Vor 40 Jahren in den KinosWarum „Indiana Jones“ ein Film über alle Filme ist

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Harrison Ford als Indiana Jones

Los Angeles – Zum Wesen des Ikonischen gehört die Illusion der Zwangsläufigkeit. Es kann gar nicht anders, als genau so sein, wie es ist. Oder können Sie sich Steve Martin in der Rolle des hartgesottenen Archäologen „Indiana Jones“ vorstellen?

Das ist absurd, nicht wahr? Und doch gehörte der Stand-up-Comedian zur Reihe derjenigen Schauspieler, die sich George Lucas und Steven Spielberg in der Hauptrolle ihres Action-Abenteuers „Raiders of the Lost Ark“ vorstellen konnten, das im Sommer 1981, also vor 40 Jahren, in die Kinos kam.

Ebenso wie Bill Murray (im Ernst?), Jeff Bridges und Tom Selleck, der es geworden wäre, hätte er sich nicht zuvor bereits für die Fernsehserie „Magnum“ verpflichtet. 

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Harrison Ford als einzig richtige Wahl

Selbstredend war Harrison Ford von Anfang an die einzig richtige Wahl. Doch vor allem Lucas sträubte sich dagegen, den Mann, den er bereits als „Han Solo“ zum Star gemacht hatte, erneut zu besetzen. Zudem Ford sich zu diesem Zeitpunkt noch weigerte, den westentragenden Weltraum-Desperado ein drittes Mal zu spielen, Lucas „Indiana Jones“ jedoch von vorneherein als potenzielles Film-Franchise entworfen hatte. 

Schließlich liegen Jones’ Ursprünge in den sogenannten Serials, jenen B-Movies – „Flash Gordon“, „Zorro“, „Spy Smasher“ – die ab den 1920er Jahren in knapp halbstündigen Fortsetzungen vor dem  Hauptfilm liefen und stets mit einem, oft buchstäblichen, Cliffhanger endeten, auf dass die Kinogänger auch in der darauffolgenden Woche ihre Karten kaufen würden.  

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Der Siegeszug des Fernsehens Anfang der 1950er Jahre markierte das Ende der Film-Serials und ihrer Agenten-,  Western-, Science-Fiction- und Superhelden, doch George Lucas hatte als Kind noch ihre letzten Ausläufer mit großen Augen vom Sperrsitz aus verfolgt. Selbst „Star Wars“ hatte seinen Ursprung in Lucas’ Plan, den alten Serial-Helden Flash Gordon wiederzubeleben (was an den Filmrechten scheiterte).

Ist „Jäger des verlorenen Schatzes“ also nur der voreilig nostalgische Aufguss – die beiden Filmemacher waren erst in ihren Dreißigern – einer überholten Form? Ein B-Film mit A-Film-Budget, inszeniert mit der Sorgfalt großer Auteurs?

Ein Film über Filme

Auf jeden Fall ist es ein Film über Filme, über die Leinwand als Traumstoff und Alltagsfluchtpunkt, als verlorenen Schatz – und allein das war nach dem rauen Realismus des Hollywoods  der 70er ein Schock.

Die Nazi-Schergen in „Jäger“ haben nichts mit ihren geschichtlichen Vorbildern zu tun, sie  entstammen dem Reservoir unzähliger amerikanischer Comics und Agenten-Filme. Ebenso verweist die Bundeslade, der Indiana Jones im ersten Teil hinterherjagt,  auf Boris Karloffs „Die Mumie“ und Cecil B. DeMilles „Die zehn Gebote“, aber nicht auf die  biblische Überlieferung, und zuletzt findet sich für die grabräuberische „Archäologie“, die Harrison Ford hier betreibt, keine Entsprechung in der Wirklichkeit, dafür aber in alten Comic-Strips wie „Terry and the Pirates“ oder „Tim und Struppi“.

Das Missing Link der Filmgeschichte

Aber „Jäger des verlorenen Schatzes“ blickte auch weit nach vorne, auf das kommerzielle Kino unserer Gegenwart, in dem fast ausschließlich Helden, die direkt aus alten Serials stammen könnten, die großen Leinwände bevölkern.

In dem, wie im Marvel Cinematic Universe, der Hauptfilm zum Serial geworden ist, weil er selbst auf drei Stunden Laufzeit und dreistellige Millionenbudgets aufgebläht, nur auf die jeweils nächste  Episode verweist.    Nebenbei: Das Produktionsvolumen von „Jäger des verlorenen Schatzes“ betrug bescheidene 20 Millionen Dollar.

Man könnte den peitschenden  Professor Jones also als faszinierendes Gelenkstück bezeichnen, welches das Kino der Attraktionen aus den Säuglingsjahren des Mediums mit den heutigen Erzählwelten verbindet, deren Geschichten sich über Einzel- und Ensemblefilme, Fernsehserien, Streaming-Content und Fahrgeschäfte in Themenparks erstreckt.  „Jäger des verlorenen Schatzes“ hat den Film in jenes Kinderparadies zurückgeholt, in dem die Bilder laufen lernten, den Jahrmarkt.

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