LeserbriefeKontroverse um Äußerungen des Papstes

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Papst Franziskus hat während seiner wöchentlichen Generalaudienz auf dem Petersplatz die rechte Hand zum Segen erhoben. Er trägt eine weiße Soutane und eine weiße Kappe, genannt Pileolus.

Papst Franziskus bei seiner wöchentlichen Generalaudienz auf dem Petersplatz in Rom

Über Interviewaussagen des Papstes ist ein Streit entbrannt. Fordert er die Ukraine zu Verhandlungen auf oder zur Kapitulation?

Zum Fremdschämen – Die Aussagen des Papstes zum Krieg in der Ukraine sind eine Kapitulation – Kommentar von Joachim Frank (11.3.)

Aussagen des Papstes stehen in pazifistischer Tradition

Den Kommentar von Joachim Frank fand ich wenig hilfreich, ja sogar im höchsten Maße ärgerlich. Wer sich im Ukrainekrieg für Waffenruhe, Verhandlungen und Frieden einsetzt, unterstützt doch in gar keiner Weise den Aggressor. Der Papst sagt, wie es ist: In der Ukraine zeichnet sich eine militärische Niederlage ab, und nun gilt es, klug darauf zu reagieren und neue Wege zu finden jenseits immer neuer – nutzloser – Waffenlieferungen. Gibt es denn ein höheres Gut als den Frieden?

Nein, sagt die Bibel, wir sollen ihm nachjagen, denn selig sind die Friedfertigen. „Stecke dein Schwert ein“, sagt Jesus zu Petrus, als er versucht, Jesus mit dem Schwert zu verteidigen bei seiner Festnahme. Es ist gut und richtig, dass der Papst sich auf die pazifistische Tradition bezieht; das entspricht dem Geist des Christentums. Und nur so können wir der totalen gegenseitigen Vernichtung und dem großen Morden und Töten entkommen, das uns allen droht, wenn wir nicht Vernunft walten lassen und die Waffen zum Schweigen bringen! Renate Beisenherz-Galas Bergisch Gladbach

Ist der Papst blind für die Realität?

Ich halte den Kommentar von Joachim Frank für absolut zutreffend. Die Empfehlung des Papstes, die Ukraine solle den Mut besitzen, die weiße Fahne zu hissen und in Verhandlungen einzutreten, ist nahezu eine Unverschämtheit. Wie absurd: Der Papst wendet sich ausschließlich an das Opfer eines brutalen Angriffskrieges und fordert es auf, sich zu ergeben. Denn sein Vorschlag, mit dem Aggressor zu verhandeln, ist völlig realitätsblind, da Putin schon zigmal erklärt hat, dass er der Ukraine kein Recht auf einen eigenständigen Staat zubilligt und dass sein klares Ziel die vollständige Eroberung der Ukraine ist.

Wenn man dann noch bedenkt, mit welcher Brutalität die Menschen in den eroberten Gebieten behandelt und die Ukrainer gezwungen werden, eine russische Identität anzunehmen, zudem Tausende von Kindern nach Russland verschleppt werden! Außerdem hat Putin klargemacht, dass eine eventuelle Verhandlung nur unter seinen Bedingungen stattfinden könnte.

Unter diesen Voraussetzungen die Ukraine aufzufordern, die weiße Fahne zu hissen und gleichzeitig kein Wort über den Aggressor zu verlieren, ist unglaublich. Das muss in den Augen der Ukraine entweder eine völlige Realitätsblindheit oder eine einseitige Stellungnahme zugunsten Putins sein. Ich vermisse in der Aussage des Papstes jede Empathie für die Ukraine und kann sie fast nur als Provokation, wenn auch nicht bewusst, wahrnehmen. Siegfried Schumacher Köln

Papst: Warnung vor sinnlosem Blutvergießen

„Habe den Mut zu verhandeln“, hat Papst Franziskus gesagt. „Wenn du so weitermachst, wie viele Tote wird es dann geben?“ Er spricht von „Verhandeln“ nicht von „Unterwerfen“. Er fordert, auf die Vernunft zu bauen und Lösungen zu suchen, statt sinnlos Blut zu vergießen. Wieso löst das solche Empörung aus? Wieso macht das unsere Außenministerin fassungslos? Die Forderung des Papstes ist nichts, wofür sich ein Katholik schämen müsste. Man muss sich eher für Frau Strack-Zimmermann schämen.

