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Zu Gast auf der c/o popInfluencerin Leni Bolt im Interview über Selbstfindung und Burn-Out

Lesezeit 5 Minuten
Leni Bolt mit langen pinken Haaren und großer Brille an einem Tisch, sie hält ein Mikro in der Hand.

Influencerin Leni Bolt.

Wir haben mit Leni Bolt über ihr Leben samt der Herausforderungen gesprochen – und erfahren, wo sie ihren Grimme-Preis hinstellen wird.

Leni Bolt ist Influencerin und arbeitet als Coach für eine gesunde Work-Life-Balance. Am 30. Juni erscheint ihr erstes Buch, ein Ratgeber zum Thema. Bekannt ist sie durch die Netflix-Serie „Queer Eye Germany“ geworden, in der sie respektvoll Menschen zu einem besseren Leben hilft. Als non-binäre trans Person hat Bolt viel (negatives) erlebt. Sie ist am Samstag für eine Lesung zu Gast auf der c/o pop. Wir haben vorab mit ihr gesprochen.

Leni Bolt, welche Musik hören Sie am liebsten?

Leni Bolt: Popmusik! Ich bin ein großer Dua Lipa-Fan. Aber auf der c/o pop sind viele tolle deutsche Artists, die ich mir anschaue. Es gibt ja auch einen Voguing-Ball, sowas gibt es auf Mallorca nicht, das vermisse ich, da werde ich vorbeischauen.

Die meisten Menschen dürften Sie aus der Netflix-Serie „Queer Eye Germany“ kennen. Gibt Momente, die Sie während des Drehs besonders bewegt haben?

Das waren immer die ersten Begegnungen mit unseren Alltagsheld*innen, die wir zuhause besucht haben. Es war wirklich so, dass wir sie nicht gesehen haben, bis wir vor der Haustür standen. Ich denke oft an Marlen zurück, das 18-jährige Mädchen. Sie hatte eine sehr schicksalsgeprägte Geschichte mit einem Herzfehler und es war einfach eine schöne Woche, die wir mit ihr verbracht haben.

Len Bolt hat mit „Queer Eye Germany“ einen Grimme-Preis gewonnen

Mit der Serie haben Sie einen Grimme-Preis gewonnen. Wo haben Sie die Trophäe hingestellt?

Das habe ich meine Follower*innen gefragt! Aktuell ist sie noch in meinem Koffer, aber sehr viele Leute haben mir geantwortet, dass die Hollywood-Stars ihre Trophäen auf die Gästetoilette stellen. Das werde ich dann auch tun. Schließlich kommen dort alle meine Gäste früher oder später vorbei.

Auf Instagram haben Sie vor 36 Wochen verkündet – die App zeigt es mir so genau an –, die Arbeit an einem Buch begonnen zu haben. Wie erging es Ihnen seitdem?

Es waren Höhen und Tiefen, dieses Buch, mein erstes, zu schreiben. Ich hatte auch Schreibblockaden, habe aber Support von Familie, Management, Kolleg*innen und Freund*innen gehabt. Die haben mir immer wieder Impulse gegeben, wonach ich dann wusste: Es geht doch weiter. Es ist schön, ein Buch so wachsen zu sehen.

Der Titel des Buches ist „Work Life Liebe“, was hat die Liebe für Sie mit Arbeit zu tun?

In dem Buch geht es darum, eine ausgewogene Work-Life-Balance zu finden. „Liebe“ steht sinnbildlich dafür, die Liebe zu der eigenen Lebensgestaltung zurückzufinden. So, dass man sowohl den Arbeits-Teil liebt als auch das Privatleben.

Was hat Sie dazu bewegt, dieses Buch zu schreiben?

Ich hatte vor einigen Jahren ein Burn-Out und habe dann mein Leben komplett umgekrempelt. Ich bin dann ausgewandert nach Mallorca und habe angefangen, Menschen zu coachen und bei Instagram Inhalte zu dem Thema zu veröffentlichen. Der Andrang und das Interesse wurden sehr groß, da ist die Idee für das Buch entstanden. Ich biete mittlerweile keine 1:1 Coachings mehr an und möchte so noch mehr Menschen erreichen, mit dieser Art Wegweiser.

Leni Bolt über Burn-Out: In unserer Hustle-Culture ein Tabu-Thema

Wie fühlen Sie sich damit, jetzt so viel und so offen über Burn-Out zu sprechen?

Es war ein langer Weg für mich und ich sage immer wieder, wenn man mal einen Burn-Out hatte, geht man feinfühliger mit Situationen um. Klar, es gibt immer wieder krass stressige Momente, in denen ich merke: Es ist mir gerade zu viel. Aber heute weiß ich, was ich tun muss, damit ich nicht mehr in ein Burn-Out schlittere. Deswegen kann ich da offen drüber sprechen. Das ist mir auch wichtig, es ist meine Mission, das zu enttabuisieren. In unserer Hustle-Culture ist das noch ein Tabu-Thema. Wir müssen immer stark sein, aber wir sind doch auch nur Menschen und keine Maschinen.

Hustle-Culture bezeichnet ein Arbeitsumfeld geprägt von Überstunden und Stress. Wie empfehlen Sie, dem entgegenzuwirken?

Wichtig ist, ein Selbstbewusstsein zu entwickeln und Grenzen zu setzen, um zu sagen: Nur weil du das machst, muss ich das nicht auch machen. Das nimmt oft eine Eigendynamik an, dass man sich gegenseitig kontrolliert. Zum Beispiel, wenn jemand sagt: Ich war gestern zwölf Stunden im Office, was hast du denn gemacht? Dann kann man antworten: Ich bin nicht du, ich brauche meinen Freiraum. Und wenn man trotzdem tolle Arbeit abliefert, ist das ja kein Problem. Mehr Zeit bedeutet nicht, dass man auch mehr Qualität abliefert.

Wie ist das Leben auf Mallorca im Vergleich zu Berlin, im Vergleich zu Ihrer Heimat Soest?

Die Frage ist witzig, denn ich habe das Gefühl, einen Bogen zurück gemacht zu haben. Ich komme aus der Kleinstadt Soest und das war mir damals natürlich zu klein als queere Person. Ich wollte die Welt sehen, bin dann nach Berlin gezogen, um mich selbst zu entdecken. Das war ein langer Prozess, auch was meine Identität angeht, bis ich das Gefühl hatte, mich gefunden zu haben. Dann kam das Burnout und ich bin nach Mallorca gezogen, aber wieder aufs Dorf, noch kleiner als meine Heimatstadt. Das ist im Vergleich zu Berlin die Ruheoase schlechthin. Da kann ich Kraft sammeln, da gehe ich wandern, mache meine Yoga-Übungen.

Wie hat sich für Sie die Work-Life-Balance auf die Identitätsentwicklung ausgewirkt?

Die Work-Life-Balance ist ein ausschlaggebender Part unseres Lebens. Wenn wir das nicht haben, uns nur im Hamsterrad befinden, dann sind wir „stuck“, kommen nicht weiter. Gerade der Millenial- und Gen Z-Generation ist es so wichtig, dass man immer andere Ziele außerhalb des Arbeitslebens hat. Oder dass man das auch vereinen kann. Ich habe meine Berufung gefunden. Ich weiß natürlich nicht, was mein Leben mit sich bringt. Es kann sein, dass ich in 20 Jahren noch etwas anderes finde. Mir ist es aber wichtig, dass ich Menschen etwas zurückgeben kann, anderen Menschen helfen kann und das ist meine Berufung, die ich nach dem Burn-Out entdeckt habe.