben laut „Welt“ nun WDR-Intendant Tom Buhrow um eine Stellungnahme gebeten.

Gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ erklärte der WDR zudem: „Um den hohen Anforderungen an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gerecht zu werden und jeglichen Anschein zu vermeiden, dass private und dienstliche Angelegenheiten sich berühren, hat der Intendant auf Vorschlag von Jörg Schönenborn gleichwohl entschieden, dass in diesen konkreten Fällen auch die andere Programmdirektorin, Andrea Schafarczyk, als zusätzliche - nicht weisungsgebundene - Entscheidungsinstanz in den Prozessen ergänzt wird.“ Die Gremienvorsitzenden des WDR seien über die Entscheidung informiert worden, heißt es weiter. Schafarczyk ist beim WDR Programmdirektorin für NRW, Wissen und Kultur.

Jörg Schönenborn schickt E-Mail an WDR-Belegschaft

Schönenborn selbst reagierte auf die Anfrage der Zeitung noch am Donnerstag und machte den Vorgang in einer E-Mail an die Belegschaft, die der „Welt“ und dem „Kölner Stadt-Anzeiger” vorliegt, öffentlich. Er wolle „die Geschichte selbst erzählen, bevor sie womöglich in der Zeitung steht“, schreibt Schönenborn dort demnach. „Wir sind in ungewöhnlichen Zeiten, da ist Offenheit und Transparenz noch wichtiger als sonst.“

Die Landespolitik reagierte unterdessen auf den Vorgang. Die medienpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion in NRW, Ina Blumenthal, sagte gegenüber der Zeitung: „Als beitragsfinanzierte öffentliche-rechtliche Rundfunkanstalt ist der WDR natürlich zu vollständiger Transparenz verpflichtet.“ Die Aufsichtsgremien des WDR müssten nun überprüfen, ob im aktuellen Fall die Compliance-Regeln eingehalten wurden. (das)  

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