Leserbriefe zu Peking 2022Olympische Werte aus den Augen verloren?

Die Olympische Flagge und die Flagge der Volksrepublik China bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking
Copyright: dpa
Die olympischen Machtspiele (5.2.)
Olympiade sollte nicht in Gigantomanie abdriften
Die Olympischen Spiele in China sind einfach nur zum Vergessen. Mir tun die Sportler, Betreuer und die Berichterstatter leid. Man ist schon lange gewohnt, dass der Kommerz regiert und dass Staaten die Olympischen Spiele nur ausrichten, um sich zu profilieren. Das war schon bei den Spielen 1936 in Berlin so. Es werden riesige Anlagen erstellt, die in den Jahren danach oft verkommen. Ärmere Länder können es sich gar nicht erst leisten, die Spiele auszurichten. Sportler werden zum Doping gedrängt, um ihren Ländern Erfolg und Renommee zu bringen.
Trotzdem hatten die Spiele in der Vergangenheit immer noch eine gewisse Atmosphäre. Olympia spielte sich auch rund um die Wettkampfstätten ab. Aber die Spiele in China haben absolut gar nichts mehr mit olympischer Atmosphäre zu tun. Es geht nur noch um Hochtechnologie in einer abgeschirmten Blase. Es gibt keinerlei Kontakt zur örtlichen Bevölkerung, keinerlei Möglichkeit, das Land kennenzulernen. Die Anlagen mit Kunstschnee sind ein ökologisches Desaster und wirken abgesehen davon völlig unnatürlich.
Die Spiele hätten aus vielen Gründen gar nicht erst nach China vergeben werden dürfen. Olympische Spiele sollten nur Länder ausrichten dürfen, die Menschenrechte achten, die für eine offene Gesellschaft sind und die ökologische Aspekte berücksichtigen. Die Spiele sollten künftig deutlich bescheidener werden und nicht immer mehr in Gigantomanie abdriften. Normalerweise verfolge ich gern einige der Wettbewerbe im Fernsehen. Aber diesmal werde ich mir keine Minute dieser toten Spiele anschauen. Sorry, Sportler und Berichterstatter!Achim Wolf Leverkusen
Das könnte Sie auch interessieren:
Winterspiele: Möglichst unvoreingenommen berichten
Wir alle wissen, dass seit 70 Jahren die kommunistische Partei in China allein regiert, es sich also um eine waschechte Diktatur handelt. Dennoch machen wir seit über 30 Jahren in China Geschäfte und hochrangige Wirtschaftsdelegationen besuchen das Land, wobei die Themen Menschenrechte und persönliche Freiheiten dann vor Ort immer schön ausgeklammert werden. Ich selbst war über fünfzigmal in China und habe in all den Jahren nie über politische Themen diskutieren müssen, weil es eben nicht opportun war.
Ist es dann nicht scheinheilig, dass bei einem großen Sportereignis plötzlich alle aufschreien? Dass ein totalitärer Staat solch eine Gelegenheit nutzt, um sich möglichst positiv darzustellen, wissen wir seit 1936. Also bitte möglichst unvoreingenommen weiterhin von dieser Olympiade berichten. Sportler und Zuschauer haben es verdient, auch wenn sie keine große wirtschaftliche Macht darstellen und somit leicht zu boykottieren wären.Dr. Roland Richter Odenthal
Olympia-TV-Übertragungen einfach nicht einschalten
Meine Frau und ich schauen gerne Sportereignisse im TV. Allerdings haben wir diesmal beschlossen, uns die Übertragungen nicht anzusehen – auch, wenn es schwerfällt. Die Spiele in Peking sind unserer Meinung nach weder in der aktuellen Corona-Situation noch aus politischer Sicht vertretbar. Die Medien setzen sich aus kommerziellen Gründen über die aktuelle Menschenrechtslage in China hinweg.
Es war vollkommen falsch, die Spiele dorthin zu vergeben und keine Weichmacher-Argumentation rechtfertigt das. Ein Regime, das seine Landsleute mehr als nur mit Füßen tritt und unliebsame Kritiker mundtot macht oder verschwinden lässt und das die freie Meinungsäußerung mit aller Macht unterbindet, kann nicht Ausrichter eines Sportereignisses mit olympischem Grundgedanken sein.
Wenn man hier ein Zeichen setzen will, müsste man den Sendeanstalten deutlich machen: Wir schauen uns das nicht an. Wenn wir alle nicht einschalten, gibt es die erhofften Quoten nicht. Es wäre toll, wenn so etwas gelingen könnte. Eine kleine Entscheidung mit Riesenwirkung – wenn viele sich beteiligten. Wir jedenfalls werden nicht einschalten.Walter Pütz Windeck

