„Weird Al“ Yankovic in DüsseldorfWarum er nicht mehr „Eat It“ spielt

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Weird Al Yankovic gab am Samstagabend in Düsseldorf eines seiner ersten Konzerte in Deutschland. Das Foto zeigt Weird Al Yankovic wenige Tage zuvor im Cirque Royal in Brüssel.

Weird Al Yankovic gab am Samstagabend in Düsseldorf eines seiner ersten Konzerte in Deutschland

Der Song-Parodist „Weird Al“ Yankovic gilt in den USA als Nationalheiligtum. Jetzt tritt er nach 40 Jahren zum ersten Mal in Deutschland auf. So war es am Samstagabend im Düsseldorfer Capitol. 

Früher, als Menschen noch die gleichen Dinge zur selben Zeiten guckten, gab es Fernsehmomente, die ganze Generationen prägten. Oder, genauer gesagt, in denen sich bestimmte Menschen einer Generation als einander zugehörig erkannten. Elvis, später die Beatles in der „Ed Sullivan Show“, Bowie, der in „Top of the Pops“ zärtlich den Arm um seinen Gitarristen Mick Ronson legte.

Und das erste Mal, als „Formel Eins“, das Clipformat der Dritten Programme, im Jahr 1983 „Weird Al“ Yankovics Video „Eat It“ ausstrahlte. Schwer zu sagen, was daran mehr begeisterte: Die markerschütternde Albernheit, Michael Jacksons Song über Gang-Rivalitäten zur Klage über ein Kind umzudichten, das beim Essen allzu wählerisch ist. Oder die Akribie, mit der Yankovic nicht nur den Song, sondern auch das bekannte „Beat It“-Video nachgestellt hatte. Jedenfalls zündeten die Gags, weil sie so sorgfältig ausgetüftelt und zugleich von pennälerhafter Schlichtheit waren.

Viele derjenigen, die dem Akkordeon-spielenden Polka-Enthusiasten aus dem kalifornischen Lynwood damals verfallen waren, fanden sich am Samstagabend im Düsseldorfer Capitol-Theater wieder. Es sind zu 99 Prozent Nerds, eine Verbalinjurie, die man heute mit Stolz tragen kann. „Wie viele von euch sind gemobbt worden“, will Stand-up-Comedian Emo Philips wissen, der das Vorprogramm bestreitet. „Also ich meine: Auf dem Weg zum Theater?“ Herzhaftes Lachen. Heute ist man ganz unter sich. Niemand würde hier einen Mittvierziger dafür verurteilen, ein „My Little Pony“-Sweat-Shirt zu tragen.

Wer hätte gedacht, dass „Weird Al“ eine so langlebige Karriere haben wird?

Wer hätte damals, Mitte der 1980er, gedacht, dass man sich gar groß nicht verändern muss, sondern eines Tages, das Programm bestimmen wird? Dass die Comics, für die man damals ausgelacht wurde, zu den Vorlagen der Mainstream-Kultur von heute werden würden?

Auch „Weird Al“, bürgerlich Alfred Matthew Yankovic, hätte wohl niemand eine derart langlebige Karriere vorausgesagt: Als Parodist hängt man ja unweigerlich am Zeitgeist, den man aufs Korn nimmt. Stattdessen gilt Yankovic in seiner amerikanischen Heimat heute als nationales Kulturgut mit fanatischer Gefolgschaft.

Nicht zuletzt, weil er immer wieder die treffende Parodie zur richtigen Zeit fand. Coolios „Gangsta’s Paradise“ verwandelte er in ein zutiefst uncooles „Amish Paradise“ und während Chamillionaire in „Ridin‘“ sowohl Polizeibrutalität anklagte, als auch das Gangster-Dasein feierte, errichtete „Weird Al“ in seiner Umdichtung „White & Nerdy“ all jenen ein ironisches Denkmal, die etliche Dioptrien-Werte vom harten Straßenleben trennten.

Heute ist Yankovic neben Michael Jackson und Madonna der einzige Künstler, der in jeder Dekade von den 1980ern bis zu den 2010ern einen Top-40-Hit in den USA landen konnte. Dass „Weird Al“ in Deutschland dagegen stets ein Minderheitenthema blieb, erkennt man auch daran, dass er nun zum ersten Mal in seiner mehr als 40-jährigen Karriere in Deutschland auftritt. Düsseldorf ist nach Hamburg sein zweiter Termin und wahrscheinlich ist der ganze Europa-Ausflug vor allem der erhöhten Aufmerksamkeit geschuldet, die Yankovic genießt, seit sein Leben mit Daniel Radcliffe in der Hauptrolle verfilmt wurde – selbstredend ist auch der Film eine Parodie auf Musik-Biopics.

Ausgerechnet auf dieser ersten Deutschland-Tour verzichtet Yankovic auf seines sonst üblichen Kostümwechsel und Video-Einspieler und auf nahezu sämtliche Hits: Es gibt nur ihn, wie gewohnt ihn Hawaiihemd, und die vierköpfige, exzellente Band, die ihn schon seit Ewigkeiten begleitet. Im Sitzen spielen sie Stücke, die nur ausgewiesene Fans gleich nach der ersten Note goutieren können, Originalkompositionen von Yankovic, die sich allerdings an die Stile bekannter Künstlerinnen und Künstler anlehnen.

Eine Enttäuschung? Nein, eine Offenbarung! Der unbekannte Yankovic ist noch schärfer, alberner, lustiger und in seiner Lustigkeit manchmal auch todtrauriger als der Mann, der „Eat It“ sang, oder „Like a Surgeon“. Im Capitol säuselt er im Stile des sanften Akustik-Barden James Taylor „You Don’t Love Me Anymore“, aber konterkariert den nur sanft geknickt wirkenden Refrain mit drastischen Strophen, in denen der ahnungslose Erzähler von den zunehmend krasseren Mordattacken seiner Angetrauten berichtet: „Darf ich fragen, was diese giftige Kobra in der Schublade mit meiner Unterwäsche macht?“

Arme Würstchen, die sich Frappucino in den Schoß schütten

Oder er agitiert wie Rage Against the Machines Zack de la Rocha. Nur dass sein Protagonist kein linker Systemgegner, sondern ein kleinlicher Prozesshansel ist: „Ich habe Starbucks verklagt, weil ich einen Frappucino in meinem Schoß verschüttet habe, und brr, er war kalt.“ Die Rock-Helden des Rock, die Hip-Hop-Player, die großen Leidenden des Blues – in Yankovics Welt werden sie alle zu armen Würstchen wie du und ich.

Das wirkt kathartisch. Niemand lässt so liebevoll die Luft aus dem Reifen wie der Mann mit der Pudelfrisur und dem Schnauz. Er ist ja selbst ein Nerd, der wochenlang unsinnige Palindrome austüftelt – „Go hang a salami, I’m a lasagna hog“ – um sie dann zu einem Bob-Dylan-Song zu verketten.

Zur Zugabe reiht „Weird Al“ dann doch noch einige Hits aneinander, aber in widersinnigen Arrangements und angereichert mit dem seltsamsten A-capella-Intermezzo, das man jemals gehört hat. Er weigert sich schlicht, keinen Spaß zu haben. Und spätestens jetzt verstehen selbst solche, die nur aus Nostalgiegründen gekommen sind, dass dies die einzig mögliche Einstellung ist: Dem Leben ein Hawaiihemd überzuziehen.

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