Widersprüche in MoskauWagenknecht und Kretschmer verteidigen Papst – Kritik von Kirche, Kanzler und Merz

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Papst Franziskus steht für seine jüngsten Äußerungen zum russischen Krieg gegen die Ukraine in der Kritik. (Archivbild)

Papst Franziskus steht für seine jüngsten Äußerungen zum russischen Krieg gegen die Ukraine in der Kritik. (Archivbild)

BSW und Linke positionieren sich nach den Worten des Papstes. Bei der CDU gibt es keine klare Linie. Auch in Moskau scheint man sich nicht einig zu sein.

An Äußerungen von Papst Franziskus zu Russlands Krieg gegen die Ukraine gibt es massive Kritik. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Worte des Papstes zum Hissen der „weißen Flagge“ am Montag zurückgewiesen. „Wie Sie sich vorstellen können, ist der Bundeskanzler in dieser Frage nicht der Meinung des Papstes“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin. „Richtig ist, dass die Ukraine sich gegen einen Aggressor wehrt.“

Kritik an Franziskus wurde auch innerhalb der Katholischen Kirche laut, sowohl die Deutsche Bischofskonferenz als auch das Zentralkomitee der Katholiken kritisierten die jüngsten Aussagen des Pontifex zu Wochenbeginn. Auch Grünen-Chef Omid Nouripour widersprach dem Papst. Zuspruch bekam Franziskus unterdessen aus dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und von der Linken. Uneinigkeit zeigte sich unterdessen bei der CDU.

Katholische Kirche in Deutschland kritisiert Papst-Aussagen zu Ukraine

Franziskus hatte in einem Interview zu dem inzwischen mehr als zwei Jahre laufenden Krieg in der Ukraine gesagt: „Wenn man sieht, dass man besiegt ist, dass es nicht gut läuft, muss man den Mut haben, zu verhandeln.“ Der Papst wurde auch zu Forderungen nach „Mut zur Kapitulation, zur weißen Fahne“ gefragt. Darauf antwortete er: „Das ist eine Frage der Sichtweise. Aber ich denke, dass derjenige stärker ist, der die Situation erkennt, der an das Volk denkt, der den Mut der weißen Fahne hat, zu verhandeln.“ Vatikan-Sprecher Matteo Bruni widersprach später Darstellungen, der Papst habe die Ukraine zur Kapitulation aufgefordert.

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Die Deutsche Bischofskonferenz könne „nachvollziehen“, dass die Formulierung mit der weißen Fahne „bei vielen Beobachtern Irritationen ausgelöst hat“, sagte ein Sprecher am Montag der „Bild“-Zeitung. „Es wäre gut, wenn der Heilige Stuhl in diesen Fragen eine inhaltliche Klärung seiner Position kommuniziert.“

Uneinigkeit bei der CDU: „Katholische Kirche ist nicht frei von Irrtum“

Bei den Christdemokraten herrschte derweil keine Einigkeit im Umgang mit den Worten des Papstes. „Auch als Mitglied der katholischen Kirche – ich teile sie nicht. Ich halte sie für grundfalsch“, sagte einerseits CDU-Chef Friedrich Merz bei einer Pressekonferenz zu den Äußerungen von Franziskus, die ihn „überrascht“ hätten. „Man sieht in der Geschichte: Auch die katholische Kirche ist nicht frei von Irrtum“, fügte Merz an.

Anders äußerte sich unterdessen Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. „Papst Franziskus ist ein besonnener Mann“, schrieb der CDU-Politiker bei X. „Seinen Aufruf ‚Mut zu Verhandlungen‘ teile ich.“

Die Ukraine hatte die Äußerungen des Papstes bereits am Sonntag vehement zurückgewiesen. „Unsere Flagge ist Blau und Gelb“, hatte Außenminister Dmitri Kuleba mitgeteilt. „Russische Mörder und Folterer dringen nur deshalb nicht weiter nach Europa vor, weil sie von Ukrainern mit Waffen in der Hand und unter der blau-gelben Flagge zurückgehalten werden“, hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj zudem erklärt.

Zuspruch für Papst Franziskus von Gregor Gysi und Sahra Wagenknecht

Zuspruch bekam Franziskus zu Wochenbeginn derweil nicht nur von Kretschmer, sondern auch von BSW und Linken. „Papst Franziskus hat völlig recht, dass zwischen Russland und der Ukraine die weiße Fahne gehisst werden muss“, erklärte Gregor Gysi (Linke) bei X (vormals Twitter). Gysi unterstellte den Nato-Staaten zudem, „den Krieg möglichst lange hinziehen“ zu wollen und behauptete, deshalb müsse Kiew nun den Papst kritisieren.

Der Aufruf von Franziskus sei „mutig und klug“, befand unterdessen auch die ehemalige Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht. Die nunmehrige BSW-Galionsfigur machte sich zudem erneut ein russisches Narrativ zu eigen und warf den „Bellizisten aus Union, Grünen und FDP“ vor, Deutschland zur „Kriegspartei“ machen zu wollen.

Diesen Vorwurf hatte Moskau nach dem Abhörskandal bei der Luftwaffe erhoben und es dargestellt, als hätten deutsche Offiziere einen Angriff auf Russland geplant, aus dem veröffentlichten Mitschnitt geht derartiges allerdings nicht hervor. Shervin Haghsheno, stellvertretender BSW-Vorsitzender, erklärt zudem, es sei eine „Unverschämtheit, dass führende Politiker der Regierungsparteien den Papst dafür kritisieren, dass er sich im Ukraine-Konflikt für Frieden einsetzt“.

Zwei Botschaften aus Moskau: Kreml und Putins Propagandisten reagieren

Ähnlich wie Franziskus‘ Fürsprecher in Deutschland äußerte sich unterdessen auch der Kreml. Russland verstehe die Äußerungen des Papstes in dem Interview mit dem Schweizer Fernsehen nicht als Aufruf an die Ukraine zur Kapitulation, sondern als Plädoyer für Verhandlungen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag russischen Nachrichtenagenturen zufolge.

Wladimir Putin habe immer wieder davon gesprochen, bereit und offen zu sein für Verhandlungen. „Das ist der bevorzugte Weg“, sagte Peskow. Was der Kremlsprecher nicht erwähnte, ist, dass Russland zu Verhandlungen stets nur unter der Voraussetzung bereit ist, dass jegliche russische Forderungen akzeptiert werden. Für die Ukraine stellt das keine Verhandlungsgrundlage dar.

Putins Propaganda im Staats-TV: „Für uns ist der Papst ein Niemand“

Dass man auch die jüngsten Worte aus dem Kreml in Zweifel ziehen sollte, zeigen unterdessen die jüngsten Äußerungen von Putins Propagandisten in den russischen Staatsmedien – dort wird ein gänzlich anderer Ton gegenüber Papst Franziskus angeschlagen als im Kreml.

„Warum steckt dieser Mann seine Nase in die Angelegenheiten zweier orthodoxer Nationen?“, fragte der kremlnahe Talkmaster Wladimir Solowjow in seiner Sendung. „Für uns ist der Papst ein Niemand“, bekräftigte Solowjow der US-Journalistin Julia Davis zufolge. Russland habe kein Interesse an Verhandlungen – und erkenne Franziskus zudem nicht als geistliches Oberhaupt an, erklärte der Propagandist. (mit dpa/afp)

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