„Wohnorte gegen Geburtsorte“Wie Andreas Slominski aus alten Fußballplakaten Kunst macht

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Andreas Slominski bei der Jubiläumsfeier seiner Galerie Thaddaeus Ropac in Salzburg.

Andreas Slominski hatte sein Erweckungserlebnis für „Wohnorte gegen Geburtsorte“ vor bald 40 Jahren

Andreas Slominskis Fußballplakate-Sammlung aus den 80er Jahren gibt es jetzt in Buchform. Es ist eine nostalgische Zeitreise.

Die schöngeistige Liebe zum Fußball ist eine unglückliche, vor allem, weil sie in der Regel unerwidert bleibt. Man mag noch so viele Tore zu Kunstwerken verklären, am Ende heißt es dann doch wieder nur: Friss Gras. Vielleicht wagen sich deswegen so wenige bildende Künstler aufs metaphorische Fußballfeld, anders etwa als linke Schriftsteller, die ihre intakt gebliebene proletarische Gesinnung gerne in Mannschaftsstärke demonstrieren.

Slominski möchte das Stadiongrün von Rot-Weiß Essen komplett mit weißer Kreide bedecken

Andreas Slominski ist eine ruhmreiche Ausnahme von dieser Regel. Sein schlapp daliegendes grünes „Tornetz ohne Tor“ ist ebenso ein Museumsklassiker wie seine Mausefallen in Stollenschuhform oder der auf einem Frankfurter Amateurplatz ausgegrabene Elfmeterpunkt. Aus der Weite des Denkraums kommt die für diesen Sommer angesetzte „Kreidezeichnung“: Slominski möchte das Stadiongrün von Rot-Weiß Essen komplett mit weißer Kreide bedecken und dabei lediglich die Kreidelinien aussparen. So verkehrt er die üblichen Begrenzungen des Fußballs nicht nur ins Gegenteil – er hebt sie auf.

Zwei gezeichnete Fußballer von Borussia Dortmund laufen und schießen.

Aus der Serie „Wohnorte gegen Geburtsorte“ von Andreas Slominski. Die Sammlung ist jetzt auch als Buch erhältlich.

Ansonsten hält Slominski den Ball flach. Bei seinem frühen Meisterwerk „Wohnorte gegen Geburtsorte“ dürfen sogar einfacher gestrickte Fußballromantiker schwärmen. Am 26. August 1986 war der SV Meppen beim Hamburger Stadteilklub Altona 93 zu Gast, ein gewöhnliches Oberligaspiel, das für Slominski ein besonderes war. Sein alter Heimatverein, der SV Meppen, spielte gegen seinen aktuellen, ein Zwiespalt, den Slominski auflöste, indem er ihn verallgemeinerte. Er bat Fußballklubs aus ganz Deutschland um Plakate, auf denen sie ihre Heimspiele ankündigten, und wählte die 80 schönsten für seine als Konzeptkunstwerk zu verstehende Sammlung aus.

Für die „Einmal Effzeh, immer Effzeh“-Kurve mag selbst das ein Frevel sein, aber die meisten Menschen und Fußballfans sind halt doch Zu-, Um- und Weitergezogene. Ihrem Prinzip nach sollte sich jeder in Slominskis Sammlung wiederfinden können, auch wenn er zwischen 1986 und 1987 nur Vereine anschrieb, die in erster, zweiter oder einer Oberliga spielten. Es sind einige große Vereinsnamen darunter, aber die Mehrzahl der Begegnungen führt auf Nebenschauplätze in der fußballerischen Provinz, nach Delmenhorst, Unterhaching oder ins Fortuna-Stadion Köln-Süd.

Andreas Slominskis Plakatsammlung ist eine Deutschlandrundfahrt in Gedanken

Slominskis Plakatsammlung ist eine Deutschlandrundfahrt in Gedanken und eine Zeitreise in eine unendlich weit entfernt scheinende Fußballwelt – wohl vor allem aus dem zweiten Grund ist sie jetzt in Buchform beim Kölner Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König erschienen. Man erlebt einen Sport, der bei der Plakatgestaltung eher auf Befreiungsschläge denn auf gepflegtes Passspiel setzt und noch im bescheidenen Rahmen wirtschaftet. Die Sponsoren verströmen den Duft der nahen Welt („Dr. Hillers Pfefferminz: Für unterwegs, immer dabei“) oder betteln auf Wimmelbildern um aufmerksames Studium. Slominskis Erweckungserlebnis führte ihn auf die Adolf-Jäger-Kampfbahn, andere Stadien heißen Schönbusch oder liegen am Böllenfalltor.

Sämtliche Plakate sind bis 7. Juli auch im Essener Museum Folkwang zu sehen. Drei davon stammen aus Köln, salomonisch verteilt auf Effzeh, Fortuna und Viktoria. Ästhetisch ist Fortuna die einsame Nummer Eins der Stadt, die Viktoria wirbt etwas bieder mit dem Mannschaftsfoto (und einem Kölsch zum Runterspülen), der Effzeh setzt sein Flutlicht stolz ins Bild. Der Hauptsponsor umgarnt die Fans als „starker Partner“, auch „für Sie, wenn es darum geht, Ihr Fahrzeug in Top-Form zu bringen“. Wahrlich, es waren andere Zeiten.


„Andreas Slominski. Wohnorte gegen Geburtsorte“, Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König, 152 Seiten, 29,80 Euro.

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