IOC-Präsident Thomas Bach bei der Eröffnung der Olympischen Winterspiele in Peking am 4. Februar 2022.
Copyright: dpa
Das IOC hat Aspekte der Olympischen Idee aus den Augen verloren
Vor 50 Jahren, bei den Olympischen Sommer-Spielen 1972 in München, war ich als freiwilliger Helfer dabei. Damals habe ich die besondere, völkerverbindende Atmosphäre dieser Veranstaltung unmittelbar erleben dürfen. Der Terroranschlag auf die israelische Mannschaft hat mir und der ganzen Weltöffentlichkeit aber auch plastisch vor Augen geführt, welche enorme – auch politische – Verantwortung die Organisatoren von Olympia tragen.
Die Grundidee der Spiele der Neuzeit hat ihr Gründer, Pierre de Coubertin, eben nicht nur im fairen Wettkampf gesehen, sondern auch im friedlichen, offenen und brüderlichen Zusammenleben der Wettkämpfer im Olympischen Dorf. Diesen Aspekt der Olympischen Idee hat das IOC im Falle der Vergabe der Winterspiele 2022 klar hintan gestellt oder gänzlich aus den Augen verloren. Das „the games must go on“ vom damaligen IOC-Präsidenten Avery Brundage im Jahr 1972 war kein Freibrief in Richtung „the games can take place everywhere“! Daran sollte auch Thomas Bach, der derzeitige IOC-Präsident sich erinnern können.Dr. Bernd Süllow Pulheim
Scheinheilige Symbolpolitik
Nachdem die USA China in vierzig Jahren zu unerwarteter Stärke aufgepäppelt haben, sehen sie ihre Bestimmung als globale Führungsmacht in Gefahr. Anders als gegen Russland trauen sie sich aber nicht, zu harten Bandagen zu greifen. Also greifen sie zu Symbolpolitik und nutzen die Olympischen Spiele, um China in ein schlechtes Licht zu stellen. Das Vereinigte Königreich, Australien und Kanada springen ihnen dabei sofort zur Seite.
Alle die Punkte, die China jetzt vorgeworfen werden, sind doch aber schon seit langem bekannt. Die Ankündigung der Koalition, keine Regierungsmitglieder zur Eröffnung der Olympiade zu schicken, ist deshalb scheinheilig. Selbst die unter sich hoch zerstrittenen Griechen in der Antike haben es geschafft, in den Zeiten ihrer Olympiaden allen Hass und Hader beiseite zu legen und nur die friedensstiftende und völkerverbindende Rolle der sportlichen Wettkämpfe zu genießen. Dr. Nikolaus Fiederling Leverkusen
Visuelle Spitzenleistung
Die Eröffnung der Olympischen Winterspiele in Beijing war eine eindrucksvolle Zeremonie mit einem grandiosen Gesamtdesign. Es war gerade kein „olympisches Machtspiel“ mit den weiteren deplatzierten Negativattributen, sondern eine fried- und fantasievolle Kulturschau – eine visuelle Spitzenleistung, inszeniert von dem berühmten chinesischen Regisseur Zhang Yimou. Kreativer Reichtum und kreatives Können waren hier vereint mit enormen technischen Fähigkeiten und ausgefeilter Perfektion.
Insgesamt eine stolze Präsentation eines Landes mit einer großen Kulturtradition und mit einer riesigen Ressource an jungen hoch ambitionierten Talenten auf vielen Gebieten. Ein Volk, das aus tiefster Armut kommend wirklich stolz sein kann, was es in so kurzer Zeit mit immensem Fleiß und Disziplin vollbracht hat – das nicht an die Weltspitze strebt, sondern längst Weltspitze ist. Für Deutschland einige Nummern zu groß, was auch die beschränkte Berichterstattung erklärt – wir sind eben „cocacolonisiert“.
Erwähnenswert ist auch das hervorragende Design der Bekleidung der Athleten-Delegationen aus Japan, Frankreich, Italien und China, um nur einige wenige zu nennen – das der deutschen jedoch noch weniger als schlechtes Mittelmaß, plump, einfalls- und kulturlos. Die Rede von IOC-Präsident Thomas Bach war exzellent und entsprach eben nicht amerikanischer Propaganda.Prof. Helmut Langer Köln

Bei der Feier zur Eröffnung der Olympischen Winterspiele in Peking erhellt Feuerwerk in Form der Olympischen Ringe den Nachthimmel.
Copyright: dpa
Geldgier und Renommiersucht bilden ungünstige Allianz
Sportler als Staffage für Autokraten – das ist wirklich nichts Neues. Längst gehen wir über diesen eigenartigen Umstand hinweg und folgen meist kritiklos oder ohnmächtig der Auffassung der Funktionäre, dass der Sport nicht politisch, wohl aber völkerverbindend sei. Die Entlarvung dieses falschen Credos, welches auch durch die stete Wiederholung nicht an Wahrheit gewinnt, sollte Anlass zu Überlegungen sein, wie man künftig mit derartigen Großveranstaltungen umgehen soll.
Die Geldgier der Funktionäre des IOC, aber auch der nationalen Funktionäre und die „Renommiersucht“ der Autokraten stellen eine ungünstige Allianz dar, die den Sport an den Rand drängt ebenso wie die Bedürfnisse der Bevölkerung und der Umwelt in den Ländern, in denen die Spiele ausgetragen werden. Ein Boykott der Funktionärskaste sollte ernsthaft in Betracht gezogen werden.Alfons Schön Bergisch Gladbach