„Very British”-Ausstellung in BonnBloß nicht den Krieg erwähnen

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Der Handtuchkrieg zwischen Briten und Deutschen tobt auch in der Boulevardpresse

Der Handtuchkrieg zwischen Briten und Deutschen tobt auch in der Boulevardpresse

  • Der Brexit ist in der Ausstellung allgegenwärtig.
  • Beatles, Stones, Harry Potter und der Mini. Die britische Kultur hat die Deutschen schon immer stark beeinflusst.
  • Gezeigt wird auch der Ball aus dem WM-Finale von 1996. Aber nur für zwei Wochen, dann geht er zurück nach England.

Bonn – Das Erste, was zu hören ist, wenn man durch den explodierten Stern auf der Europaflagge geht, ist ein lautes Ticken. Ein Brexit-Countdown zählt die Sekunden runter bis zum Austritt Großbritanniens aus der EU. Eingestellt ist er auf Halloween. Doch man weiß natürlich nie, was noch kommt, betont Hans Walter Hütter, Präsident der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, als er über die neue Ausstellung „Very British. Ein deutscher Blick“ in seinem Museum spricht. „Wir sind Historiker, keine Zukunftsforscher.“ Fest steht aber, dass diese Sonderschau die erste sein wird, die zwischendurch aktualisiert werden muss.

Der Brexit ist allgegenwärtig. England ohne den Austritt – oder vielmehr die bisher gescheiterten Austrittsversuche – zu denken, ist zurzeit unmöglich. Die Historiker greifen im Haus der Geschichte das Thema der Stunde auf. Allerdings ist das eher eine glückliche Fügung als Kalkulation. Die Entscheidung, sich mit dem deutsch-britischen Verhältnis zu beschäftigen, fiel nämlich bereits Anfang 2016, also ein halbes Jahr vor der Abstimmung.

Große Europa-Skepsis

Den Brexit präsentiert die Ausstellung als Ergebnis einer tiefverwuzelten britischer Europa-Skepsis. Das Beharren auf Eigenständigkeit hat daher eine lange Tradition. Schon Winston Churchill, der als einer der prominentesten Verfechter des Europagedankens auf britischer Seite gilt und unter anderem für seine Idee der Vereinigten Staaten von Europa den Karlspreis erhielt, sah Großbritannien nur als „Freund und Förderer“ Europas.

Das Tigerfell aus dem Sketch „Dinner for One“

Das Tigerfell aus dem Sketch „Dinner for One“

In der Ausstellung, die sich in ihrem Farbkonzept am Union Jack orientiert, geht es dabei immer um die deutsche Sicht auf die Insel. „Das deutsche Interesse an Großbritannien ist größer als umgekehrt“, sagt Hütter, dafür seien unter anderem der obligatorische Englischunterricht in den Schulen und die Vitalität der britischen Kultur verantwortlich. Auch die Begeisterung der Deutschen für die Royals spielt eine große Rolle. Entsprechend viel Platz gewährt ihnen die Ausstellung. Da geht es etwa um die Frage nach den deutschen Wurzeln des Königshauses. Als der Kurfürst von Hannover 1714 zum König von Großbritannien gekrönt wird, trägt er eine neue Staatskrone. Königin Victoria ersetzt diese durch die leichtere Imperial State Crown, in die sie Steine aus der Staatskrone einarbeiten lässt. So ist heute nur noch deren Karkasse, das Gerüst, erhalten. Und das kann man in Bonn bestaunen. „Lent by Her Majesty Queen Elizabeth II.“ steht auf dem kleinen Schild daneben. Die Königin sei ebenso wie alle angeschriebenen Museen und Sammler sehr hilfsbereit gewesen, sagt Christian Peters, der das Projektteam leitete. Sie stellte auch ein Kleid zur Verfügung, das sie während ihres gefeierten Staatsbesuchs 1965 trug.

Zwischen Faszination und Irritation

Die sehenswerte Ausstellung beleuchtet stets das Spannungsfeld zwischen Faszination und Irritation. So sorgt bei den Deutschen, die vieles an Großbritannien lieben, die häufige Erwähnung des Zweiten Weltkrieges für Unverständnis. „Don’t mention the war“, witzelte schon John Cleese in einer „Fawlty Towers“-Folge, um dann genau das ständig zu tun.

„Man hat manchmal den Eindruck, der Krieg sei noch nicht vorbei“, sagt Ausstellungsdirektor Thorsten Smidt, gerade mit Blick auf die britische Boulevardpresse. Das wird auch im Raum zur Fußballrivalität deutlich. Hier ist für die nächsten zwei Wochen der Ball aus dem WM-Endspiel von 1966 zu sehen. Länger können die Briten das gute Stück nicht entbehren.

Der Spielball des Endspiel der Fußballweltmeisterschaft 1966

Der Spielball des Endspiel der Fußballweltmeisterschaft 1966

Neben der allgegenwärtigen Rivalität gibt es aber auch viele Zeugnisse der Freundschaft und Versöhnung. Das beeindruckendste ist ein Messgewand, das sich der Bischof von Coventry 2017 anfertigen ließ. Der Chormantel zeigt Fotos aus Coventry – und aus dem zerstörten Dresden.

Natürlich begegnen den Besuchern auch die Beatles und die Stones, Harry Potter und ein Mini. Und immer wieder der britische Humor, um den wir Deutschen sie vielleicht am meisten beneiden. Am Ausgang erklingt die Stimme von Eric Idle mit dem Gute-Laune-Song aller Hoffnungslosen: „Always Look On The Bright Side of Life“. Und der Besucher sieht letztmalig die Queen – in ganz klein, als Figürchen im blauen Kostüm. Sie winkt huldvoll zum Abschied.

Informationen zur Ausstellung

Die Ausstellung „Very British“. Ein deutscher Blick“ ist bis 8. März im Haus der Geschichte in Bonn zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 9 bis 19 Uhr, an Wochenenden und Feiertagen von 10 bis 18 Uhr. Eintritt frei.

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