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Verschollene KunstWie sechs Museumsbilder aus Koblenz in China verloren gingen

Lesezeit 3 Minuten
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Anselm Kiefer

Köln. – Es klingt wie eine Geschichte aus dem Kuriositätenkabinett der Kunstwelt: 342 Werke berühmter deutscher Maler wie Anselm Kiefer und Markus Lüpertz gehen nach einer Ausstellungstournee durch chinesische Metropolen verloren; der Veranstalter der Tournee, eine Hamburger Firma mit guten Kontakten nach Fernost, meldet Konkurs an; und deren chinesischer Geschäftsführer hält die Arbeiten nun angeblich als Geiseln in einem Streit um sehr viel Geld versteckt – die Rede ist von rund 300 Millionen Euro.

Sind die Bilder Geiseln in einem Streit um 300 Millionen Euro?

Mitten im Schlamassel steckt eine deutsche Museumsdirektorin: Beate Reifenscheid leitet das Ludwig Museum in Koblenz, hat wohl mitgeholfen, die Ausstellungstournee durch China auf die Beine zu stellen und offenbar sechs Kiefer-Werke aus dem Bestand ihres Hauses mit auf Reisen geschickt. Jedenfalls galten diese privaten Leihgaben an das Koblenzer Museum bis vor kurzem ebenfalls als verschollen. Laut einem Bericht des SWR hat Reifenscheid nun zumindest diese Arbeiten in einem Kunstlager im chinesischen Shenzhen entdeckt; allerdings verweigere laut Reifenscheid, die sich nicht mehr zur Sache äußert, eine örtliche Museumsleiterin die Ausreise der Werke. Was dieser Fund für den gesamten, angeblich nicht auffindbaren Kunstbesitz bedeutet, ist bislang unklar. Markus Lüpertz hatte im vergangenen November während einer Pressekonferenz in Peking darüber spekuliert, ob seine Werke auf den chinesischen Schwarzmarkt gelangt sein könnten.

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Beate Reifenscheid

Die 342 Kunstwerke gehören der deutschen MAP Collection, hinter der eine deutsch-taiwanesische Sammlerin stehen soll. Mit dieser hatte Beate Reifenscheid 2016 eine Anselm-Kiefer-Ausstellung in Peking organisiert, auch damals fungierte das Hamburger Unternehmen Bell Art als Mittelsmann und Mitorganisator. Über dieser Ausstellung, der ersten Soloschau zu Kiefer in China, kam es zum erbitterten Streit zwischen dem Künstler und seinen Galeristen auf der einen und Reifenscheid auf der anderen Seite. Kiefer sagte damals, er habe sich von der Koblenzer Museumsdirektorin auf Schändlichste übergangen und, so wörtlich, „vergewaltigt“ gefühlt. Reifenscheid entgegnete, sie habe mehrfach versucht, mit Kiefer und dessen Galeristen in Kontakt zu treten, doch diese hätten eine Mitarbeit an der geplanten Ausstellung abgelehnt.

Um die Koblenzer Bilder gab es schon einmal Krach

Schon damals ging es vermutlich nicht nur um die moralische Frage, ob es opportun ist, eine Soloausstellung ohne die Beteiligung des betroffenen Künstlers zu organisieren. Sondern mindestens in gleichem Ausmaß ums Geschäft. Auch im Kunstsegment ist China ein riesiger Wachstumsmarkt, auf dem sich die MAP Collection mit ihren Ausstellungen möglicherweise prominent platzieren will. Dass Reifenscheid sechs Kiefer-Leihgaben aus dem Ludwig Museum mit nach China gab, trug ihr den Vorwurf ein, die kommerziellen Interessen einer Sammlerin mit dem Zutun eines städtischen Museums zu befördern.

Mit der Erfolgsmeldung aus Shenzhen ist der Fall voraussichtlich noch lange nicht ausgestanden. Unklar bleibt, wo die restlichen Werke sind und wer über diese verfügen kann. Im November 2019 hatte der chinesische Geschäftsführer von Bell Art der ARD gesagt, er habe das Recht, „die Kunstwerke auszustellen, zu präsentieren und den Verkauf dieser Arbeiten anzubieten“. Die aktuellen Probleme gebe es nur, weil die Sammlerin hinter der MAP Collection diese selbst zu Geld machen wolle.