Sie wünscht sich anscheinend einen Papst, der dem Krieg das Wort redet. Wollen wir denn weiterhin zusehen, wie die Menschen in der Ukraine und auch in Russland, sterben, angeblich für unsere Freiheit, und ihr Land völlig zerstört wird? Wollen unsere verantwortlichen Politiker die Gefahr der Ausweitung des Krieges nicht sehen? Ein schlechter Frieden ist sicher besser als ein „guter“ Krieg! Nach einem Weltkrieg wird der Rest der Menschheit, falls es den noch gibt, sicher der Ansicht sein, dass ein ungerechter Friede besser gewesen wäre, als das, was danach kam. Reinhild Felten Köln

Papst-Interview: Fehlende Verurteilung des Aggressors

Von Päpsten ist man gewohnt, dass sie bei Konflikten oder Kriegen ungerechte Verhaltensweisen rügen und Friedensappelle an die beteiligten Parteien und die Welt richten. Von Papst Franziskus hätte man somit erwartet, dass er eindeutig das Verhalten des Kriegsverbrechers, Massenmörders und per Haftbefehl gesuchten Kindesentführers Putin verurteilt. Das ist nicht geschehen.

Zudem hätte man gehofft, dass er aus Solidarität mit dem leidenden ukrainischen Volk dem Land einen Besuch abstattet. Auch dies ist nicht geschehen. Stattdessen empfiehlt er nun den Ukrainern, die Aussichtslosigkeit ihrer Lage zu erkennen, dem Aggressor Putin Verhandlungen anzubieten oder zu kapitulieren.

Das ist ein unangemessenes, unzumutbares und die tapfere Gegenwehr der Ukrainer missachtendes Vorgehen. Sollte Franziskus in Zukunft nochmals Appelle zum Frieden an die Welt richten, können diese nicht mehr als glaubwürdig angesehen werden. Prof. Dr. Claus Werning Frechen

„Hut ab vor Papst Franziskus!“

Hut ab vor Papst Franziskus! Endlich appelliert eine Stimme, die weltweit gehört wird, ohne „wenn und aber“ an die menschliche Vernunft, damit weiteres Sterben viel zu vieler Menschen und der Schrecken des Krieges ein Ende finden. Sigrid Schmidt Hasenbusch Eitorf

Zweifel an Papst Franziskus

Der frühere Bundespräsident Gustav Heinemann hat einmal gesagt: „Es ist erstaunlich, mit wie viel Dummheit die Welt regiert wird“. Heute sollte es heißen: „Es ist erschreckend, mit wie viel Dummheit die Welt regiert wird“. Das könnte auch auf Papst Franziskus zutreffen. Ich zweifle an seinem Verstand. Kann man ihn vielleicht entmündigen? Wahrscheinlich nicht. Manfred Lerchen Köln

Papst setzt sich für Waffenstillstand, nicht für Kapitulation ein

Papst Franziskus hat keineswegs die Kapitulation der Ukraine gefordert, sondern Verhandlungen, die einen Waffenstillstand zum Ziel haben. Sofern dieser Krieg nicht zur größten denkbaren Katastrophe führt, wird er angesichts der bestehenden Kräfteverhältnisse sowieso in einem Waffenstillstand münden, in dem keine der Kriegsparteien ihre Ziele wird vollständig durchsetzen können.

Warum also nicht danach trachten, dem blutigen Gemetzel lieber heute als morgen ein Ende zu bereiten? Es ist beschämend, dass jeder, dem davor graust, immer mehr Menschen zur Schlachtbank zu führen, als nützlicher Idiot Putins diffamiert wird. Uwe Hass Köln

Verhandlungsappell des Papstes überfällig

Im Gegensatz zu Joachim Frank schäme ich mich nicht für die Worte von Papst Franziskus. Ganz im Gegenteil, ich fand sie überfällig. Wenn der Papst von der „weißen Fahne“ spricht, dann meint er nicht die Kapitulation der Ukraine, sondern die Bereitschaft zu verhandeln. Was bei diesen Verhandlungen herauskommt, ist erst einmal offen.

Aber es würde nicht mehr geschossen, endlich würden die Waffen einmal schweigen und nicht mehr töten und zerstören, und dies vielleicht für länger. Stattdessen würde geredet. Es ist beschämend, wie eine solche Idee in der deutschen Medienlandschaft platt gemacht wird.  Wolfgang Firmenich Köln

„Auch mit einem Kriegsverbrecher muss verhandelt werden“

Im Streit um die Interviewaussagen des Papstes wurde viel diskutiert. Fordert er die Ukraine zu Verhandlungen auf oder zur Kapitulation? Es empfiehlt sich ein Hinweis auf das Kriegsvölkerrecht, speziell auf den Artikel 32 der Haager Landkriegsordnung. Darin wird die weiße Fahne als Parlamentärsflagge bezeichnet. Sie gewährt die Unverletzlichkeit des Parlamentärs, der mit der anderen Partei in Unterhandlungen treten will. Die Interpretation der weißen Flagge als Kapitulationsflagge halte ich für falsch. Und wenn es noch so schwerfällt – auch mit einem Kriegsverbrecher muss verhandelt werden. Helmut Duell Köln

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